🪬Gugumo: denkst du, du kannst genug du selbst sein
und ich meine nicht wirklich allgemein, sondern eher persönlich. Erleben Sie persönlich, dass Sie dort, wo Sie leben, Sie selbst sein können und dürfen? und wenn nicht, warum nicht?
7 Antworten
Guten Morgen,
ich kann hier ich selber sein im Beruf und auch privat, allerdings konnte ich es in meiner Heimat nicht sein - das war sehr unangenehm und ich bin vor allem deswegen weggezogen, weil ich wusste, wenn ich da weiter mache, lande ich im Tollhaus und werde meines Lebens nicht mehr froh.
Ich habe die gesellschaftlichen Anforderungen insofern nicht erfüllt, dass ich als Mann weder im Handwerk noch in der Landwirtschaft arbeitete, kein auf einem Fest kennengelerntes "Bauernmädchen aus einem Nachbarort" zur Partnerin hatte und weiteres mehr. Ich galt als "der Studierte", der Mann mit dem schwarzen Koffer, "der Akademikertrottel" (das Wort wurde von jemandem zur Beleidigung meiner Person kreiert, es war für mich auch die größte Beleidigung überhaupt, die ich nicht ganz vergessen konnte und auch nicht vergeben kann) und es wurde sogar bemängelt, dass meine damalige Freundin und ich nicht samstags um sechs Uhr morgens im Schrebergarten standen - wir waren massiver Sozialkontrolle ausgesetzt und auch dass ich längere Jahre Mercedes-Autos fuhr, war immer wieder ein Thema, das gegen mich verwendet wurde auf eine mehr wie einmal geschmacklose Weise. Es war unmöglich!
Meine damalige Freundin erlitt durch solche Situationen und allerhand Gemeinheiten und teilweise stasimäßiger Ausspähung u.a. durch Nachbarn und weitere Leute einen psychischen Knacks, die Beziehung hielt dem nicht stand. Auch wenn ich zumindest damit heute abgehakt habe, weiß ich genau, wer die Schuld daran trägt.
Ich weiß, dass mein sicherlich nicht erfolgloser Weg aus meiner Heimat verfolgt wird und die Leute wissen, was ich erreicht habe - und ich weiß auch, dass das denen richtig weh tut, dass es die volle Klatsche zurück ist und dass einige Leute ein sehr schlechtes Gewissen haben. Ich fahre da zwar selbst nicht mehr hin, habe aber Kontakt zu einem ehemaligen Nachbarn - der sagt selber, die Leute werden immer dümmer und immer blöder, aber mit Anfang 80 zieht er nicht mehr um.
Heute weiß ich mit größerer Lebenserfahrung und Menschenkenntnis, dass vielfach auch Neid dabei war, aber das ist keine Entschuldigung, bestenfalls eine Erklärung. Und ich weiß jeden Tag zu schätzen, an dem ich als ich selber aufstehen, leben, mein Zeug schaffen und Spaß haben kann und Freunde und Freude habe. Ist ein tolles Gefühl - ich musste es aber erst lernen ... I did it my way ... frei nach Frank Sinatra ... und so mach' ich weiter.
Vielen Dank! Es ist ehrlich, direkt und gradlinig aus mir raus verfasst, auch eine Möglichkeit, die Kaffeepause rumzukriegen.
Es war ein guter bzw. für mich der beste und einzig wahre Entschluss, meine Heimatstadt zu verlassen, auch zeitlich (da war ich 29 Jahre alt und im idealen Alter, auch beruflich neu anzufangen und mir in meiner Wahlheimat ein neues Netzwerk an Freunden, Bekannten und Hobbys aufzubauen). Auch wenn meine damalige Beziehung den Schritt nicht überlebt hat und meine damalige Freundin wieder zurück in diese Stadt gegangen ist, aus der wir kamen, habe ich es NIE bereut und es war das vielleicht Beste, was ich tun konnte, auch weil ich beruflich seither immer weiter aufgestiegen bin ... aber nicht nur deswegen - ich bin auch menschlich hier zutiefst zufrieden und lebe endlich wieder gern.
Menschlich war meine Heimatstadt absolut "verbrannt" und ich fühlte mich dort einfach nur unwohl, bekam schon jeden Tag Beklemmungen, wenn ich wusste, ich muss bald wieder aus dem Haus und diese ganzen Fratzen sehen, von denen ich ja hinlänglich wusste, was für ein Blödmann ich in ihren Augen war - einerseits war ich ihr "Akademikertrottel" und "der arrogante Studierte mit seinem Mercedes", andererseits war ich nicht gut genug und redeten sie über mich, weil ich nicht in der Landwirtschaft oder einer Fabrik arbeitete und nicht ganz so gesellig war, wie sie es sich vielleicht gewünscht hätten. Wenn ich mit dem Auto an ihnen vorbei fuhr, wusste ich, dass sie in dem Moment ganz böse und respektlos über mich schimpften. Ich bekam privat (nicht auf der Arbeit!) und in meiner Nachbarschaft überall zu spüren, wie wenig man von mir hielt und dass man mich für einen Nixschaffer und Akademikertrottel hielt, der "aber keiner von Schaffhausen" sei und ja keinen Schrebergarten hat, andererseits waren die Leute sch...freundlich und war ich auf einmal "IHR doller Redakteur, der ja so dolle Sachen schreibt und so hoch hoch studiert ist und immer so ein netter vornehmer Mensch", wenn sie was von mir wollten - nur habe ich dann halt auch nicht mehr gewollt und den Spieß rumgedreht, die haben alles grad so dargestellt, wie es ihnen eben gepasst hat. Gleichzeitig fühlte ich mich einfach nur leer und kaputt; einige Zeit mehr und meine damalige Freundin und ich wären beide reif für die Gummizelle gewesen :-/
Ich weiß heute, dass einige sich schuldig fühlen für meinen Wegzug, zumal ich ging, ohne mich zu verabschieden. Ich habe die Leute "geghostet", indem ich einfach die Wohnung und meinen Schreibtisch geräumt und alles gekündigt und woanders weiter gemacht habe. Was mir immer wieder zugetragen wird, klingt glaubhaft bzw. ist die Wirklichkeit und eine Art später moralischer Sieg. Die wissen alle ganz genau, welche Karriere ich im "Exil" gemacht habe und was ich hier darstelle, was ich hier für einer bin und was sie verpasst oder viel mehr durch ihr Verhalten mir und meiner damaligen Freundin gegenüber zerstört haben - das tut denen weh und ein Buchprojekt, an dem ich arbeite darüber, wie heftig es war, in den 90ern als "Ausländerkind" in einer ach so beschaulichen katholischen idyllischen Vorstadt aufzuwachsen und dann als Erwachsener wegen anderer Sachen angegangen zu werden, wird ihnen noch mehr schmerzen, weil sich alle drin wieder erkennen werden ... aber der Ball liegt bei ihnen. Sie waren ja dafür verantwortlich, dass die Situation so ist; alles andere wäre nichts weiter als billige und polemische Geschichtsverfälschung. Ich habe allen die Hand gereicht, bis ich merkte, es geht nicht mehr. Ich war sogar beim Psychologen, weil ich dachte, die anderen hätten recht, wenn sie immer wieder sagen, ich sei arrogant und studiert und sonstiges und sei nicht demütig und nicht geduckt genug und würde mich mit Dingen umgeben (z.B. einem Mercedes), die mir ihrer Meinung nach nicht zustehen würden - bis er mir sagte, dass das Problem eher das Umfeld ist. Der Mann hat mir enorm geholfen.
Ich war jedenfalls in meiner Wahlheimat zum ersten Mal seit meiner Ausbildung, in der ich in der damaligen Kreisstadt ca. 20 Kilometer meines Heimatorts zur Berufsschule gegangen bin, "vogelfrei" und konnte zum ersten Mal leben, stand nicht unter Beobachtung, war einfach nur ich selber und habe es lernen müssen, einfach nur zu leben und Lebensfreude neu zu entdecken. Ich kann es eigentlich nicht beschreiben, wie schön das Gefühl war, als ich zum ersten Mal gemerkt habe, dass man mit offenen Armen empfangen wird, dass den Leuten egal ist, was du arbeitest, was für ein Auto du fährst und was du für einen Werdegang hast und welchen Nachnamen bzw. welche damit verbundene soziale Bedeutung du trägst - es war richtig toll.
Ich hab aufgrund meiner Kultur und Religion manchmal diese Art von Identitäts Krise gehabt, vor allem hier in DE.
Ich bin Halb Libanese, halb Palästinenser. Ich bin irgendwie nichts halbes und nichts ganzes. Für die Palästinenser bin ich Deutscher und Libanese, für Libanesen bin ich Palästinenser und deutscher. Und für deutsche bin ich einfach Araber /Kanacke 😅🤣
Dazu kommt noch, dass ich halt Muslim bin und ich bin stark tätowiert, deswegen werde ich dafür auch oft verurteilt und innerhalb der Ummah gehatet.
Das ist halt hart, aber man muss immer so lernen zu sich selbst zu stehen oder sich selbst jenseits von Identitäten und Labeln zu "finden", quasi.
Weil bei mir stellt sich zuerst die Frage WER ich überhaupt bin, bevor ich mir die Frage stelle, OB ich ich SELBST SEIN kann.
Das ist echt nicht ganz so easy. Vor allem ich bin jetzt 26 und hab das Gefühl ich bin noch wie ein Kind und noch gar nicht richtig ich selbst. Keine Ahnung was das überhaubt alles bedeutet.
Egal, ich denke das gehört alles irgendwie zum Weg dazu.
Hallo euch allen hier in der morgendlichen Runde und einen Guten Morgen, heute zum Dienstag.
Ich denke schon, dass ich mich in meinem Leben gut verwirklichen kann. Es ist sowieso nicht mein Fall mich zu verstellen, oder für andere Leute zu verbiegen.
Mir wird auch von meinem persönlichen Umfeld immer bestätigt, dass ich sehr authentisch bin und man auch immer weiß woran man bei mir ist. ¯\_(ツ)_/¯
Einen ruhigen, nicht zu kühlen und möglichst sonnigen Dienstag, wünscht Opi-Paschulke allen hier die gerne mögen.
Habt alle ein erfolgreichen Tag, passt auch wieder alle schön auf euch auf und bleibt natürlich möglichst gesund. :-)
Bild:
https://cdnext.funpot.net/bild/funpot0001197440/d3/Dienstag.jpg?c=5588acf856

Danke, wünsche ich dir auch und schön auf dich aufpassen. :-)
Guten Morgen in die interessierte Runde.
Sich selbst treu zu sein bedeutet, mit sich selbst im Reinen zu sein, sodass man sich im Spiegel sinnbildlich betrachten kann, ohne sich schämen zu müssen. Das ist definitiv der Fall.
Das heißt nicht, anderen mein Denken und meine Lebensweise aufzuzwingen und auch nicht, kompromisslos zu leben. Für mich ist ein harmonisches Miteinander sehr wichtig. Das wurde nach der Mobbing-Erfahrung in der Schule für mich noch bedeutsamer.
Die Zeit der Schule liegt zum Glück fast 35 hinter mir und die Zeit des Mobbings ist über 37 Jahre her. Ich war zu gutmütig, schüchtern und verträumt und lebte in meiner eigenen Gedankenwelt. Das reichte, um in der 9. bis 10. Klasse gemobbt zu werden. Ich trug nicht die typischen zerschlissenen Blue Jeans sondern lieber schwarze Cordhosen, bie fand ich damals einfach schöner, als das Einheitsblau. Mir war gar nicht in den Sinn gekommen, dass ich nur wegen nicht angepasster Kleidung in den Fokus des Mobbings geraten könnte.
Als Erwachsener ist es viel leichter, so zu leben, wie ich es möchte. Niemand kann bestimmen, wie meine Wohnung aussieht, was ich anziehe und was für Kleidung ich trage. Ich meine, ich kann genug ich selbst sein und bin so mit meinem Leben zufrieden.
Einen sonnigen Dienstag allen lieben Lesern wünscht Neugier4711.
Ja, absolut, denn, wie jibril1999 geschrieben hat, so gibt es auch andere Situationen, wo andere einen gern anders sehen wollen oder in Schubladen stecken. Bei mir ist es zB die Größe. Früher haben mich viele von oben herab behandelt, quasi immer meinen Kopf getätschelt und mich belächelt. Mein Selbstbewusstsein musste ich gewaltig stärken, um ich selber zu sein und mich nicht zu ärgern, dass andere mich so abwertend behandeln oder ändern wollten. Mit dem Spruch: "ich bin ich und du bist du und wir sind nicht die anderen" lässt es sich aber sehr gut leben, denn damit differenziere ich mich eben von anderen. Mein Leben ist überwiegend selbst bestimmt, das spiegelt alles, was ich habe und wie ich lebe wieder. Mein Geschmack an Klamotten und meiner Einrichtung, meines Autos und meiner Hobbys. Ich lebe alle Seiten aus und kann am Ende sicher behaupten, dass ich ich sein durfte, nachdem ich erwachsen und älter wurde und auch immer in Beziehungen, Freundschaften und in der Familie. Ich bin ich und anders gibt es mich nicht und ich hab es in der Hand, das so auszuleben. Diese Erkenntnis würde ich vielen anderen auch wünschen, die immer krampfhaft versuchen, anderen zu gefallen oder gerecht zu werden.
Wie immer bei Dir beeindruckend geschrieben.