Warum bezeichnen sich viele mit Migrationshintergrund immer noch als 'Ausländer'?
Ich habe letztens ein Video gesehen, in dem jemand mit Migrationshintergrund (wahrscheinlich afghanischer Herkunft) auf Chatroulette oder Omegle mit zufälligen Leuten gesprochen hat. Jedes Mal, wenn er eine neue Person traf, fragte er sofort: 'Bist du ein Ausländer?' – und die Leute haben immer mit 'Ja' geantwortet, obwohl viele fließend Deutsch gesprochen haben und wahrscheinlich sogar einen deutschen Pass besitzen. Das hat bei mir ein komisches Gefühl ausgelöst.
Deshalb meine Frage:
Ist es in Deutschland üblich, dass Menschen mit Migrationshintergrund – selbst wenn sie hier geboren und aufgewachsen sind oder die deutsche Staatsangehörigkeit haben – sich trotzdem noch als 'Ausländer' bezeichnen?
Wenn ja, warum ist das so? Und verschwindet dieses Etikett irgendwann gesellschaftlich, oder wird man immer als 'Fremder' gesehen, egal wie gut man integriert ist?
13 Antworten
Sie sind lieber Ausländer als Deutsche
Weil sie Deutsch nicht als etwas besonders Gutes erachten
Das Problem ist nicht, dass die Deutschen diese "Ausländer" als Ausländer sehen. Das Problem ist, dass sie sich selbst nicht als Deutsche sehen wollen.
Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund integrieren sich nicht wirklich hier. Die meisten Türken z.B. heiraten nur andere Personen mit türkischer Herkunft. Sie haben oft hauptsächlich türkische Freunde und abgesehen von der Arbeit bleiben sie unter sich. Sie nehmen unsere Kultur nur wenig an und leben in einer gewissen Parallelgesellschaft. Deshalb sehen sie sich selbst meist als Türken und nicht als Deutsche - obwohl teilweise schon die Großeltern hier in Deutschland geboren wurden.
Vielleicht ist es auch "unattraktiv" Deutscher zu sein. Ich glaube in Amerika bezeichnen sich die meisten Einwanderer als Amerikaner, auch wenn sie erst seit kurzem dort leben.
Wenn ja, warum ist das so? Und verschwindet dieses Etikett irgendwann gesellschaftlich, oder wird man immer als 'Fremder' gesehen, egal wie gut man integriert ist?
Dieses Etikett geben sich auch viele selbst - das ist eben auch für einige Menschen ein Dorn im Auge. In der Unterstufe hatte etwa 50% meiner Klasse türkische Wurzeln. Obwohl sie hier aufwuchsen und Deutsch konnten sahen sie sich selbst immer als Türken. Sie sprachen in den Pausen und zuhause Türkisch; sagten oft, dass die Türkei das beste Land sei und viel besser als Österreich; bei jedem Fussballspiel natürlich auch für die Türkei; jeden Sommer immer in die Türkei fliegen und und und
Sie sahen sich also selbst aus Ausländer und fanden das Land indem sie Wurzeln hatten einfach besser. Das ist für die meisten Leute in Deutschland und Österreich eben ein Schlag ins Gesicht. So sehen auch andere Menschen sie als Ausländer an. Das "Problem" geht also meiner Meinung nach meistens von den Personen aus die hierher ziehen oder ausländische Wurzeln haben.
Ob man seelisch ein Ausländer ist oder nicht, läßt sich nicht an einem Stück Papier, einem Ausweis festmachen. Mit den Papieren folgt man nur den Bestimmungen, den Gesetzen eines Landes.
Weil sich due Herkunft nicht durch ein Wort auf einem Papier über Nacht ändert...
Aber warum soll die Herkunft wichtiger sein, als der gegenwärtige Zustand?
Sage ja auch nicht; ich bin ein Baby, oder 3 Jahre alt, nur weil ich "daher" stamme
Du bist eben immer noch ein Ausländer, bzw identifizierst dich nicht als Deutscher, und darum sollst du auch keinen deutschen Pass bekommen. Zumindest wäre das das Naheliegendste
Herkunft ist ein unveränderlicher Zustand, keine Entwicklung.
Staatsangehörigkeit ≠ Herkunft.
Herkunft ist Vergangenheit
und deine ausländische sowieso.
sagen wir, du hast 1/3 deines Lebens im Ausland verbracht, 2/3 deines Lebens in Deutschland. So ist deine Herkunft mehrheitlich deutsch, zumindest wenn diese 2/3 integriert waren, und nicht fremdländischer Kultur angehörig
Oder inwiefern unterscheidest du dich von einem Deutschen?
Herkunft ist nicht nur Teil der Vergangenheit, sondern Teil der Gegenwart und Teil der Familiengeschichte. Die Geschichte wird nicht aufgehoben, nur weil man einen anderen Pass hat oder integriert ist. Es wäre ein Verrat gegenüber sich selbst und seiner Familie, würde man sie leugnen.
Du warst ein Baby, das leugnest du nicht, würdest dich heute aber nicht damit identifizieren
Warum?
Weil erstens jeder ein Baby war, und zweitens niemand eines sein will
Du sagst einfach, als was du erscheinen willst. Und du bist lieber Türke, Eriträer, oder was auch immer, als Deutscher, dementsprechend bist du im falschen Land.
Deutschland proftiert nicht von dir, wenn du nicht Deutsch sein willst. Denn du rückst "Deutsch" in ein schlechtes Licht, indem du lieber andere Länder repräsentierst, und das, obwohl du Teil Deutschlands bist und hier profitierst
Du verwechselst Entwicklung mit Zustand. Die Wurzeln entwickelt sich nicht. Sie können höchstens tiefer wachsen, aber ohne ihren Kern zu verlieren.
Deutschland profitiert auch nicht, wenn du nur Wurzelspitzen pflanzt und den Rest des Baumes fällst.
Integration ist stets ein Kompromiss. Du musst erstmal wissen, wie die Geschichte deines Landes ist, um die eventuellen Herausforderungen zu verstehen, die dich im Zielland erwarten. Nicht jeder sieht dich sls deutsch, nur weil du deutsche Papiere in der Hand hast oder die deutsche Sprache beherrschst. Ich persönlich habe das schon zu Genüge selbst erfahren.
Due Gesellschaft muss verstehen, dass keine Gesellschaft, ganz gleich, wo auf der Welt, homogen ist oder je wieder sein wird. Loyalität gilt lange nicht mehr Ländern ans Repräsentanten einer Ethnie, sondern Gesellschaften, die ein schwacher Schatten der Kultur dieses Landes sind.
Aber die Staatsangehoerigkeit schon. Und nur die gibt Auskunft darueber, ob man Deutscher ist oder nicht.
Herkunft ist eben was anderes als due bloße Staatsangehörigkeit.
Die Herkunft spielt aber bei der Frage, ob man Deutscher ist oder nicht, ueberhaupt keine Rolle. Dafuer ist einzig und allein die Staatsangehoerigkeit entscheidend.
Wenn ich jetzt meinen deutschen Pass abgebe und den spanischen kriege bin ich trotzdem Deutscher.
Tatsächlich nur offiziell. Deinen Pass und all deine Papiere kannst du theoretisch verbrennen. Deine Herkunft eben nicht
Wenn ich jetzt meinen deutschen Pass abgebe und den spanischen kriege bin ich trotzdem Deutscher.
Eben nicht (wenn du mit "Pass" "Staatsangehoerigkeit" meinst). Wenn du deine deutsche Staatsangehoerigkeit aufgibst, bist du kein Deutscher mehr. Allerdings brauchst du deine deutsche Staatsangehoerigkeit gar nicht aufzugeben, wenn du die spanische (oder eine andere) annimmst. Dann bleibst du natuerlich weiterhin Deutscher und wirst zusaetzlich auch noch Spanier.
Tatsächlich nur offiziell.
Natuerlich offiziell. Was denn auch sonst?
Deine Herkunft eben nicht
Deine Herkunft hat ja auch nichts damit zu tun, ob du Deutscher bist oder nicht.
Doch. Gerade die Herkunft bestimmt, was für ein Landsmann/ -frau man ist. Ich spreche ja auch nicht aus offizieller Sicht, sondern aus "ethnischer" Sicht.
Ich spreche ja auch nicht aus offizieller Sicht
Man kann sich natuerlich alles moegliche zusammenfantasieren. Nur hat das dann eben keine wirkliche Bedeutung.
Ich bin dann z.B. spanischer Staatsbürger deutscher Nationalität.
Du bekommst das Papier ja dann, wenn du eingebürgert bist, und wenn du es bist, dann eben, weil du von einem Deutschen kaum zu unterscheiden bist