Würde ein Orchester ohne Dirigent schlechter spielen?

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Ja 93%
Nein 7%

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Ja

Ja. Ein wirklich guter (!) Dirigent ist nie zu ersetzen. (Ein schlechter und mittelmäßiger unter Umständen allerdings schon.)

Es gibt auch gute Profiorchester (vor allem im Bereich der Alten Musik), die "kammermusikalisch musizieren" und auch ohne Dirigent spielen können. In solchen Fällen werden die Proben und Aufführungen meist vom Konzertmeister geleitet. Diese Spielweise ist oft äußerst beliebt unter den Musikern, weil die Orchester quasi aus sich selbst heraus musizieren und keinen externen Diktator haben, der ihnen Vorschriften macht und jeden Erfolg für sich verbucht, sondern es kommt quasi alles von innen (aus der Gruppe) heraus und jeder spielt ganz eigenverantwortlich. Die Musiker solcher Orchester sind auf sich selbst und auf diese künstlerische Struktur meist sehr stolz.

Auf diese Weise kann ein Ensemble zwar weit kommen, aber gerade die bekannten Beispiele dieser Arbeitsform beweisen deutlich, dass es zum Erreichen wirklicher Spitzenklasse nie reicht: Denn diese Art der Eigenverantwortlichkeit hat künstlerisch ihre Grenzen. Nur ein guter Dirigent kann die Ensemblemusiker, die alle Individuen und zugleich Teil der Gruppe sind, noch weiter einen, stärker zum Klangkörper formen, ihm eine einheitliche künstlerische Vorstellung aufprägen und den Klang vollkommen zusammenführen. Allerdings kann so ein Orchester unter Umständen alleine besser spielen als mit einem schlechten Dirigenten, der dies alles nicht vermag.

Nein

Nein

Die Musiker spielen nicht schlechter, wenn keiner vorne steht und dirigiert. Es gibt ja ganz viele Formen des Ensembles, wo traditionell kein Dirigent benötigt wird, wie z.B. bei einem Streichquartett. Auch Jazz Combos spielen ohne Dirigent. Um gut zusammenspielen zu können, ist allein wichtig, dass es ein Metrum oder einen Beat gibt, an dem sich alle orientieren können.

Die meiste Musik, egal ob Klassik, Pop oder Jazz ist so komponiert, dass irgendwo immer der Beat mitläuft. Im Pop, Jazz o.Ä. ist meist die sogenannte Rhythmusgruppe (Schlagzeug, Bass, Gitarre, Klavier) dafür verantwortlich. Im Orchester sind es meist die Bassinstrumente (Kontrabass, Cello, Pauke). Trotzdem können generell auch andere Instrumente, egal in welcher Formation, rhythmische Elemente übernehmen, so dass irgendwie immer irgendwo das Metrum mitläuft, das alle hören und spüren. Und generell wird darauf gesetzt, dass Musiker ein Rhythmusempfinden haben. Dafür ist erstmal kein Dirigent nötig.

Die Position des Dirigenten gab es so auch nicht immer. Ursprünglich hat der Konzertmeister, also der 1. Geiger mit seinem Bogen dirigiert. Dass der Dirigent als eigenständige Person vor dem Orchester steht, hat sich wohl mit der Zeit durchgesetzt.

Bei größeren Werken ist ein Dirigent allerdings dennoch sehr hilfreich, da es schon sehr viel zu "organisieren" gibt, das die Musiker beim Spielen nicht immer selbst machen können. Besonders bei Werken, die nicht zum Standardrepertoire gehören oder die vor allem rhythmisch sehr schwierig sind, ist ein Dirigent zum Teil unabdingbar. Außerdem ist der Dirigent selbst auch ein Musiker, der seine Kreativität mit ins Spiel bringt und die Musik durch sein Dirigat gestaltet. Allerdings würde ich mal vermuten, dass erfahrene Orchester gewisse Stücke, die zum Standardrepertoire gehören, eigentlich auch ohne Dirigent spielen könnten.

Im Übrigen ist nicht der Dirigent alleine für Tempo etc. verantwortlich. Auch der Konzertmeister und die Stimmführer der einzelnen Gruppen sind alle am Zusammenhalt beim Zusammenspiel beteiligt. Wenn alle Musiker nach ihrem persönlichen Befinden nach dem Schlag des Dirigenten spielen würden, wäre vermutlich nie etwas zusammen. Deshalb gibt es eben jene Stimmführer, die für ihre Gruppe verantwortlich sind, nach denen sich die Gruppe richtet. Außerdem wissen die Musiker, mit wem sie zusammenspielen müssen und kommunizieren das auch durch Blicke und gemeinsames Atmen miteinander.

Der Dirigent allein macht also nicht alles.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium klassische Musik Cello

Man kann ein Stück ohne den Dirigenten herunterspielen. Man kann es aber nur schwer ohne den Dirigenten gestalten.

Er ist derjenige, der für die komplette musikalische Interpretation verantwortlich ist. Wo kommen vielleicht die Hörner ein bisschen stärker hervor und wo besser die Streicher, wie aggressiv ist der Paukeneinsatz, und wie lange genau dauert die Fermate? Welche Stimmung wird durch die Töne transportiert? Manche würden so weit gehen zu sagen, im Prinzip ist ein gut einstudiertes Orchester ein Instrument, auf dem der Dirigent spielt.

Und dabei sind seine organisatorischen Aufgaben noch gar nicht berücksichtigt. Er zeigt nämlich auch Tempowechsel und musikalische Veränderungen an (die würden ohne praktisch nie zusammen funktionieren), gibt Einsätze und Dynamik-Anweisungen.

Dazu kommt die Akustik: Ein kleines Kammerensemble kann nach Gehör spielen. Nun ist auf einer großen Konzertbühne aber manchmal etwa die Perkussionsgruppe zwanzig Meter von den Kontrabässen entfernt und muss perfekt mit diesen zusammenspielen. Sie hören sich aber aufgrund der Entfernung mit Verzögerung - würden sie also nach Gehör spielen, wären sie permanent zu spät und damit nicht zusammen. Vielleicht steht dann zudem auf der anderen Seite irgendwo auf einer Opernbühne noch ein Sänger ein Stockwerk höher - da macht die akustische Verzögerung schnell einen Schlag aus, es sei denn, man sieht auf den Dirigenten und spielt nach Sicht.

Wenn etwas schiefgeht, ist der Dirigent außerdem derjenige, der versuchen kann, etwa rhythmisch verschobene Stimmgruppen wieder zusammenzuführen oder einer ausgefallenen Instrumentalstimme wieder hereinzuhelfen. Bei Vokalmusik zeigt er zudem die einzelnen Phrasierungen und oft auch Schlusskonsonanten an.

Dazu muss er das Stück perfekt beherrschen. Das ist Schwerstarbeit - nicht nur körperlich (obwohl ich auch schon mit Dirigenten gearbeitet habe, die während eines Konzertabends dreimal das Hemd wechseln mussten), sondern vor allem mental.

Allerdings gibt es durchaus eine historisch gewachsene Ausnahme: In früheren Zeiten gab es das Phänomen der "Doppeldirektion". Da saß der Orchesterleiter meist an Orgel oder Cembalo, und die eigentliche Leitung während des Auftritts hatte der Konzertmeister (üblicherweise der Satzführer der Ersten Geigen), der mit seinen Bewegungen dann gleichzeitig das Tempo und die Einsätze angab. In kleineren Ensembles funktioniert das meist nicht schlecht. Es gibt eine sehr schöne spätere Aufnahme, wo Leornard Bernstein eine Matthäuspassion (Bach) vom Cembalo aus dirigiert - mit minimalen Bewegunge, weil die Fermaten und Tempi stattdessen der Konzertmeister übernimmt und er sich auf die Einsätze und ein paar Gestaltungshinweise konzentrieren kann. Das war aber vermutlich eher als Experiment in bezug auf historische Aufführungspraxis zu werten.

Bei kleineren Kammerorchestern und Unterhaltungsorchestern ist daraus teilweise geowrden, dass von vornherein nach Konzertmeister gespielt wird - also: Der entsprechende Geiger gibt die Tempi, Stricharten und Dynamik durch Körpersprache an. Ansonsten wird nach Gehör gespielt. Das funktioniert aber nur bei kleineren Ensembles.

Ja

Ja! Der Dirigent leitet ja den Chor oder das Orchester ... Da geht es um Rhythmus, Takt, Einsatz, Pausen, Lautstärke, etc. ... würden da 80 (?!) Leute ohne Dirigent anfangen zu spielen, würde das grausam klingen, weil sehr unmöglich! :-)

Woher ich das weiß:Hobby – Bin seit 30 Jahren in der Musikszene tätig.