Angenommen die gesamte Menschheit würde sich vegan ernähren, hätte das auch Nachteile für das ökologische Gleichgewicht oder andere Bereiche? Wenn ja, welche?

6 Antworten

Hallo,

"Das"ökologische Gleichgewicht gibt es nicht! Es gibt Ökosysteme, die sich über einen mehr oder weniger langen Zeitraum in einem mehr oder weniger unveränderten, stabilen Zustand halten. Manchmal ist es der Mensch, der diesen Zustand aufrecht erhält. Beispiel: seit der Seßhaftwerdung in der Jungsteinzeit hat der Mensch bei uns die Urwälder auf dem größten Teil der Fläche gerodet und hält diese Fläche seither offen, also waldfrei, um dort Ackerbau und andere Formen der Landwirtschaft zu betreiben. Man kann diesen Zustand als Gleichgewicht auffassen, aber seine Aufrechterhaltung erfordert seither ständige Eingriffe den Menschen:

  • Bestellung der Ackerflächen, die sonst wieder zu Wald würden.
  • Gezielte Beweidung bzw Mahd von Wiesenflächen, auch sie würden sonst wieder Wald.
  • Jagd, da nicht nur der Mensch und seine Nutztiere aufgrund der Landwirtschaft ein exorbitant erhöhtes Nahrungsangebot haben, sondern auch Wildtiere wie Rehe und Hirsche, die dadurch zu einer Populationshöhe anwachsen, die den Wald auch auf den verbliebenen Restflächen nicht mehr hochkommen lassen würde. Außerdem würde das Schwarzwild ohne Bejagung die Felder komplett verwüsten.

Du kannst dir selbst ausmalen, welche Veränderungen eintreten würden, wenn alle Menschen vegan würden:

  • Natürlich gäbe es weiterhin Ackerbau.
  • Mit den Weiden und Wiesen sähe es allerdings anders aus. Da die Nutztiere dann alle entsorgt worden wären, würden diese nicht mehr gemäht oder beweidet. Heute liegen diese Flächen dort, wo Ackerbau nicht möglich ist: zu hoch im Gebirge, zu steinig, zu steil, im Überschwemmungsbereich von Flüssen, etc. Aus Naturschutzsicht gelten solche Flächen, insbesondere, wenn sie extensiv bewirtschaftet werden, häufig als besonders wertvoll, sie beherbergen sehr viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Bei Aufgabe der Nutzung würden die Wiesen und Weiden wieder zu Wald, diese Arten würden verschwinden.
  • Die Jagd wäre weiterhin notwendig, siehe oben. Nur würde das dabei anfallende hochwertige Lebensmittel Wildpret wohl entsorgt werden müssen.

Nochmal zum Ackerbau: hier wird oft argumentiert, dass heute ja ein sehr großer Teil der Feldfrüchte als Futter für die Nutztiere gebraucht wird und man bei direktem Anbau von Nahrungsmitten sehr viel weniger Fläche pro erzeugter Kalorie benötige. Mir erscheinen die hier vorgebrachten Rechnungen manchmal etwas zu optimistisch. Zum einen fehlen dann ja in der Landwirtschaft tierische Dünger (Gülle, Mist) komplett, was die Flächenerträge sinken lässt. Außerdem hat dies natürlich auch ökologische Auswirkungen, wenn die chemische Kunstdüngerproduktion massiv ausgeweitet werden muss. Zum anderen werden als Futtermittel häufig sehr ertragreiche Getreidearten verwendet, die aber als zu minderwertig für die menschliche Ernährung gelten. Hochwertigere Sorten liefern aber geringere Flächenerträge. Auch werden oft Partien als Futtergetreide verwendet, die eigentlich für die menschliche Ernährung gedacht waren, aber zB aufgrund ungünstiger Witterung die notwendige Zusammensetzung der Inhaltsstoffe nicht erreicht haben, und so zB nicht zum Backen geeignet sind. Vermutlich müssten solche Partien dann auch entsorgt werden. Die ganze Palette des Anbaus muss auch grundlegend umgestellt werden, als Ersatz für tierisches Eiweiß müssen deutlich mehr Eiweißpflanzen wie Hülsenfrüchte angebaut werden. Die Flächenerträge sind hier aber wesentlich geringer als bei Getreide, ich meine man erntet mengenmäßig etwa ein Drittel. Kompensiert werden durch mehr pflanzliche Nahrungsmittel müssen ja neben Rindern, Schweinen, Geflügel aus Stallhaltung auch sämtliches Weidevieh, Wildpret, und Seefisch, für deren Fütterung keine Ackerfläche benötigt wird. Ich bin also etwas skeptisch, ob es tatsächlich so einfach möglich ist, die Menschheit komplett vegan zu ernähren. Zumal es heute ja höchstens einmal als Versuchsbetriebe rein vegane Landwirtschaft gibt, der Nachweis, ob das tatsächlich auf großer Fläche funktioniert, wird sicher spannend!

Es hätte vor allem Nachteile für die Menschheit, denn insbesondere Kinder brauchen eine ausgewogene Ernährung zur Entwicklung des Gehirns und der Muskeln - zu der selbstverständlich auch tierische Produkte gehören.

In einigen Gebieten würde zudem eine schreckliche Hungersnot ausbrechen, wenn Fleisch- und Milchprodukte als wichtige Nahrungsmittel wegfallen.

Ich frage mich auch, wovon unsere Haustiere wie Hunde und Katzen leben sollen.

Das größte Problem wäre aber die Entsorgung der vielen Milliarden Nutztiere, die man ja schließlich nicht einfach auswildern kann. Das hätte unabsehbare Folgen für unser Ökosystem.

Ich bin für eine Einschränkung des Fleischkonsums und eine wirklich artgerechte Haltung der Nutztiere - aber nicht für ihre Abschaffung. Eine sinnvolle Ergänzung unseres Speiseplans wird in Zukunft In-vitro-Fleisch sein.

Die Ressourcennutzung ist blöderweise reine Mathematik: Ein Problem linearer Optimierung. In der Rechnung kommt raus: einen bestimmten Fleischanteil in der Ernährung, auch wenn er kleiner als heute sein mag, muss existieren.

Nutztiere wie Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine würden vermutlich verschwinden und das würde dazu führen dass viele steile Weiden verwildern würden und so für den Menschen gänzlich unbrauchbar wären. Durch das Aussterben der Nutztiere würde auch ihr Kot als Dünger fehlen, so dass die Böden weniger fruchtbar wären.

Dazu bräuchten wir wesentlich mehr Ackerland, dessen Gewinnung Ökosysteme zerstören würde, was sich wiederum auf die Biodiversität auswirkt. Dieses Ackerland müßte dann bewässert und gedüngt werden, was wieder eine ganze Reihe weiterer Probleme nach sich zieht nicht zuletzt, da Wirtschaftsdünger komplett wegfallen würde und auch diese Lücke geschlossen werden müßte.

Wir würden dadurch also unsere beiden größten ökologischen Probleme (Biodiversität und Nährstoffkreisläufe) noch zusätzlich verstärken.