Gibt es die bösen Keime überhaupt?

8 Antworten

Um böse oder gut zu sein, braucht man ein Bewusstsein, das haben Viren und Bakterien nicht.

Und ansonsten gibt es bei Infektionskrankheiten eine Letalitätsrate. Die gibt an, wie wahrscheinlich es ist, an der Krankheit zu sterben.

Keine Krankheit hat eine Letalitätsrate von 100%. Das heißt, man kann jede Krankheit überleben, aber auch an jeder Krankheit sterben. Die Wahrscheinlichkeit ist nur unterschiedlich.

Ich studiere molekulare Biotechnologie und habe deswegen schon viel mit zumindest Bakterien gearbeitet.

Bakterien sind erstmal Zellen, die irgendwie versuchen, zu überleben und sich zu vermehren (Pilze funktionieren sehr ähnlich). Das können sie zum Beispiel tun, indem sie irgendwas, was wir selbst nicht brauchen, verstoffwechseln, sich ihre kleine biologische Nische suchen und da halt vor sich hin leben. Diese Mikroorganismen machen dir keine Probleme. Stattdessen produzieren sie teilweise Stoffe, die wir selbst nicht produzieren können aber brauchen, aber vor allem besetzen sie ihre biologische Nische und beschützen sie dadurch von den "bösen" Keimen quasi eingenommen zu werden.

Viren sind DNA oder RNA Schnipsel mit (meistens) einer Proteinhülle (und manchmal mehr Zeug), die versuchen, sich mit Hilfe der Mechanismen von Zellen zu vermehren. Das kann für den Menschen unschön sein, wenn das Virus sich mithilfe einer menschlichen Zelle vermehrt und sie dadurch zerstört. Es gibt allerdings auch Viren, sogenannte bakteriophagen, die Bakterien, auch die "bösen" angreifen, also dir als Mensch helfen. Daneben gibt es auch Viren, die sich in andere Viren einschleichen...

Unter den Tricks, die Bakterien und Pilzen helfen, zu überleben und sich zu verbreiten, gibt es aber auch "böse", sogenannte pathogene Mechanismen. Bakterien können sich zum Beispiel in Zellen einschleichen und deren Arbeit ausnutzen. Andere verbreiten sich, indem sie Gifte ausschütten, um dich z.B. zum Erbrechen zu bringen. Das ist immer schlecht.

Es gibt auch manche Erreger, wie z.B. Candida, die absolut harmlos sind, solange das Immunsystem die Kontrolle hat, aber wenn dein Immunsystem suprimiert ist, können sie sich unkontrolliert vermehren und dadurch gefährlich werden.

Am Ende kommt es auf das Genom an. Hier sind die Herstellung von Toxinen, die Ernährungsweise, Antibiotika Resistenzen etc. gespeichert. E. Coli gibt es zum Beispiel in so vielen Formen, dass ein Stamm im S1 Labor mit sehr wenig Sicherheitsvorkehrungen verwendet werden kann, viele Stämme in einem gesunden Darmbiom vorkommen, aber andere Stämme schwere Krankheiten mit manchmal sogar tödlichem Verlauf verursachen können https://de.m.wikipedia.org/wiki/Enteroh%C3%A4morrhagische_Escherichia_coli .

Es gibt also "gute" und "schlechte" und mittlere Keime.

Woher ich das weiß:Hobby – Interesse an Medizin, eigene Erfahrungen, MoBi Studium

Bekim741 
Beitragsersteller
 31.05.2025, 08:51

Warum aber wird ein Keim schlecht oder aggressiv? Liegt es daran, dass der Keim aus Monokultur kommt und sich nicht mit anderen Keimen in Symbiose leben kann und dadurch sich nicht anpassen kann? Liegt es daran, dass das Mikrobiom von dem Menschen zerstört oder angeschlagen ist, wegen der ungesunden Lebensweise? Dadurch haben die aggressiven Keime ein leichtes Spiel.

Biene1123  31.05.2025, 14:30
@Bekim741

Monokultur spielt keine Rolle, du kannst Bakterien mit identischem Genom mehr oder weniger beliebig lange z.B. in einer Petrischale halten und es passiert nichts (außer es gibt eine Mutation).

Es gibt einige Bakterien, die Teile von ihrem Genom erst aktivieren, wenn z.B. eine bestimmte Nahrungsquelle aufgebraucht ist (z.B. lac operon) und dann auf eine andere Art der Nahrungsverwertung umsteigen. Das kann uns Menschen manchmal schaden, wenn die Abbauprodukte plötzlich etwas toxisches sind (auf lange Sicht kann das manchmal auch den Bakterien selbst schaden....).

Ein schlechtes Mikrobiom (wegen ungesunder Ernährung etc.) ist vor allem deshalb schlecht, weil es viele Lücken lässt. Das kannst du dir vorstellen wie in einem Bus, in dem man sich an Sitzplätzen anschnallen muss, um nicht bei einer Vollbremsung rauszufallen. In einem schlechten Mikrobiom sind die Hälfte der Plätze frei und wenn irgendwelche Rowdys vorbeikommen, finden sie einen Sitzplatz und du wirst sie so schnell nicht mehr los. Wenn du aber ein vielfältiges Mikrobiom hast, sind fast alle Plätze besetzt und die übrigen Plätze sind so versteckt, dass die Rowdys sie nicht finden. Deswegen steigen sie wieder aus oder landen bei der nächsten Vollbremsung an der Windschutzscheibe.

"Böse" Bakterien haben sich entweder schon immer so entwickelt, dass sie nur mithilfe von (menschlichen) Zellen wirklich leben können (z.B. Chlamydien, die können fast gar nichts ohne eine Wirtszelle). Oder sie haben irgendwo so ein praktisches Gen "gefunden" (Bakterien können manche Schnipsel ihres Genoms an ein anderes Bakterium übertragen; passiert nicht sehr oft, aber schon manchmal) oder haben eine hilfreiche Mutation, durch die sie sich einfacher ernähren können, besser dem Immunsystem/ Antibiotika entwischen, sich schneller vermehren oder besser verbreiten können. So kann aus einem friedlichen oder neutralen Bakterium eines werden, das dir schadet.

Es gibt unzählige unterschiedliche Mikroorganismen und vergleichsweise wenige Infektionskrankheiten. Keime „sind immer und überall”. Sie kennen die Begriffe gut und böse natürlich nicht, sie folgen einfach ihrem Überlebensprogramm.

Und ja, selbst aus menschlicher Sicht ist die Einordnung in nützlich und schädlich, gut oder böse, oft gar nicht eindeutig und schon gar nicht starr. Biologie kennt nur dynamische Systeme.

Du hast auf Haut und Schleimhäuten bestenfalls ein „gesundes” Mikrobiom aus nützlichen und neutralen Mikroorganismen, die schädliche in Schach halten. Und du bist im Körperinneren gleichzeitig im stetigen Dauerkampf gegen Mikro-Infektionen mit Pathogenen, also potenziellen Krankheitserregern.

Ob die aber tatsächlich krankmachen, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Von ihrer Anzahl und Vitalität („Aggressivität”) einerseits und andererseits von deiner Gesundheit. Ein paar Bakterien im Blut machen noch lange keine Sepsis.

Du kannst krank werden, wenn das dynamische Gleichgewicht im Mikrobiom nicht mehr stimmt, wenn dein Körper oder deine Psyche geschwächt und überlastet ist, wenn die Zahl der Erreger hoch ist (Stichwort „Viruslast”), …

Manche lauern über Jahrzehnte im Inneren versteckt auf ihre Chance (Herpes simplex oder Herpes zoster z. B.). Bei vielen Menschen brechen sie nie aus, bei anderen oft.

Außerdem können lange Zeit „neutrale”, harmlose alltägliche Keime im Mikrobiom plötzlich zu Krankheitserregern werden, wenn die Bedingungen günstig für sie werden, s. o.

Dein Immunsystem arbeitet jedenfalls pausenlos und lässt möglichst keine Pathogene sich vermehren und überhandnehmen, „böse” werden.

Das kann man sehen wie man will.

Es gibt ja keine einheitliche Definition der Begriffe "gut" und "böse".

Na meiner Definition haben nur Menschen die Fähigkeit gut oder böse zu sein.

Gut oder böse heißt halt nur gut oder böse für den Menschen. Faktisch könnte ein Mensch ohne all die Bakterien auf der Haut oder im Magen-Darm-Trakt nicht überleben. Gut/Böse sind Begriffe die der Mensch erfunden hat. Wirklich geben tuts das nicht. Natur ist Natur. Und die wertet weder, noch interessiert es sie was wir für gut oder böse halten.