Funktionieren Demokratien?

10 Antworten

Gleichwertig aber nicht gleich - daraus ergibt sich z.B. der Minderheitenschutz. Gibts in Nichtdemokratie nich...


Wilhelm611  30.04.2025, 01:25

Die Frage ist aber: funktionieren sie dauerhaft?

Daoga  30.04.2025, 01:32
@Wilhelm611

Wenn eine Demokratie wehrhaft ist, sich also gegen zerstörerische Tendenzen wehren kann, dann schon.

Zwischen "gleich" und "gleichwertig" (oder "gleichberechtigt") besteht ein deutlicher Unterschied. Natürlich sind Menschen nicht gleich.

Aber in einer Demokratie versucht man, den Menschen auch in ihrer Ungleichheit möglichst gleiche Rechte und Chancen einzuräumen (mit Einschränkungen, denn natürlich kann ein Blinder nicht gut Auto fahren, und einem 5-jährigen kann man das auch nicht zutrauen).

Aber bei uns dürfen Frauen ebenso wie Männer Auto fahren.
In Saudi-Arabien war das noch bis vor kurzem nicht so.

Ich sehe auch nicht, wo wir "Unterschiede zwischen Menschen leugnen" würden. Demokratie heißt unter anderem, dass das Volk sich selber regiert (indirekt über freiwillig gewählte Vertreter). Also auch, dass das Volk nicht von einem König oder einer Herrscherfamilie regiert wird, welche die Macht nur ererbt hatte. Auch heißt es, dass auch Minderheiten Rechte haben (Demokratie sollte nicht "Diktatur der Mehrheit" sein). Und dass es eine Gewaltenteilung gibt (dazu gehören auch Gerichte).

Du musst dir nur die Realität anschauen.

Die einzig funktionierenden Länder sind Demokratien. Kein Kriege, aber Wohlstand.


Diese Argumentation, Ungleichheiten als natürlich darzustellen, wurde über Jahrhunderte genutzt, um die Ordnung im Sinne der herrschenden Klassen zu rechtfertigen. Mit der angeblichen Minderwertigkeit, fehlenden Zivilisation und Bildungsferne bestimmter Gruppen wurde die Sklaverei ebenso begründet wie der Ausschluss von Frauen, Kolonialvölkern, befreiten Sklaven und den arbeitenden Klassen von politischen Rechten. Im 19. Jahrhundert waren extrem diskriminierende Zensus- und Klassenwahlrechte die Norm in Europa.

Oft wurde dieser Ausschluss damit beschönigt, dass diese Gruppen mit unmündigen Kindern verglichen wurden - aber während Kinder irgendwann mündig werden und ihre Eltern für ihren Schutz verantwortlich sind, durften die unmündigen Armen ein Leben lang schuften und sich in Kriegen gegenseitig umbringen.

Erst zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden das allgemeine und gleiche Wahlrecht nach und nach für immer weitere Teile der Bevölkerung erkämpft. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es in Westeuropa eine Welle von Wahlrechtsreformen als Reaktion auf die Revolutionen in Russland und Deutschland, die zeigten, wohin die Unterdrückung der Massen führt, wenn man ihnen kein Ventil lässt.

Das Wahlrecht für Arbeiter in einer bürgerlichen Republik war genau dazu gedacht, deren revolutionäre Gesinnung zu neutralisieren und in kontrollierbare Bahnen zu lenken. Die bürgerliche Demokratie beruht nicht auf tatsächlicher Gleichheit, sondern hat einen Klassencharakter, indem sie formelle rechtliche Gleichheit bei gleichzeitiger materieller und ökonomischer Ungleichheit zugesteht. Auch wenn Arbeiter nun wählen dürfen, stammen die Politiker aus dem Bürgertum und vertreten ihr eigenes Klasseninteresse, und in der wirtschaftlichen Sphäre abseits des Parlaments geht es sowieso diktatorisch zu.

Die Behauptung, eine "Tyrannei von unten" zu verhindern, war gerade die Losung des Faschismus, als die Armen, organisiert in sozialistischen und kommunistischen Parteien und Gewerkschaften, anfingen ihre politischen Rechte zu nutzen, um auch soziale Rechte einzufordern und damit die bürgerliche Eigentumsordnung herausforderten. Die Faschisten, die in Italien, Portugal, Österreich, Spanien und Deutschland an die Macht kamen, kassierten das Wahlrecht nicht wegen seiner Schwäche, sondern gerade wegen seines Potenzials ein, und verstärkten mit der gleichen naturalisierenden Argumentation von Ungleichheit die alten Hierarchien.

Stabil, gerecht und nachhaltig kann ein demokratisches System nur sein, wenn es sich nicht auf formelle Gleichheit beschränkt, sondern auch die soziale Gleichheit garantiert. Dazu gehört, dass auch das Eigentum unter kollektive, demokratische Kontrolle gestellt wird. Die Minderheit der Besitzenden schreien angesichts dieser Perspektive von Tyrannei, während sie selbst eine Tyrannei über die Mehrheit der Bevölkerung ausüben.

In den USA sehen wir, dass es scheitern kann, weil so ein Koffer wie Trump an die Macht kommt. Jedes System hat schwächen, auch die Demokratie, doch etwas besseres haben wir nicht.

LG

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung