Wieso ist das "richtige" Deutsch eigentlich Hochdeutsch?

9 Antworten

Könnte man hochdeutsch nicht auch einfach nur als Dialekt ansehen?

Die Bezeichnung "Dialekt" ist problematisch, weil sich jeder ein bisschen was Anderes darunter vorstellt. Auch in der Sprachwissenschaft gibt es keine einheitliche Definition und keine klare Grenze zwischen "Dialekt" und "Sprache". Es gibt verschiedene Modelle, aber man kann sich auf keines einigen. Jeder "Dialekt" ist ein voll funktionsfähiges Sprachsystem, dass ohne eine "Hochsprache" auskommt. Die Unterscheidung ist also immer eine künstliche und oft eine politische (vgl. Skandinavien oder Serbokroatisch).

Dier deskriptive Linguist:in spricht deshalb lieber neutral von "(Sprach-)Varietäten" und davon ist Standarddeutsch eine, nämlich unsere Standardvarietät. Gleichzeitig ist eine so genannte Dachsprache, die als gemeinsame Schriftsprache für alle unsere "Dialekte" dient. Alle? Fast. Luxemburgisch z. B. hat sich als eigene "Sprache" ausgeklinkt und einen eigenen Schriftstandard bekommen, obwohl es keine harte Sprachgrenze zu den "Dialekten" auf der anderen Seite der Grenze gibt. Es wird in der Schule unterrichtet und in den Medien verwendet. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie willkürlich (und politisch) die Unterscheidung zwischen "Dialekt" und "Sprache" ist.

Ist Hochdeutsch das ursprüngliche oder wie kommt es dazu?

Wo es herkommt, hat Koschutnig sehr schön erklärt.

Es ist ein künstlich geschaffener Standard mit Elementen aus verschiedenen hochdeutschen (süd- und mitteldeutschen) Varietäten, der immer weiter reglementiert wurde. Das führt dann zu so abstrusen Dingen, wie dem wie/als-Dilemma, das hier so viele Leute in den Wahnsinn treibt. Dafür gibt es nämlich in den Varietäten, die sich natürlich entwickelt haben (den "Dialekten"), gar keine Vorlage.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – staatl. gepr. Übers. und absoluter Sprach(en)nerd

"Hochdeutsch" ist keine glückliche Bezeichnung für die Standardsprache, denn "Hochdeutsch" ist auch das Gegenteil von "Niederdeutsch" (= Plattdeutsch) und so bezeichnet in der deutschen Sprachwissenschaft "Hochdeutsch" die Gemeinsamkeit aller deutschen Dialekte südlich der "Benrather Linie", d.i. etwa südlich von Düsseldorf. "Hochdeutsch" besteht dann aus "Mitteldeutsch" und "Oberdeutsch", sodass die Tiroler, die "südbairisch" sprechen, eigentlich das höchste "Hochdeutsch" sprechen. Paradox, nicht?

Doch wie kam die deutsche Einheitssprache für die verschiedenen Stämme der Sachsen, Bayern, Westfalen usw. zustande?

In der frühen Neuzeit wanderten viele Menschen aus den verschiedensten Gebieten Deutschlands in neue Siedlungsgebiete am Ostrand des Reiches aus, wo sich die Dialektunterschiede notwendigerweise gegenseitig abschliffen und immer stärker verringerten. Besonders wichtig war da auch, dass alle die amtlichen Kundmachungen verstanden, also musste die kurfürstlich-meißnerische Verwaltung sich auch einer verständlichen Kanzleisprache bedienen und so bildete sich bald eine vereinheitlichte Sprache heraus. Das war also die Geburt der Schrift- und Einheitssprache, und Luther, der in diesem Gebiet dann seine Bibelübersetzung verfasste, benützte dafür ja auch nicht sein eigenes Deutsch, sondern eben diese neue Ausgleichssprache, damit seine Bibel in möglichst weiten Kreisen gelesen werden konnte.

Hochdeutsch ist die Standardsprache, die aus dem Schriftdeutsch und der standardisierten Aussprache aus der Ausbildung von Theaterschauspielern gebildet wurde und sich letztlich durch Rundfunk und Fernsehen als Standard durchgesetzt hat.

Die Dialekte sind sehr viel älter.

Ich spreche Hochdeutsch und habe das noch nie als das richtige Deutsch angesehen.

Als Hochsprache gilt immer, was sehr viele in einem Sprachgebiet sprechen und worin auch Gesetze abgefasst werden. Man muss sich da meist über Jahrhunderte einigen; und es muss auch für alle Beteiligten verständlich bleiben.

Deshalb scheiden Dialekte schon mal aus.
Jugendsprache auch.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Unterricht - ohne Schulbetrieb