Seit ihr stolz auf Deutschland?
27 Stimmen
11 Antworten
"Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig!" -
Gustav Heinemann auf die Frage, ob er diesen Staat denn nicht liebe.
Ich finde, das ist eine sehr gesunde Einstellung.
z.B. auf auf den Ersten und Zweiten Weltkrieg?
Auf den Holocaust?
Auf das Zugunglück in Eschede?
Auf die Fälle sexualisierter Gewalt im Bistum Speyer?
Kann man darauf "stolz" sein oder blendet man solche Dinge dann aus?
Ich bin auch nicht stolz auf Errungenschaften deutscher Schriftsteller, Musiker, Wissenschaftler... Habe ich nämlich nichts zu beigetragen.
Mit DER Vergangenheit?! Sicher nicht!
Ich bin stolz auf Dinge die ich selbst geschafft habe, auf persönliche Leistungen, dass ich Hindernisse und Probleme überwunden habe, die ich für unbezwingbar hielt.
Ich bin stolz auf meine Lehrgangsteilnehmer, wenn sie gute Leistungen bringen, sich verbessern und von Erfolgen erzählen - ich habe ja dann wohl alles richtig gemacht
Aber die Nation?
Ich bin durch Zufall in diesem Land geboren, habe mir das nicht verdient oder erarbeitet. Es ist mir auch nicht als Dankeschön geschenkt worden.
Diese Nation hat historisch sowohl Sternstunden der Kultur als auch die schlimmsten und fürchterlichsten moralischen Abgründe der Barbarei erlebt.
Soll man jetzt womöglich gegenrechnen? "Deutschland hatte mehr Dichter und Denker als verurteile Kriegsverbrecher" oder so ähnlich? Das halte ich für gruselig.
Ich lebe hier, ich bin deutscher Staatsbürger - betrachte mich aber selbst als Weltbürger, der überall dort zuhause ist, wo es Menschlichkeit gibt.
"Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen."
Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph, Autor und Hochschullehrer (1788-1860)