Wie habt ihr EX-Zeugen Jehovas den Ausstieg erlebt?

Ich habe keine Erfahrung 57%
Ich habe Erfahrung gemacht 43%

7 Stimmen

2 Antworten

Ich habe Erfahrung gemacht

Ich bin kein Ex-Zeuge im klassischen Sinn, ich war immer kritisch bin dort hinein geboren und sehr früh wieder ausgestiegen und habe seither einige begleitet, die den Absprung geschafft haben.

Aber was ich sagen kann:

Der Ausstieg kostet nicht weniger als alles. Nicht alles auf einmal aber Stück für Stück: Vertrauen. Zugehörigkeit. Sicherheit.

Oft auch die komplette Familie, Freunde oft das letzte bisschen Halt.

Die eigentliche Frage ist: Wie verarbeitet man es, wenn Menschen, die man liebt, dich meiden als wärst du böse oder gefährlich?

Ich habe von Fällen gehört und einige selbst miterlebt in denen Eltern ihre Kinder ignorierten, Geschwister nicht mehr antworteten, Ehepartner emotional kalt wurden.

Nicht aus Bosheit, sondern weil sie glauben, es sei „Gottes Wille“. Der emotionale Preis ist enorm. Denn sie stellen die Anweisung einer Organisation über die Liebe zu ihren Verwandten. Und das Perfide daran: Die Führung verkauft das auch noch als „Akt der Liebe“.

Besonders hart ist es für die, die noch glauben aber nicht mehr an die Organisation/Führung und Struktur. Sie spüren, dass etwas nicht stimmt aber sind noch emotional tief verwurzelt. Jede Nachricht über Naturkatastrophen, jede globale Krise wie Corona holt sie wieder ein:

Die Angst vor Harmagedon, vor der Vernichtung.

Viele brauchen Jahre, um das Trauma zu verarbeiten.

Was der Ausstieg kostet:

  • Identität: Du musst dich völlig neu verorten.
  • Ein vorgestelltes Leben, ohne viele eigene Entscheidungen, plötzlich weg.
  • Beziehungen: Freunde, Familie, viele sind auf einen Schlag weg.
  • Sinn: Was vorher eindeutig war, ist plötzlich offen und unsicher.
  • Vertrauen: Besonders in Institutionen, Autorität, „geistliche Führung“. 
  • Psychische Stabilität: Depression, Schuldgefühle, Schlaflosigkeit sind keine Ausnahmen.

Zeugen Jehovas sind keine harmlosen „Bibelspinner“.Es gibt weltweit Hilfsorganisationen, die sich ausschließlich um Aussteiger kümmern. Das allein sagt schon viel.

Aber weißt du, was man gewinnt?

  • Freiheit im Denken
  • Eine eigene Identität
  • Ein Gewissen, das nicht fremdgesteuert wird
  • Raum für ehrliche Beziehungen – ohne Bedingungen
  • Und irgendwann: inneren Frieden, der nicht von Menschen abhängt
  • Vielleicht auch: ein echtes Verhältnis zu Gott – ohne Mittelsmänner

Der Ausstieg war bei vielen nicht heroisch, sondern eher still. schmerzhaft. zermürbend. Aber heute sagen viele von ihnen: „Sie fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich frei.“ für alle die ich kenne, war es die beste Entscheidung ihres Lebens.

Mein tiefsten Respekt für alle die das Geschäft haben.   

Du warst nie das Problem. Das Problem war das System, das dir das eingeredet hat.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Peritus Sectarum

SocialApologet 
Beitragsersteller
 19.05.2025, 17:45

Wow, danke für deine Antwort und für deine Arbeit!

Ich finde das sehr erstaunlich. Das ist wohl kein leichter Weg, da es alles kosten wird.

Ich habe Erfahrung gemacht

Meine Mutter war eine Zeugin, von 1980 bis 1982, da ging ich schon mit in die Versammlung. 1985 ließen sich meine Eltern scheiden, und ich lebte bei meinem Vater. Ich bin 1979 geboren. Mit 7 fand ich das Buch Biblische Geschichten so toll. 1986 glaubte ich an Gott. 1988 kamen die Zeugen an die Tür, und ich studierte alleine die Bibel, oder besser gesagt Bücher von Zeugen. Auf den guten Lehrer hören oder so, das rosarote Buch(ältere Zeuge wissen was ich meine) bis 1992 ging ich alleine, ohne Vater oder Stiefmutter in den Predigtdienst und in die Versammlung.

Ich dachte, jetzt kommt sowieso bald Harmagedon, denn die Generation von 1914 stirbt ja bald aus. Naja, Fussball und andere Dinge waren mir dann wichtiger. Ich war nicht getauft und verliess die Zeugen. 2000 machte mein bester Freund Selbstmord, danach beschloss ich wieder ein Zeuge zu werden. Liess mich 2001 taufen.

Heiratete 2005 und war voll integriert mit Frau, Schwiegereltern und Freunden.

Nur diesen Zwang mochte ich nie, du musst predigen, du musst dieses und jenes.

Ich war ein schwaches Mitglied. Wenig Haus zu Haus, las auch die Literatur ungern.

Die Bibel auch nicht wirklich. Es plätscherte so dahin. Irgendwie dachte ich bei mir selbst, warum will Gott ein Opfer von mir, was ich ungern tue.(Haus zu Haus)

2017 wurde ich wegen Ehebruch ausgeschlossen, ich bereute vor dem Komitee, ich ging ja selbst hin und wollte vor Gott wieder alles klar stellen. Auf die Frage, warum ich ausgeschlossen werde wenn ich ja bereut habe und mich selbst zu meinen Sünden bekannte, kam die Antwort, weil ich wochenlang nicht mehr in den Zusammenkünften war, und dies meine Reue gezeigt hätte. Hä...ok dachte ich mir.

Ausschluss, Scheidung, alles verloren, Freunde, Zuhause....

Neuanfang.

Gott war gnädig, denn von 2018 bis 2020 tat ich alles was Gott haßt.

2020 kam meine Tochter auf die Welt, 2021 im zweiten Jahr von C....., begann ich die Bibel neu zu lesen. Mein Beruf erlaubt dies. Ich hörte mir das Neue Testament zigfach an.

In verschiedenen Übersetzungen. Ich betete zum Vater um den heiligen Geist, bekannte meine Sünden und bat um erkenntnis der Schrift. Immer und immer wieder.

So ziemlich alle Lehren der Zeugen, wurden durch die Bibel wiederlegt. Wir sind alle Kinder Gottes, wenn wir an Jesus Christus glauben. Die Gnade allein durch den Opfertod Jesus Christen erlösen gläubige, nicht die Werke erlösen uns Sünder. Der schwierigste Punkt war die Dreieinigkeit, die dauerte sehr lange um diese zu verstehen und zu erkennen. Seit 2023 habe ich die Bibel komplett jedes Jahr durchgelesen.

Fazit:

Ich habe vieles verloren, aber das beste gewonnen.

Den Herrn Jesus Christus zu finden, ist der Gewinn meines Lebens.

lg

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

SocialApologet 
Beitragsersteller
 22.05.2025, 21:43

Amen, mein lieber Glaubensbruder! Du bist durch viel gegangen! ✝️♥️