Hatten Vögel und Säugetiere einen gemeinsamen Vorfahren?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

[Die Begriffspaare gleichwarm/homoiotherm und wechselwarm/poikilotherm sind nach der Warm-/Kaltblütigkeit jetzt die nächsten Wörter, die auf ewig aus den Lexika verschwinden sollen, weil sie sich nicht für die systematische Anwendung eignen (auch ein eigentlich wechselwarmer Fisch, der stets bei der gleichen Temperatur lebt, ist strenggenommen gleichwarm). Anstatt die Konstanz der Körpertemperatur zu betrachten, betrachtet man jetzt ausschließlich die Herkunft der Wärme im Körper. Kommt sie aus der Umgebung, spricht man von endotherm, kommt sie aus der Umgebung, spricht man von ektotherm.]

Die Endothermie bei Vögeln und Säugetieren ist auf jeden Fall unabhängig voneinander entstanden.

Die nächsten heute lebenden Verwandten der Vögel sind nacheinander die Krokodile, Schildkröten und Lepidosaurier, dann erst kommen die Säugetiere. Die drei Gruppen, die zwischen den endothermen Vögeln und Säugern stehen, sind allesamt ektotherm, was zwei logische Schlüsse zulässt. Entweder ist die Endothermie zweimal entstanden oder sie beruht auf Verwandtschaft, dann müsste sich allerdings mindestens dreimal unabhängig voneinander die Endothermie zur Ektothermie zurückgebildet haben.

Wie du angemerkt hast, stehen einige fossile Therapsiden, hauptsächlich die Untergruppe der Cynodonten, im Verdacht, gleichwarm bzw. endotherm gewesen zu sein. Das begründet man mit bestimmten Merkmalen, die auf schnellen Stoffwechsel und Wärmedämmung schließen lassen. Bei den  früheren Vertretern der Gruppe und ihren direkten Vorfahren findet man aber keinerlei Hinweise auf Endothermie, genausowenig bei fossilen Vertretern der frühen Reptilien/Sauropsiden (nicht mal bei den übrigen Dinosauriern außer den Theropoden). Damit steht fest, dass sich Endothermie erst nach der Trennung beider Linien entwickelt haben kann.

MarkusKapunkt 
Fragesteller
 13.03.2016, 00:56

Danke für diese ausführliche Antwort. Werde außerdem die veralteten Begriffe aus meinem Wortschatz verschwinden lassen. :)

Habe aber noch eine Frage dazu: kann es nicht rein hypothetisch sein, dass die Endorhermie bereits bei einem sehr frühen Reptil bereits genetisch angelegt war? 

Folgende Theorie: Es könnte doch sein, dass es in dem feuchten Klima des Karbons mit seinem extrem hohen Sauerstoffanteil einen selektiven Vorteil gebracht hätte, endotherm zu sein. Unter dem dichten Blätterdach der Baumfarne konnte sich ein Reptil nicht gut aufwärmen, Endorhermie hätte damals einen großen Vorteil gebracht. Nehmen wir mal an, es gab eine kleine Population einer endorhermen Spezies bereits vor der Kambrischen Explosion, vielleicht bei einer Spezies, die wir noch gar nicht entdeckt haben.  

Im frühen Perm, nach dem Regenwald-Kollaps, könnte es für unsere hypothetischen Freunde widerum von Vorteil gewesen sein, exotherm zu sein - jetzt war es auf der Erde insgesamt trockener und heißer, und da Endothermie den Nachteil hat, dass das entsprechende Tier sehr viel Nahrung benötigt, haben sich die exothermen Tiere durchgesetzt - bei zwei nun voneinander getrennten Tiergruppen, die jetzt ihre eigenen Wege gehen sollten. Die Gene für das mögliche Ausbilden eines endorhermen Stoffwechsels trugen sie jedoch beide weiterhin in sich, auch wenn sie mehrere Millionen Jahre lang bei beiden inaktiv bleiben sollten. 

Doch das Klima im Perm änderte sich mehrere Male, auch zu den Ungunsten der exothermen Tiere - es wurde immer extremer mit strengen Wintern und heißen Sommern, so dass sich die Evolution erneut ans Werk machte und bei einer der Nachfahrengruppe, den Therapsiden, wieder endotherme Tiere hervorbrachte (jetzt verknüpfen wir meine Theorie mit dem tatsächlichen Fossilbericht des oberen Perms) . 

Die Vorfahren der Thecodonten lebten aber vielleicht in einem anderen Lebensraum, so dass sie diese Entwicklung ihrer Schwestergruppe (nun ist es ja eigentlich schon nur noch eine Cousinengruppe) nicht nachmachten und zumindest bis nach dem Perm-Trias-Massenaussterben exotherm blieben. Jetzt war es auf der Erde wieder viel heißer, trockener, mit vielen Wüsten, einem geringen Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre und einem einzigen Superkontinent - ideal also für exotherme Thecodonten, aber ungünstig für endotherme Therapsiden, die nun immer seltener wurden. Erst in der späten Trias stellte die Endothermie wieder einen selektiven Vorteil dar - und jetzt schlug die Stunde der ersten Dinosaurier, welche die Endothermie nun auch endlich wieder ausprägten und sie an wiederum ihre Nachfahren, die Vögel, weitervererbten.

Die Therapsiden waren inzwischen ausgestorben, hatten aber auch ihren Nachfahren, den Säugetieren, den endothermen Stoffwechsel vererbt. 

In meinem Szenario geht es allein um die Möglichkeit einer genetischen Grundlage der Endothermie bereits im Karbon. Hältst du diese Hypothese also für absurd, bloß unwahrscheinlich, oder sogar für eine interessante Überlegung?

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MarkusKapunkt 
Fragesteller
 13.03.2016, 01:25
@MarkusKapunkt

Oh und ich muss dich übrigens an einer Stelle korrigieren wie ich grade sehe:

Es herrscht heute weitestgehend Einigkeit unter den Paläontologen, dass alle Dinosaurier endotherm waren, es gibt gesicherte Fakten dazu nicht nur bei Theropoden. Vom Thescelosaurus, einem Ornithopoden aus dem Maastrichtium, ist ein fossiles Herz überliefert, welches große Ähnlichkeit zu einem Vogelherz hat und auf ein Tier mit endothermen Stoffwechsel schließen lässt. Und bei einigen frühen Ceratopsiden wie Psittacosaurus sind federähnliche Strukturen nachgewiesen worden, was ebenfalls auf Endothermie hinweist. Wenn Ornithopoden und Ceratopsier so wie Theropoden endotherm waren, so muss nach Prinzip der phylogenetischen Umklammerung jeder Dinosaurier endotherm gewesen sein, sogar bereits die frühesten.

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DiegoderAeltere  13.03.2016, 16:45
@MarkusKapunkt

Interessant ist die Überlegung auf jeden Fall, aber ich halte sie trotzdem für unwahrscheinlich. Selektionsdruck ist das eine, aber Mutationsdruck das andere. Im Karbon haben die Amnioten gerade eine Möglichkeit gefunden, vom Wasser unabhängig zu werden, es wäre ein außergewöhnlicher Glücksfall, wenn sie direkt danach auch eine Möglichkeit finden, von der Temperatur unabhängig zu werden. Solche Entwicklungen nehmen normalerweise ein wenig Zeit in Anspruch.

Ich bezweifle auch stark, dass sich Endothermie im späten Karbon einfach so wieder zurückgebildet hätte, zumal es sich dabei nicht um ein einzelnes Merkmal handelt, sondern um einen ganzen Komplex. Auch unter nicht ganz optimalen Bedingungen bietet Endothermie offenbar Möglichkeiten zur Nischenbildung (immerhin leben auch endotherme Säugetiere und Vögel in subtropischen Wüsten, die fast wie geschaffen für Ektotherme sind).

Zudem würde in der Trias, also 50 Millionen Jahre nach dem hypothetischen Verschwinden der Endothermie bei den gemeinsamen Vorfahren von Dinosauriern und Therapsiden (die Cousinengruppe merk ich mir!), kaum noch eine genetische Grundlage übrig sein, die die Ausbildung der Endothermie bei Theropoden beschleunigen würde. Mit anderen Worten wäre es für die Theropoden ziemlich gleichgültig gewesen, ob ihre Vorfahren vor 50 Millionen Jahren endo- oder ektotherm waren.

Und so ganz eindeutig ist es mit der Endothermie bei Dinosauriern nicht. Das Herz des Thescelosaurus weist ebenso viele Ähnlichkeiten mit dem eines Krokodils auf wie mit dem eines Vogels, was ja auch nicht so verwunderlich ist, da sie alle Archosaurier sind. 

Die Strukturen bei Psittacosaurus und anderen Ornithischiern sind wirklich hochinteressant, aber ob sie homolog zu den Federn der Theropoden sind, ist meines Wissens immer noch nicht geklärt, wobei die Mehrheit der beteiligten Forscher denken, dass sie es nicht sind. Wenn es sich allerdings herausstellt, dass die Strukturen homolog sind, würde ich sogar so weit gehen und die Pycnofasern der Pterosaurier als verwandt mit ihnen betrachten. Aber die Vorgänger von Pycnofasern, Protofedern und den Haaren bei Ornithischiern müssen nicht unbedingt zur Isolierung gedient haben, ebensogut könnte es sich dabei um Tastorgane, Polsterung oder Schmuck gehandelt haben.

Während ich das geschrieben habe, habe ich gesehen, dass du meine Antwort ausgezeichnet hast. Danke dafür!

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Vögel gelten heute als Nachfahren der Dinosaurier. Zu Zeiten dieser Saurier hat es auch schon Säugetiere gegeben.

Wenn man aber weit genug zurückgeht, kommt man sicher zu einem Punkt, an dem Vögel und Säugetiere gemeinsame Vorfahren hatten.

MarkusKapunkt 
Fragesteller
 12.03.2016, 16:39

Es ist aber nun meine Frage, ob dieser gemeinsame Vorfahre schon bereits warmblütig / gleichwarn gewesen sein könnte, oder die Homothermie zumindest genetisch angelegt gewesen sein könnte.

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Schwoaze  12.03.2016, 19:11
@MarkusKapunkt

DAS ist eine GUTE  FRAGE!!!  :-))  .. aber vorstellen kann ich es mir eigentlich  nicht.

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Dazu müsste man den gemeinsamen Vorfahren betrachten. Leider habe ich das so nicht parat und meine Bücher stecken noch in Umzugskisten.

Dawkins hat ein Werk verfasst, in dem er unseren Stammbaum zurückgeht und dabei jeweils auf die Verzweigungen eingeht, von wir uns von bestimmten Vorfahren getrennt haben.

"Geschichten vom Ursprung des Lebens" heißt das Machwerk. Da könnte man die Antwort vielleicht finden.

Natürlich. Auch die Bierhefe und der Mensch hatten einen gemeinsamen Vorfahren. Alles Leben auf der Erde ist mit uns verwandt.

Hatten wir alle.

Die gemeinsamen Vorfahren von Vögeln und Säugern haben wohl noch im Meer gelebt. Die direkten Vorfahren der Vögeel sind Echsen

MarkusKapunkt 
Fragesteller
 12.03.2016, 16:37

Soviel hätte ich selbst auch gewusst. Trotzdem danke für die Antwort.

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