Gewissenfrage: Wie funktioniert das Gewissen?
"Mein Gewissen ist nicht mein Besitz, über den ich verfüge, sondern im Gegenteil ein Ort, an dem ich dem begegne, der über mich verfügt."
Die Frage bleibt offen, wer der ist, der über mich verfügt. Wir können hier* nicht* automatisch "Gott" einsetzen. Vieles hat Gewalt über uns durch Gewissensprägungen. Unser Gewissen wird geprägt durch Eltern, Erziehung, Staat, Gesellschaft, Religion, Egoismus, Gott.
Nichts ist so veränderlich wie das Gewissen: Es hat ebenso viele Abstufungen wie es Gemeinschaften und Einzelmenschen und Momente im Leben des Einzelnen gibt.
Das Gewissen redet nicht bei allen Menschen gleich. Es zeigt Gut und Böse ganz unterschiedlich, weil es von den Umständen abhängt, in denen ein Mensch aufwächst.
Nicht das Gewissen schafft die Ordnungen, in denen wir leben. Sondern die Ordnungen, denen wir ausgesetzt sind, gewinnen Macht über uns und prägen unser Gewissen.
Der Mensch besitzt kein autonomes Gewissen. Das Einzige, was ich mir - als Erwachsener - aussuchen kann, ist, von wem ich mein Gewissen ab jetzt prägen lassen will.
Frage: Warum ist das eigentlich so, dass das Gewissen nicht wirklich objektiv ist, sondern immer gegenseitig von anderen Menschen geprägt wird?
Manchmal macht mir das Angst, wenn ich daran denke, dass Kinder in autoritären Familien oder Erwachsene in diktatorischen Staaten leben, und kaum eine Chance haben, aus dem vorgegebenen Denken und Gerechtigkeitsempfinden auszubrechen.
7 Antworten
- Wenn du schreibst "Mein Gewissen ist nicht mein Besitz, über den ich verfüge", so ist das richtig in dem Sinne, dass man sein eigenes Gewissen nicht bewusst und unmittelbar beeinflussen kann. Das Gewissen nimmt hier aber keine Sonderrolle ein, sondern ganz generell gilt:
Ich kann tun, was ich will, aber ich kann nicht wollen, was ich will.
- Der "freie Wille" ist in Wirklichkeit Handlungsfreiheit, aber nicht die Freiheit zu wollen, was man will. Genau das trifft eben unter anderem auch auf das Gewissen zu. Man kann mit dem eigenen Bewusstsein nicht unmittelbar entscheiden, was man will, was man gut oder böse findet, wofür man sich schlecht fühlt.
- Die Lebenserfahrung im vollen Umfang prägt uns -- begonnen von Erziehung und Familie, über eigene Erfahrungen, erlerntes Wissen und Beobachtungen. Diese Prägung ist zwar im Kindesalter am wirkungsvollsten, hört aber niemals auf und auch als Erwachsener lernen wir ständig hinzu und unser Willen, unser Gewissen, unsere Gefühle verändern sich beständig und passen sich an die aktuellen Situationen an. Dies geschieht weitestgehend unbewusst, aber durch gezieltes Lernen, Beobachten und Erleben können wir diese Prozesse auch steuern und nutzen.
- Ich sehe kein Problem darin, dass unser Unterbewusstsein eine wichtige Rolle spielt und nicht alle Prozesse im Bewusstsein ablaufen. Letztlich ist unser Bewusstsein nur für die rationalen Entscheidungen zuständig, wann wir was fühlen und was uns prägt, ist eben keine rationale Entscheidung und das ist auch gut so. Wir wären doch völlig überlastet, wenn wir all diese Entscheidungen bewusst treffen müssten,
- Eines ist aber wichtig: Unser Bewusstsein mag keine Kontrolle darüber haben, aber wir als Mensch und Individuum sind durchaus autonom. Nur weil etwas unterbewusst abläuft, bedeutet das doch nicht, dass es weniger "wir" sind. Die Bezeichung "ich selbst" beschränkt sich doch nicht auf das rationale Bewusstsein, sondern umfasst den ganzen Körper inklusive Unterbewusstsein und Gefühlswelt.
Dein Gewissen ist ein extern "programmiertes" Prüfprogramm, dass dein Handeln in einem moralischen Kontext überprüft und dir signalisiert, wenn deine Handlungen deinem moralischen Kompass widersprechen.
Die Programmierung erfolgt durch deine Umwelt, anfangs vor allem durch Eltern und nahe Verwandte. Das kann man gut bei kleinen Kindern beobachten, die sich nicht schämen, wenn sie in die Hosen machen oder popeln. Erst die Einteilung in "Gut" und "Schlecht" formt das Gewissen.
Die Bibel ist auch so ein moralischer Kompass. Aber nur dann, wenn man ihn auch verinnerlicht hat.
Ein gut programmiertes Gewissen ist ein guter Begleiter im Alltag und lässt dich gute Entscheidungen treffen.
Das Gewissen ist eine menschliche Erfindung, und eine menschlich-erlernbare Fähigkeit zugleich.
Es ist eine Bewertung Deines Denkens, Handelns, und Empfindens vor Dir selbst.
Und wenn Du ehrlich bist zu Dir selbst und anderen: da gibt es keinen Ausweg.
Dein Gewissen wird Dich immer begleiten, weil es/Du immer weißt, was falsch, oder richtig ist.
Hier nur ein kleiner Ansatz zu dieser philosophischen Frage, es gibt hunderte dazu:
Link:
Das Gewissen ist immer künstlich. Denn zur Entwicklung eines Gewissens muss man zuvor Regeln, Moralvorstellungen u.ä. erlernt haben. Erst wenn man ein Konzept von "gut/Böse" verinnerlicht hat, kann man auch ein schlechtes Gewissen bekommen.
Wenn wir etwas tun, was entgegen den Dingen steht, die wir gelernt haben, reagiert unsere Psyche entsprechend. Sie sorgt für ein unangenehmes Gefühl.
Wie genau das funktioniert kann ich dir aktuell nicht erklären. Ich habe dazu mal einige Abhandlungen gelesen, die es biologisch erklärt haben, aber das ist schon sehr lange her.
das gewissen ist eine neuere seelenkraft, die erstmals in der griechischen kulturper5iode in die menschliche seele kam.
das gewissen wirkt als korrektiv auf eine untat (das gewissen schlägt einen)
vorherv wurden die menschen für ihre untaten von "furien" gejagt und so gequält. nun "quälen sie sich selber für ihre schlechten taten, wenn die gewissenskräfte stark genug sind.
Auch wenn ich Deine Antwort geliked habe, habe ich (als einer, der Philosophie, nicht Medizin studiert hat) dazu doch einige einschränkenden Anmerkungen dazu:
Richtig ist, dass der Mensch nicht ganz und gar Herr seines Gewissens ist. Er kann es aber beeinflussen, von mir aus nenne es "mittelbar". Er wählt sein Ich-Ideal. Er ist in dieser Wahl sicher nicht so frei, wie Sartre es sich vorstellt. Er ist aber auch nicht nur Spielball und Ergebnis seiner Umwelt. Manchmal darf die Vernunft mitreden, und manchmal hört er auch die Stimme seines Selbst (C.G.Jung).
Nur manchmal kann der Mensch tun, was er will Fraglich ist freilich, ob man von "wollen" überhaupt sprechen kann, wenn klar ist, dass er nicht kann. Wenn nicht, ist es sinnlos, den (vorhandenen) Mangel an "gutem Willen" zu beklagen.
Und richtig ist: Keineswegs immer ist der Mensch frei genug, selbst zu bestimmen was er will. Mehr als hinreichend oft hat der Mensch diese Freiheit eben nicht. Dafür seid manchmal ihr Ärzte zuständig. Aber ihm die Fähigkeit, einen guten Willen hervorzubringen (Kant), grundsätzlich und gänzlich abzusprechen, halte ich für übertrieben
Die Lebenserfahrung im vollen Umfang prägt uns - ja, aber auch die innere Erfahrung nicht nur des eigenen Fühlens, sondern auch des eigenen Denkens prägt uns. Das Philosophieren ist kein Privileg der Philosophen. Jeder Mensch kann es, jeder gereifte Mensch hat es auch schon getan, wenn auch nicht unbedingt bewusst und unter diesem Namen. Es ist normal, dass Menschen sich ein Ich-Ideal bilden. Sie tun das nicht immer bewusst, aber sie haben grundsätzlich die Möglichkeit, bewusst daran zu arbeiten. Damit nehmen sie dann Einfluss auf den Maßstab, an dem Ihr Über-Ich ihre Realität misst.
Dem, was Du in den letzten beiden Absätzen zum Unbewussten gesagt hast, stimme ich zu. Aber die Formulierung "ich selbst" übertüncht etwas den "kleinen Unterschied" zwischen meinem "Ich" nach Freud und meinem "Selbst" nach Jung. Das Unbewusste einschließlich der unbewussten Gefühle, Triebe, Archetypen und Komplexe ist sicher ein Teil meiner selbst und keine andere Person - aber insofern ich mit "ich" eben nur mein "Ich" meine, bin ich eben nicht der Herr im Haus (Freud) meines Selbst.
Mein Ich ist nicht autonom. Es ist das nur dann und insofern, als es bestimmen kann, was es will. Das Unbewusste ist eher chaotisch (Freud). Darauf den Begriff "autonom" anzuwenden, ist gewagt. Es fehlt der Nomos.