"Büro" im Mittelalter (Spät-MA, 15. Jhd.) in Adel und Bürgertum?

4 Antworten

Schreibstube am ehesten, wobei im angefragten bürgerlichen Umfeld dafür in aller Regel kein eigener Raum vorgesehen war. Da fand so etwas dann eben in der Stube statt, wie auch Darstellungen von einfachen Händlern zeigen.

Auch wenn im 15. Jh. deutlich mehr verschriftlicht wurde als die meisten denken, hat das doch einen anderen Charakter, zusammenfassender, abschließender. Vieles konnte der beauftragte Schreiber anhand gemachter Notizen unter Umständen auch abends daheim ins Reine schreiben (dazu gehören erstaunlicherweise auch Verhörprotokolle, häufig zu erkennen an schon fast formelhaften Fragen und Antworten).

Ob der Adelige sich überhaupt selbst mit seiner Verwaltung beschäftigte, ist wieder eine andere Frage. Je weiter unten angesiedelt, desto eher. Verwaltest du aber Flächen von der Größe heutiger Bundesländer, bist du in vielen Belangen auf andere angewiesen = du hast Verwalter für einzelne Bereiche. Dann findet die Einsichtnahme in Unterlagen aber auch eher in Räumen statt, die unterschiedlich genutzt werden.

Anders formuliert: dezidiert zum Schreiben und zur Verwaltung genutzte Räume sind selten, wenn es sich nicht um gewerbliche Schreiber handelt.

Ich denke, es wird einfacher, wenn du die Frage konkretisiert, dann muss man weniger versuchen, möglichst alle Optionen abzudecken.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Scabbedcrow 
Fragesteller
 09.12.2019, 15:40

Hallo. In den meisten Fällen (im meinem Buch) handelt es sich um Gespane - ungarische Beamte (i.d.R. adlig - aber die Adelsklasse war auch sehr weit gefasst) die Komitate in unterschiedlicher Größe verwalteten. Ein ganzes Bundesland ist als Referenz zu hoch gerechnet, ich würde eher von Landkreis sprechen. Das kommt auch inhaltlich ganz gut hin. Je nach dem welches Komitat es war, waren die Aufgaben sehr vielschichtig und schlossen beispielsweise auch die Grenzsicherung mit ein.

In meinem Fall handelt es sich um mittelgroße bis große Komitate.

In ein bis zwei Fällen könnte man schon von "professioneller Schreiber" sprechen, da diese Figur hauptsächlich daran arbeitet Akten zu führen (dafür aber defintiv einen eigenen Raum hat, in dem teils auch Akten lagern). Eine Stube (Kanzlei?) gehört einem Gelehrten der dort den Unterricht für seine Schüler vorbereitet (er lebt mit in der Burg), die anderen Räume bezögen sich jeweils auf wie oben beschriebene Gespane.

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Jerne79  09.12.2019, 16:50
@Scabbedcrow

Wenn du wert auf historische Korrektheit legst (und es klingt, als wäre das gewünscht), kommst du da um eine vernünftige Recherche kaum herum, insbesondere was die regionale Verwaltung betrifft.

Ich bin auch etwas gestolpert bin ich über den den Unterricht vorbereitenden Lehrer, bei dem ich mich Frage, ob du da nicht mit etwas zu modernen Vorstellungen an die Sache herangehst.

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Scabbedcrow 
Fragesteller
 15.12.2019, 15:41
@Jerne79

Ich habe mich durchaus mit Lehrmethoden zur Zeit befasst - und ganz ohne Vorbereitung ging es auch damals nicht. Da habe ich mich schon schlauer gemacht. Zu eventuellen Begrifflichkeiten in der Region und Zeit konnte mir bisher aber niemand weiterhelfen.

Würdest du sagen, dass ich den Begriff Kanzlei verwenden könnte?

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Scriptorium im Kloster.

Kanzlei, Schreibstube, Kontor, etc. in anderen Schichten, bzw. Zeiten.

In Ungarn war der Schreiber auch Träger der Amtsgeheimnisse. Noch heute wird eine Sekretärin "Titkarnö" (Geheimnisfrau) genannt. In Ungarn nannte man die Schreibstuben schon sehr früh "Irodá" (dort wo geschrieben wird) oder auch Polgar-Irodá (Bürger-Schreibhaus).

Falls du es ganz genau wissen möchtest oder musst, kannst du an das Briefmuseum in Budapest schreiben. Ich meine, die Adresse lautet: Andrassy utca 3, aber das solltest du noch mal überprüfen.

Scabbedcrow 
Fragesteller
 22.12.2019, 22:03

Danke! Das notiere ich mir mal so. Adresse des Museums prüf ich.

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Schreibstube oder Kanzlei, soweit der edle Herr sich um diese Dinge überhaupt selber kümmerte. In der Regel hatte er einen Gutsverwalter, einen Marschall oder Vogt. Kleinere Adlige erledigten solche Geschäfte wohl im Saal ihres Schlosses/Hauses.

Und "Bürger" waren in der Regel Kaufleute oder Handwerker. Erstere hatten tatsächlich ein Kontor, letztere benötigten so etwas nicht, da die wenigsten über Schriftstücke kommunizierten und ihren Warenverkehr in einem einzigen Buch festhalten konnten. Rechnungen wurden zu dieser Zeit nur unter Kaufleuten gestellt. Der einfache Mensch bestellte und bezahlte in bar, soweit nicht noch Tauschhandel betrieben wurde.

Auch in Klöstern gab es Schreibstuben, da hier sehr viel genauer Buch geführt wurde. Ein Cellerar hatte seine Bestandsbücher und auch ein Abt hatte wohl einen Sekretär. Dieses Wort bezeichnet nichts anderes als einen "Vertrauten" der die "Geheimnisse" seines Chefs kannte.

Später, als die Schreibarbeit immer mehr wurde, hatten Handwerker und Kaufleute einfach ein Arbeitszimmer, das erst später nach der französischen Bezeichnung für den Schreibtisch (bureau) als Büro bezeichnet wurde. In der Tat wurde auch dieser Raum bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch "Bureau" geschrieben.

Schwierig. Ich persönlich würde vermuten, dass es im Früh- und Hochmittelalter überhaupt noch keinen größeren Bedarf für derartige Räume außerhalb eben z.B. von Klöstern gegeben hat. Ein Adeliger des Mittelalters konnte nicht unbedingt schreiben und eine schriftbasierte Verwaltung, wie wir sie uns heute vorstellen, gab es damals im Grunde noch nicht.

Ich denke, wenn du also eine etwas allgemeineren Begriff wie "Schreibstube" verwendest, solltest du damit schon recht weit kommen.

Jerne79  06.12.2019, 23:14

eine schriftbasierte Verwaltung, wie wir sie uns heute vorstellen, gab es damals im Grunde noch nicht.

Gerade im angefragten Zeitraum gab es die sehr wohl! Die ganzen Quellen aus der Verwaltung hängen nur selten in Museen. Vorschriften, Kaufverträge, Inventare, Erbschaften, politische Entscheidungen, such dir was aus.

Sicher gibt es da lokal Unterschiede, ab wann viel schriftlich festgehalten würde, aber gerade im städtischen Umfeld und in der Verwaltung von größeren Besitzmengen (= selbst beim lokalen Adel) wird im Spätmittelalter reichlich Schriftliches produziert. Selbst im bürgerlichen Umfeld existiert ein immer größerer Bedarf, was auch zur explosionsartigen Vermehrung von gewerblichen Schreibern führt.

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