Gürteltier und Kellerassel, Millionen Jahre alte Verwandtschaft?

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Ausnahmslos alle Lebewesen auf der Erde sind letzten Endes miteinander verwandt. Sämtliches Leben hat einen gemeinsamen Vorfahren, also auch einen unmittelbaren gemeinsamen Vorfahren (LUCA genannt) und über diesen sind alle Arten miteinander verwandt. Du findest weitere Informationen über LUCA im entsprechenden Artikel auf Wikipedia.

Aber nicht alle Arten sind miteinander in gleicher Weise verwandt. Manche sind miteinander näher verwandt als mit anderen, je nachdem, wann ihr jeweils letzter unmittelbarer gemeinsamer Vorfahr gelebt hat, wann also sich im Lauf der Evolution ihre gemeinsamen Entwicklungswege voneinander getrennt haben.
Die nächstlebenden Verwandten des Menschen sind beispielsweise die Schimpansen (Gattung Pan, 2 Arten). "Unsere" und "ihre" Wege haben sich vor etwa 6 bis 7 Mio. Jahren getrennt. Die nächsten Verwandten von Menschen und Schimpansen sind die Gorillas (Gattung Gorilla, ebenfalls 2 Arten). Die Entwicklungswege von Gorillas einerseits und Mensch und Schimpansen andererseits haben sich vor etwa 10 Mio. Jahren getrennt. Noch entfernter ist die Verwandtschaft des Menschen mit den Orang-Utans (Gattung Pongo, 3 Arten). Sie haben sich von den Gorillas, Schimpansen und Menschen bereits vor rund 15 Mio. Jahren getrennt.

Dargestellt werden in der Biologie Verwandtschaftsverhältnisse in Form von Stammbäumen. Das ist die übersichtlichste Art und Weise, wie man graphisch die Verwandtschaftsverhältnisse widerspiegeln kann. Ein solcher Stammbaum sieht für unser Beispiel so aus:

Bild zum Beitrag

(c) Wikimedia Commons, public domain.

Gelesen wird ein Stammbaum von der Wurzel (im Bild der schwarze Kreis ganz unten) zu den Spitzen (die "Krone" ds Baums). Jeder einzelne Ast (dargestellt als Gerade) steht für eine Verwandtschaftsgruppe (Taxon), z. B. eine Art oder eine Gattung. Jeder Punkt (Knoten genannt), von dem zwei (oder manchmal auch mehr) Äste abzweigen, repräsentiert den jeweils unmittelbaren gemeinsamen Vorfahren. Anhand des Verzweigungsmusters kann man dann die Verwandtschaftsnähe ablesen.
Von der Wurzel aus gelesen zweigt in unserem Beispiel-Stammbaum als erstes die Linie der Orang-Utans ab, dann die der Gorillas und zum Schluss trennen sich Schimpansen und Menschen voneinander.

Wie stellt man nun aber fest, welche Arten wie miteinander verwandt sind oder anders gefragt: wie erstellt man einen Stammbaum? Um eine Verwandtschaftsgruppe zu begründen, muss man nach abgeleiteten Merkmalen, auch Apomorphien genannt, suchen. Eine Apomorphie ist ein Merkmal, das im Vergleich zum ursprünglichen Zustand (Plesiomorphie) eine evolutive Neuerung darstellt. Zum Beispiel ist das Vorhandensein eines Haarkleids (Fell) eine Apomorphie der Säugetiere. Aber nicht nur das Neuauftreten eines Merkmals kann eine Apomorphie sein, auch der Verlust eines Merkmals kann apomorph sein. Beispielsweise ist "Schwanzlosigkeit" eine Apomorphie der Menschenaffen einschließlich des Menschen. Zum ursprünglichen Bauplan der Affen gehört das Vorhandensein eines Schwanzes. Im Lauf der Evolution ging bei den Menschenaffen der Schwanz schließlich verloren, wodurch sich die Menschenaffen deutlich in diesem Merkmal von den anderen Affen unterscheiden. Will man die Monophylie (d. h. in sich geschlossene Verwandtschaft) eines Taxons begründen, sucht man nach so genannten Autapomorphien - das sind Merkmale, die exklusiv in diesem Taxon (und nur diesem Taxon!) auftreten. Das Fell ist beispielsweise eine Autapomorphie des Taxons Säugetiere (Mammalia), denn alle Säugetiere haben (mindestens rudimentär) ein Fell und es gibt kein Tier mit Fell, das nicht ein Säugetier ist.
Will man hingegen die Verwandtschaft zweier unterschiedlicher Taxa zueinander begründen, muss man nach so genannten Synapomorphien, also gemeinsamen abgeleiteten Merkmalen suchen.

Synapomorphien sind immer auch Homologien (ich weiß, eine Menge Fachbegriffe, ich versuche aber, es so einfach wie möglich zu halten und jeden Begriff zu erklären). Homologie bedeutet "Ursprungsgleichheit", ein homologes Merkmal geht also auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. Homologien sind damit Merkmale, die eine gemeinsame Abstammung (und somit eine Verwandtschaft) belegen. Klar, was einen gemeinsamen Vorfahren hat, muss ja zwangsläufig miteinander verwandt sein, so wie meine Schwester und ich ja ebenfalls gemeinsame Vorfahren haben (unsere Eltern) und damit verwandt sind.

Bei der Suche nach Apomorphien zur Stammbaumerstellung muss man aber aufpassen. Nicht immer sind Merkmale, die auf den ersten Blick als homolog erscheinen auch wirklich homolog. Es kann nämlich sein, dass sich zwei Taxa an die gleiche ökologische Nische anpassen und dabei unabhängig voneinander auf die gleiche "Lösung" kommen und Merkmale entwickeln, die sich sehr ähnlich sehen. Eine solche Form der gleichartigen aber voneinander unabhängigen Anpassung wird konvergente Evolution genannt. Die einander ähnlichen Merkmale, die konvergente Evolution hervorbringt, werden Analogien genannt. Beispielsweise haben sowohl Maulwürfe (sie gehören zu den Insektenfressern und sind daher mit Igeln und Spitzmäusen verwandt) als auch Beutelmulle (das sind australische Beutelsäuger, sie sind also näher mit Känguruhs und Koalas verwandt als mit Maulwürfen) sich an eine unterirdische Lebensweise angepasst und beide ihre Vorderbeine zu kräftigen Grabschaufeln umgebildet. Das wirkt auf den ersten Blick, als wären die Grabschaufeln homolog und Maulwurf und Beutelmull miteinander eng verwandt, in Wahrheit sind es aber Analogien und beide sind nicht näher miteinander verwandt.

Das gilt auch für den Panzer von Gürteltieren und Asseln. Auf den ersten Blick könnte man annehmen, da beide einen Panzer haben, müssten sie nahe Verwandte sein. In Wirklichkeit haben beide ihren Panzer unabhängig vom jeweils anderen entwickelt. Wenn man genau hinschaut, erkennt man auch die Unterschiede: der Panzer der Asseln besteht aus Proteinen und der Gerüstsubstanz Chitin. Der Panzer der Gürteltiere hingegen ist aus dem gleichen Material, aus dem unsere Haare, Nägel und die Oberhaut (Epidermis) aufgebaut ist, nämlich aus Keratin.

In jüngster Zeit nutzt man für die Stammbaumanalyse zunehmend anstelle morphologischer Merkmale molekularbiologische Daten, z. B. DNA-Sequenzvergleiche.
Das Prinzip dahinter ist einfach: im Lauf der Zeit sammeln sich, sobald zwei phylogenetische (stammesgeschichtliche) Linien sich voneinander trennen, durch zufällig auftretende Mutationen Unterschiede in den DNA-Sequenzen an. Je länger der Zeitpunkt der Trennung her ist (je entfernter verwandt zwei phylogenetische Linien sind), umso größer fällt der Unterschied in der DNA-Sequenz aus. Im Umkehrschluss heißt das: je ähnlicher zwei DNA-Sequenzen sind, umso näher sind beide Gruppen miteinander verwandt.
Kehren wir zu unserem Eingangsbeispiel zurück. Molekularbiologische Vergleiche haben den oben gezeigten Stammbaum bestätigt. Die größte genetische Übereinstimmung des Menschen findet man bei den Schimpansen - rund 99 % des Genoms von Mensch und Schimpanse sind identisch.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
 - (Tiere, Natur, Naturwissenschaft)

Das eine ist ein Säugetier und das andere ein Krebstier. Das eine ist ein Chitinpanzer, das andere sind Hornschuppen. Das eine hat 8 Beine, das andere vier.

Eine Verwandtschaft kann man ausschließen, zumindest wenn man nicht auf irgendeinen mehrzelligen glibberigen Organismus vor 2,5 Milliarden Jahren zurück geht.

Jaein. Selbst Butterblumen und Bienen sind entfernte Verwandte, dank Evolution.

Hier haben wir es allerdings mit Gliederfüßer und Säugetieren zu tun. Und deren Entwicklungswege haben sich lange getrennt, bevor es in beiden zu solchen Panzern kam. Die Lösungen sind ähnlich, mehr nicht.

stupid147 
Fragesteller
 07.08.2021, 13:01

Also reiner Zufall, dass die beiden Ähnlichkeiten haben?

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TMA01  07.08.2021, 13:02
@stupid147

Nein, natürlich nicht. Die Physik bestimmt, was mechanisch und strukturell funktioniert. Und die Evolution geht mit den Vorgaben sparsam um.

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Panazee  07.08.2021, 13:13
@stupid147

Zufall im Sinne von "hätte auch anders laufen können" schon. Allerdings gibt es bestimmte Strukturen, die man immer wieder vorfindet, weil sie einfach einen so großen Vorteil bieten, dass sie immer wieder auftauchen. Eine untergliederte Panzerung bietet so einen großen Beweglichkeitsvorteil gegenüber einem komplett starren Panzer, dass dieses Konzept immer wieder bei unterschiedlichen Tierarten unabhängig voneinander auftaucht.

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prohaska2  07.08.2021, 16:52

>Butterblumen und Bienen sind entfernte Verwandte<

Deshalb sprechen wir beim Aufklären immer von Bienchen und Blümchen ...

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Nein, diese beiden Arten sind überhaupt nicht miteinander verwandt. Dass sie entfernt erwas ähnlich aussehen, liegt daran, dass die Natur sich gelegentlich gleiche Schutzmaßnahmen einfallen lässt.

stupid147 
Fragesteller
 07.08.2021, 13:00

Klingt logisch, könnten aber auch vor Millionen von Jahren verwandt sein

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Littlethought  07.08.2021, 13:12
@stupid147

Die Gleiderfüßer entstanden etwa während der kambrischen Radiation vor etwa 500 Millonen Jahren. Die Säugetiere sind erst in der Kreidezeit vor etwa 100 Millionen Jahren nachgewiesen.

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stupid147 
Fragesteller
 07.08.2021, 13:15
@Littlethought

Okay, vielleicht stammt das Säugetier aber genau wo diesen Insekten und hat sich weiter entwickelt.
Von irgendwo mussten die Säugetiere ja auch her kommen

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Die beiden haben nichts miteinander zu tun - das eine ist ein Krebs mit Aussenskelett, das andere ist ein Säuger mit Innenskelett .

Ähnliche Anforderungen bringen oft ähnliche Lösungen hervor - Fische und Wale sehen sich ja auch ähnlich

stupid147 
Fragesteller
 07.08.2021, 13:06

Ich rede aber von Millionen von Jahren, ob sie dort mal eine sehr ähnliche Tier waren und sich beide dann einfach sehr weit voneinander und anders entwickelt haben

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