Nicht alles ist, wie es scheint – Eine kritische Betrachtung der deutschen Geschichte

9 Antworten

(echtes) Hinterfragen ist immer gut, aber jeden Tag Gegenteiltag zu spielen ist kein Hinterfragen.

Es ist gut, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, anstatt alles ungeprüft zu glauben.

Geschichte ist einfach eine unendliche Menge an Daten. Da muss man auswählen. Das ist der Job der Historiker. Dann wählen Lehrpläne und Lehrer. Und das ist immer auch subjektiv. Und natürlich immer auch durch die Brille der Zeit.

In Westdeutschland sehe ich zwei Verzerrungen, die in meiner Schulzeit unterrichtet wurden.

Das »Wirtschaftswunder« ist damals glorifiziert worden. Wir wissen heute, wie gut die Infrastruktur in Deutschland 1945 war. Und dass andere westeuropäische Länder einen ähnlich schnellen Aufstieg verzeichneten.

Dennoch war dieser Wirtschaftsaufschwung das beste »Umerziehungsprogramm«. Auch die Tätergeneration lernte, mit der Demokratie geht es schneller aufwärts und nicht wieder in den (Bomben) Keller.

Die Schrecken des Krieges wurden nicht verheimlicht. Aber es wurde Hitler und sein engster Stab als die beste Propagandaabteilung der Welt gezeichnet. Die armen Täter und Mitläufer nach dem Krieg konnten sich ja nicht entziehen. So hat man im Westen die Schuld auf wenige Einzeltäter geschoben.


Saturnknight  24.11.2024, 22:38
Die Schrecken des Krieges wurden nicht verheimlicht. Aber es wurde Hitler und sein engster Stab als die beste Propagandaabteilung der Welt gezeichnet. Die armen Täter und Mitläufer nach dem Krieg konnten sich ja nicht entziehen. So hat man im Westen die Schuld auf wenige Einzeltäter geschoben.

Stimmt genau. Man sieht es ja heute auch noch, viele (vor allem aus einem gewissen politischem Spektrum) tun so, als wären es nur eine handvoll Nazis gewesen, während die meisten eigentlich nichts dafür konnten und nur Angst hatten zu widersprechen.

Dazu aber mal dieses Zitat

"Es waren nicht Hitler oder Himmler, die mich verschleppt, geschlagen und meine Familie erschossen haben.
Es waren der Schuster, der Milchmann, der Nachbar, die eine Uniform bekamen und dann glaubten, sie seien die Herrenrasse."

- Karl Stoika, Auschwitzüberlebender

Ich hatte damals zwei sehr gute Geschichtslehrer, die beide nicht stumpf schnell den Schulstoff durchgenommen haben. In meiner Familie gibt es Lehrer (u.a. Geschichte) und mich selber auch relativ früh dafür interessiert habe. Wobei vieles erst nach der regulären Schulzeit dazu kam, weil man sich selbstständig mehr damit befasst hat. In der Schule bekommt man einen gewissen Satz an Grundlagenwissen vermittelt und es kaum oder selten darüberhinaus geht. Im schulischen Regelbetrieb fehlt es neben Zeit auch am Personal (selbst damals schon), um wirklich mehr in die Tiefe zu gehen. Einerseits schade, andererseits ist es auch durch neue Fächer gar nicht möglich.

Rückblickend betrachtet dankbar und froh, dass ich sowohl tolle Lehrer hatte als auch Eltern, die mir immer wieder mal Geschichtsbücher geschenkt haben. Ich war und bin schon immer sehr kritisch und nachdenklich gewesen. Für mich ist es keine Frage des Glaubens, sondern mehr wie viel man wirklich weiß und nachvollziehen kann. In der Nachkriegszeit wurde über vieles weder geschrieben noch geredet, um damit keine Wunden aufzureißen. Selbst ~80 Jahre nach Ende des 2. WK ist es immer noch ein „heißen Eisen,” gewissen Themen an- und auszusprechen. Man läuft dabei zumindest schnell Gefahr, dass einem Relativierung oder ähnliches unterstellt wird.

Was umso mehr in Vergessenheit gerät und nicht so präsent ist, die Jahre und Jahrhunderte vor den Weltkriegen, der Weimarer Republik usw. usf. Natürlich war die NS-Zeit samt Holocaust und Krieg mit ebenso viel Leid, Tod und Verderb einmalig. Einmalig u.a. in Bezug auf die industrielle Vernichtung menschlichen Lebens. Da gibt es alleine aufgrund dieser Grausamkeit nicht weg oder klein zu reden. Trotzdem war und ist Deutschland viel mehr und nicht „nur” die Jahre 1933 bis 1945 und danach. Es ist richtig und wichtig, dass an Täter und Opfer erinnert wird, die Geschichte von Deutschland und Europa hat jedoch viel mehr als das zu bieten.

Sprich was u.a. zwischen dem 10.-19. Jahrhundert in „Deutschland” geschah. Sei es Otto dem Großen, der Investiturstreit oder der dreißigjährige Krieg. Ebenso kulturelle und soziale Veränderungen, die durch die Reformation ausgelöst wurden. Auch die Entwicklung von Wissenschaft, Philosophie und Kultur, etwa durch Denker wie Kant, Leibniz oder Goethe. Selbst die eigene Heimat in der man geboren und aufgewachsen ist, sehr viel Geschichte in sich trägt (tragen kann). Es gibt so viel mehr und man all das überhaupt nicht im Unterricht unterbringen kann. Daher erhält man einen Grundsatz an Wissen, was jeder (nicht nur in DE) wirklich wissen sollte.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Plato: Das Denken ist das Selbstgespräch der Seele.

der Unterricht lädt meist dazu ein kritisch zu hinterfragen und stützt sich auf seriöse Quellen.

Natürlich passen in 45 min. nur Ausschnitte der Wirklichkeit. Diejenigen die sie aussuchen, bemühen sich zumeist um Exemplarität, Themen in den Mittelpunkt zu rücken, die für deutsche Geschichte stehen und von einer gewissen Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung für die Schüler sind.