"Das kleine rote Buch", Mao-Bibel" Meinung dazu?


12.07.2025, 19:45

PS: Ich habe es gelesen, ich bin nur an Meinungen interessiert. Und das ist auch keine Fangfrage, durch die ich Leute von irgendwas überzeugen möchte. ✌🏻

6 Antworten

Ich habe keine Meinung dazu. Selbst, wenn es auf Deutsch wäre, würde ich es niemals lesen. Einfach, weil es mich nicht interessiert und mir die Zeit zu schade wäre.

Auch ist mein Eindruck, dass es vor allem in der heutigen Gesellschaft eher veraltet ist. Ich denke, dass die Generationen ab den 80ern dieses Buch nicht wirklich mehr lesen wollen und ihm große Beachtung schenken.

Nach den Reformen kamen eben andere Prioritäten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor in Sinologie (HF) und Geschichte (NF)

JesusIstRettung 
Beitragsersteller
 13.07.2025, 00:34

Es ist in deutsch verfügbar. Ich interessiere mich für Geschichte, deswegen finde ich das interessant. ✌🏻

Ich habe "Das kleine rote Buch" von Mao Zedong nicht selbst gelesen – und das muss man auch nicht, um sich eine fundierte Meinung zu bilden.  

Meine Überzeugung basiert auf historisch gut belegten Quellen.

"Das kleine rote Buch", offiziell "Zitate des Vorsitzenden Mao Zedong", war kein harmloses Sammelwerk politischer Aphorismen, sondern ein zentrales Machtinstrument in einem der repressivsten Regime des 20. Jahrhunderts. Es ist ein Symbol ideologischer Gleichschaltung, systematischer Umerziehung und gewaltsamer Durchsetzung von Loyalität gegenüber einem einzelnen Führer – Mao Zedong.

Obwohl es in westlichen linken Zirkeln teils romantisiert wurde, darf man seine historische Wirkung nicht verharmlosen:  

Das rote Buch war Pflichtlektüre für Millionen. Wer seine Sprüche nicht kannte oder falsch interpretierte, riskierte Diskriminierung, Gewalt oder den Tod. In der Kulturrevolution (1966–1976) wurde es zum Werkzeug, um Intellektuelle zu demütigen, Andersdenkende zu verfolgen, Familien zu zerstören und Millionen Menschen ins Arbeitslager oder in den Tod zu treiben. Besonders erschreckend: Für viele fanatisierte Jugendliche, die sich selbst als Rotgardisten verstanden, war das Buch nicht nur ideologische Anleitung, sondern moralische Legitimation zur Gewalt – sie traten mit ihm in der Hand auf, um Lehrer, Intellektuelle, Beamte oder Parteifunktionäre öffentlich zu erniedrigen oder zu vernichten. Hunderttausende Angehörige dieser Gruppen wurden Opfer ihrer Willkür. Insgesamt wurden zwischen zehn und zwanzig Millionen Menschen in Arbeitslager deportiert, aus Städten vertrieben oder gedemütigt. Die Zahl der Todesopfer der Kulturrevolution wird konservativ auf über eine Million geschätzt.

Auch wenn "Das kleine rote Buch" in der chinesischen Öffentlichkeit kaum noch eine Rolle spielt, hat sein Prinzip überlebt: die politische Verehrung einer einzelnen Führungsfigur, festgeschrieben in Leitsätzen, die kaum hinterfragt werden dürfen. Unter Xi Jinping erlebt China eine neue Phase der ideologischen Kontrolle – mit einem offiziellen Zitatbuch und verpflichtender Schulung in "Xi-Jinping-Denken". Die Methoden haben sich verändert, das Grundmuster bleibt erstaunlich vertraut.

Es ist ja nur eine thematisierte Ansammlung von Zitaten.

Da ich mich zuvor schon mit Mao Zedong beschäftigt hatte, war das meiste nicht neu für mich. Ich hatte eine andere Vorstellung davon.

hat euch der Inhalt überrascht

Es gibt einiges was mich bei Mao überrascht hat, aber das Buch gehört nicht dazu.

Eher sowas:

https://www.marxists.org/reference/archive/mao/selected-works/volume-8/mswv8_30.htm

oder:

https://www.marxists.org/reference/archive/mao/selected-works/volume-9/mswv9_41.htm

Findet ihr die Worte passen zu den Taten?

Ja, wobei man den zeitlichen Rahmen betrachten muss.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – China, meine zweite Heimat. Bin in China, meist in Beijing.
Die „Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung“, im internationalen Sprachgebrauch vielfach als „kleines rotes Buch“ bekannt, stellen ein markantes Dokument des revolutionären Klassenkampfes und des sozialistischen Aufbaus in einem Entwicklungsland dar. Sie spiegeln den Willen wider, unter Führung einer kommunistischen Partei den Übergang vom Feudalismus zum Sozialismus durch konsequente Mobilisierung der werktätigen Massen zu vollziehen.

Wie der marxistisch-leninistische Theoretiker Genosse Harri Czepuck, langjähriges Mitglied der Zentralen Revisionskommission der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Mitglied des Redaktionskollektivs der Zeitschrift „Einheit“, stellvertretender Vorsitzender des Komitees für die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Bruderparteien sozialistischer Länder, Träger des Vaterländischen Verdienstordens in Silber, Empfänger der Medaille „Kämpfer gegen den Faschismus 1933–1945“, Träger der Artur-Becker-Medaille in Gold und Inhaber des Ehrenzeichens der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in Silber, zutreffend formulierte:

Das Studium revolutionärer Erfahrungen anderer Länder ist für unsere Partei kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit des Klassenkampfes.“

Auch Genosse Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, Vorsitzender des Staatsrates der DDR, Träger des Karl-Marx-Ordens, des Lenin-Ordens, des Ordens der Oktoberrevolution, des Großen Sterns der Völkerfreundschaft in Gold und Ehrenträger des Titels „Held der Arbeit“, erklärte klar:

Den Sozialismus kann man nicht kopieren, man muss ihn schöpferisch gestalten auf der Grundlage der eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse.“

Die SED hat die Ideen Mao Tsetungs mit Interesse verfolgt, insbesondere seine Betonung der Massenlinie, der ständigen revolutionären Wachsamkeit und der Dialektik von Theorie und Praxis. Kritisch betrachtet wurden hingegen die Auswüchse der Kulturrevolution, die dem sozialistischen Aufbau zeitweilig schadeten.

Trotzdem bleibt festzuhalten: Die Texte Mao Tsetungs sind Ausdruck einer revolutionären Zeit, geprägt von tiefem Klassenbewusstsein und strategischem Denken. Ihre Bedeutung liegt nicht in ihrer Übertragbarkeit, sondern in ihrem Zeugnis über den globalen Kampf gegen Imperialismus, Kolonialismus und Ausbeutung.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Inhaltlich ist dass ja eher eine Sammlung angeblicher oder tatsächlicher Zitate und Sinnsprüche, zu verschiedenen Themen (so zusagen Konfuzius für Arme) als irgendwas Zusammenhängendes, aus dem sich ein größerer Sinn ableiten ließe.


JesusIstRettung 
Beitragsersteller
 12.07.2025, 22:41

Du hast es gelesen?

So ähnlich habe ich das auch empfunden. Die Zitate sind wirklich von ihm, soweit ich das nachvollziehen konnte.

Ich habe es so ähnlich empfunden und habe keinen tieferen Sinn darin erkennen können. Das war wohl zum auswendig lernen von Passagen gedacht, nicht um ein komplexes Weltbild zu vermitteln.

Otaku19995  12.07.2025, 23:16
@JesusIstRettung

Eher übertflogen, als tatsächlich sorgfältig gelesen, aber ich weiß, wie es aufgebaut ist.

Der Sozialismus/Kommunismus, oder das was im letzten Jahrhundert gemeinhin dafür erklärt wurde, hat seine Selbstrechtfertigung ja stark darauf abgestellt, zu behaupten, seine Doktrinen würden auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen seien daher theoretisch fundierter als andere Weltbilder und diesem Somit überlegen.

Dieser Anspruch nötigte potentielle Anführer aber natürlich sich selbst als große Theoretiker darzustellen, also mussten sie halt in der Tendenz irgendwas schriftliches fabrizieren, worauf sich verweisen ließ.

Und weil eben Gelehrsamkeit und überlegenes Wissen Teil des jeweiligen Personenkults war, wurde eben versucht jede verschriftlichte Banalität noch zur großen geistigen Leistung zu verklären und zusammen zu fassen.

Das kann man wie gesagt, auch an anderen Führungsfiguren aus dem ehemaligen Ostblick, bzw. was daraus wurde, festmachen.

Lenins "Werke" z.B. haben sie in der DDR in über 40 Bänden abgedruckt. Dabei haben sie damit es mehr Bände wurden den einzelnen Band deutluch dünner gehalten, als er hätte sein können, dafür das Ganze mit schweren Ledereinbänden versehen und wenn man sich den Inhalt anschaut, ist der größte Teil davon keine eigentliche theoretische Leistung, sondern Briefverkehr zwischen ihm und seinen Genossen zu irgendwelchen mit dem Sozialismus zusammenhängenden Themen.

Historisch durchaus spannend, aber im Gegensatz zu dem, was der Titel suggeriert, nicht unbedingt ein zusammenhändendes Theoriewerk. (obwohl der theoretisch wesentlich fundierter unterwegs war als viele seiner Genossen und in Teilen tatsächlich versucht hat an Hand offizieller Statistiken etc. (alte zarische, nicht sowjetische) seine Thesen nachzuweisen, anstatt einfach irgendwas zu plappern.

Mao war halt, ein talentierter Guerillia-Führer und auf dieser Ebene auch Militär/Paramilitär, aber eben nicht unbedingt ein besonderer theoretischer Kopf, der davon sonst irgendwas verstand.

Daher kein großes theoretisches Werk, dass den Personenkult realsozialistischer Couleur hätte begründen können, also musste Ersatz her.

Die "Mao-Bibel", ist polemisch gesprochen von ihrem Aufbau und von ihren Inhalten her irgendwas zwischen "Konfuzius Gesprächen", Sun-Zus "Die Kunst des Krieges" und Machiavellis "Il Principe".

Also irgendwas zwischen chinesischer Philosopheitradition, im Rahmen zusammenkompilierter Annekdoten über einzelthemen, und allgemeiner Ratgeber zum Thema Revolution und Kriegsführung, alles recht oberflächlich und in einem ziemlich dünnen Büchlein zusammengeklatscht.

Sollte wahrscheinlich auch dafür gedacht sein der Bevölkerung in einfachen, möglichst verständlichen Worten zu erklären, warum man jetzt eben Mao folgen sollte.

Das es tatsächlich im Westen Leute gab, die sich mit diesem Buch begeistert irgendwo haben filmen lassen etc. habe ich nie wirklich verstanden. Gelesen zu haben scheinen sie es nicht, oder es muss sich da wirklich um eher schlichte Gemüter gehandelt haben, oder um solche, die grundsätzlich begeistert über alles waren, was irgendwie nach antikolonialem Engagnemt aussah, wobei das, wenn man es theoretisch durchdacht hätte mit der Mandschurei, Tibet und Xin'jiang schon wieder schwierig geworden wäre.

Andererseits, was wusste der Duchschnitts-Mitteleuropäer damals von China?