Wie wurdet Ihr, als Kinder von Jehovas Zeugen, erzogen und bestraft, wenn Ihr etwas nicht richtig gemacht habt?

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Früher waren die Zeugen Jehovas dafür bekannt, sehr strenge Erziehungsmethoden anzuwenden inklusive körperlicher Gewalt, die als legitimes Mittel galt.

Als diese Praxis in den 1990er-Jahren zunehmend in die öffentliche Kritik geriet, änderten sich auch die offiziellen Aussagen der Organisation langsam. Die Leitung begann sich vorsichtiger zu äußern. Das bekannte Bibelzitat „Wer seinen Sohn liebt, der schont die Rute nicht“ wurde allmählich so umgedeutet, dass es auch nicht-körperliche Strafen einschließen könne.

Besonders auffällig ist, wie sich dieser Wandel an den Publikationen der Zeugen Jehovas selbst ablesen lässt:

„Soll das heißen, dass körperliche Züchtigung, wie zum Beispiel Schläge, ganz und gar unangebracht ist? Keineswegs. Es gibt viele Situationen, in denen diese Art der Bestrafung notwendig ist.“

Erwachet!, 1976, S. 10

 „Wenn Eltern ihre Kinder in Zucht nehmen, auch wenn das körperliche Züchtigung oder den Entzug von Vorrechten einschließen mag, ist das ein Beweis dafür, dass sie ihre Kinder lieben.“
„Das Erteilen von Strafe, selbst wenn sie körperliche Züchtigung oder den Entzug von Vorrechten einschließt, ist ein Beweis für die Liebe der Eltern.“

Erwachet!, 1980, ab S. 10

 „Gelegentlich mag allerdings auch eine körperliche Züchtigung angebracht sein.“

Der Wachtturm, 1994, S. 15–20

„Doch nicht alle Kinder brauchen körperliche Bestrafung.“

Der Wachtturm, 2006, S. 4–7

Zwar wird körperliche Züchtigung heute nicht mehr offen empfohlen, doch viele ehemalige Mitglieder berichten, dass sie nach wie vor vorkommt, besonders in konservativen Familien. Der Grundton vieler Aussagen war über Jahrzehnte: „Wer nicht züchtigt, liebt nicht.“ und das prägt noch heute.

Auch im Umgang mit Kinder und Kleinkindern bei den Zusammenkünften ist vieles bis heute extrem rigide:

Kinder, selbst im frühesten Alter,  müssen während der bis zu zweistündigen Zusammenkünfte oder sogar Kongresse die über Tage gehen, still und regungslos sitzen, oft ohne Spielsachen, Bücher oder Malhefte. Es gibt keinen Kindergottesdienst, keine altersgerechte Betreuung oder pädagogische Entlastung.

Zwei Stunden lang einer für Kinder unverständlichen Predigt zuzuhören und das mehrmals pro Woche kann kaum im Sinne einer gesunden emotionalen Entwicklung sein. Für viele ist das bis heute belastend und prägend.

Ein weiterer Punkt: Kinder werden im Predigtdienst häufig als Türöffner eingesetzt entweder durch ihre bloße Anwesenheit oder indem sie z. B. Traktate überreichen sollen. Für ein Kind kann das psychisch extrem fordernd sein insbesondere, wenn es befürchten muss, dass ein Mitschüler die Tür öffnet...

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Peritus Sectarum

Wenn wir etwas falsch gemacht haben, gab es oft Gespräche, Gebete und manchmal auch Strafen wie Fernsehverbot oder kein Treffen mit Freunden.