Zählen diese Dinge als häusliche Gewalt?
Einen wundervollen Nachmittag an alle die diese Frage hier lesen!
Ich bin Izzy (w/18) und habe immer mehr das Gefühl, dass mein jüngerer Bruder (13) und ich während der vergangenen 8 Jahre durch unsere Eltern psychisch und zum Teil auch physisch missbraucht wurden, bin mir aber unsicher, ob meine Erfahrungen in die Kategorie häusliche Gewalt fallen. Deswegen frage ich hier verzweifelt um Hilfe und hätte ein paar Erinnerungen, mit denen ich einfach nichts anzufangen weiß. Ich möchte aber auf jeden Fall dazu sagen, dass meine Eltern sehr viel für uns getan haben und ich sie hiermit nicht als schlechte Menschen darstellen möchte, ich mir aber aufgrund der folgenden Situationen unsicher von meinen Gefühlen gegenüber ihnen bin!
- Androhungen von Watschen: Meine Eltern hatten uns öfters todernst gefragt, ob wir denn nicht eine Watsche bekommen wollen, ohne dies aber tatsächlich durchzuziehen. Häufig kam es auch dazu, dass mein Vater die Hand gegenüber meinem Bruder erhob, aber nie zuschlug. Meine Mutter hatte mich ein einziges Mal als Kind im Alter von ungefähr 3 oder 4 Jahren geschlagen, aber ihr "sei da die Hand ausgerutscht und sie hätte es bei mir danach nie mehr getan".
Allerdings glaube ich neblige Erinnerungen davon zu besitzen, wie sie meinen Bruder geschlagen hätte, hierbei bin ich mir aber nicht sicher ob diese Erinnerungen tatsächlich real sind oder nicht, wobei dies allerdings mehr als einmal vorkommen hätte können. Ich habe auch meinen Bruder noch nicht darauf angesprochen, denke aber dass es eine gute Gelegenheit wäre, insbesondere da ich in 6 Wochen ausziehe und er dann bei meinen Eltern bleiben wird.
Es sei aber auch noch dazugesagt, dass mein Bruder und ich beide zusammenzucken und uns wegbücken, wenn eine Hand unserer Eltern auf uns zukommt, selbst wenn diese mit guten Absichten uns bloß tätscheln oder streicheln will... also ich weiß nicht...
- Verharmlosung von meinen Gefühlen: Meine Eltern nehmen meine Gefühle des Öfteren nicht ernst und es kam schon ein paar Mal vor, dass meine Mutter beim Erzählen einer für mich sehr heiklen Sache den Spieß umdrehte und meinte, dass sie es als Kind viel schlimmer gehabt hätte und dass meine Geschichte ja gar nicht so schlimm sei. Sie ist selber traumatisiert und musste viele Jahre lang psychische Gewalt in ihrem Zuhause ertragen...
Herumschreien und Türen zuschlagen ist denke ich der Klassiker, das ist für mich nicht mal mehr erwähnenswert, da dies meiner Erfahrung nach in etlichen anderen Haushalten, u.a. auch in meinem, vorkommt...
Ich merke an meinem Bruder und auch mir selber, dass wir Angst vor unseren Eltern haben, z.B. die bereits erwähnte Sache mit den Händen. Mein Vater ist ein recht temperamentvoller Mensch und ich muss bei ihm immer aufpassen was ich sage, ansonsten gibts wieder Stress.
Ich möchte einfach im Klaren sein, was diese Erinnerungen für meinen Bruder und mich bedeuten, sprich ob dies schon als häusliche Gewalt zählt.
Vielen Dank an alle, die sich die Zeit für eine Antwort nehmen
Izzy
4 Antworten
Ja, Androhung von Gewalt, die Hand erheben...Herumschreien und Türenknallen...all das zählt auch zu Gewalt, denn es macht Angst und soll einschüchtern (gefügig machen).
Ob ihr tatsächlich geschlagen worden seid, kann ich von außen nicht beurteilen. Die Androhung von Gewalt muss allerdings so real gewirkt haben, dass ihr ja beide vor den Händen eurer Eltern zurück zuckt. Überhaupt: wenn ihr Angst vor euren Eltern habt, ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie ihre Macht missbraucht haben.
Das Verharmlosen und Runterreden deiner Gefühle und Wahrnehmungen sehe ich als Hinweis auf eine Art emotionalen Missbrauch. Deine Mutter verdrängt ihre eigenen negativen Erfahrungen und redet dir deine Wahrnehmung aus. Immer, wenn man von seinen Eltern nicht ernstgenommen wird, ist das im Prinzip schon eine Misshandlung.
Ich finde es gut, dass du deine Eltern differenziert betrachtest und sie nicht nur als böse darstellst. Jeder Elternteil tut immer das Beste, was ihm möglich ist. Leider sind aber eigene Themen oft nicht aufgearbeitet worden, warum es dann die eigenen Kinder zur spüren bekommen.
Ja, hört sich plausibel an.
Ich persönlich würde das bejahen.
Es ist jetzt nicht so, dass ihr wirklich verprügelt wurdet oder dauernd geschlagen wurdet. Aber es gab Watschen und Ohrfeigen, vielleicht auch andere Schläge, eher früher, als ihr noch kleiner wart. Und ihr habt Angst vor den Eltern und vor dem, wie sie reagieren könnten.
Ja, es war wohl eine Art von häuslicher Gewalt. Schläge als Erziehungsmethode sind meist ein Zeichen von Überforderung. Aber anscheinened passiert das jetzt nicht mehr, denn es sind ja eher Erinnerungen von dir. Trotzdem hast du ja immer noch Angst vor deinen Eltern.
Jetzt ist aber eher die Frage, du bist 18 Jahre, du ziehst bald aus. Wie gehst du damit um? Willst du das ewig mit dir herumtragen oder willst du es aufarbeiten, deinen Eltern verzeihen und dann ohne Belastung ins Leben gehen?
Die Sache mit deiner Mutter ist schwierig. Sie hatte eine schlimme Kindheit und kann nicht wirklich auf deine Probleme eingehen. Das würde ich jetzt nicht als psychische Gewalt ansehen. Denn sie macht es ja nicht, um dich schlecht zu machen, sondern weil sie nicht anders reagieren kann. Das es bei dir dadurch schlechte Erfahrungen ausgelöst hat, ist leider oft so.
Aber auch hier ist die Frage, wie willst du damit umgehen. Du kannst mit deiner Mutter zusammen, ihr Verhalten und dadurch auch ihre Kindheit aufarbeiten. Und dadurch auch deine Kindheit aufarbeiten?
Wie dein Bruder die ganze Sache empfindet ist fraglich. Es kann sein, dass er die ganzen Situationen gar nicht als so schlimm und belastend erfahren hat.