Wie war die Zahnmedizin im Mittelalter, war sie tatsächlich besser, als heute?

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Das Wissen über die Zahn- und Mundgesundheit war sehr mangelhaft und viele Menschen hatten nur rudimentäre Kenntnisse über die Anatomie der Zähne und den Ursprung von Zahnkrankheiten.

Die Zahnpflege im Mittelalter war primitiv im Vergleich zu heutigen Standards. Wenn die Zähne überhaupt gepflegt wurden, dann benutzten die Leute selbst gefertigte Zahnbürsten, oft aus Schweineborsten, oder rieben ihre Zähne mit Tüchern oder zerfaserten Zweigen ab.

Bei Zahnproblemen war das Ziehen von Zähnen oft die einzige Lösung des Problems. Wer eine Zange halten konnte, der war qualifiziert. Dadurch kam es zu schlimmen Verletzungen, wie zum Beispiel Kieferbrüchen.

In einigen Fällen wurde Zahnkrankheiten magischen oder übernatürlichen Ursachen zugeschrieben. Die Behandlung konnte daher auch magische Praktiken und Rituale umfassen.

Bei schmerzhaften Zahnproblemen wurden verschiedene Substanzen verwendet, um Schmerzen zu lindern. Dazu gehörten oft Kräuter, Gewürze oder sogar betäubende Substanzen wie Opium.

Wer als Barbier oder Bader arbeitete und Haare scheiden konnte, der war auch oft für die Zahnextraktionen zuständig. Diese Leute waren die Profis. Die kannten sich aus und wussten was zu tun ist.

Den Beruf des Zahnarztes im heutigen Sinn gab es im Mittelalter noch nicht. In dieser Beziehung war die Antike schon deutlich weiter. Bei den alten Ägypter, die eher schlechte Zähne hatten, gab es erste Zahnbrücken. Die Etrusker, Griechen und Römer konstruierten auch schon Zahnbrücken, wobei echte Zähne verwendet wurden. Im alten Rom gab es sogar eine Ausbildung zum Zahnarzt und die Versorgung war eher gut. Vermutlich haben die auch schon Schadstellen an Zähnen weggebohrt. Die Römer kannten auch schon so etwas wie Zahnpasta und pflegten ihre Zähne auch. Im alten China wurden Zähne schon mit Amalgam plombiert. Man hat einen Maya-Schädel in Meso-Amerika gefunden, in dem ein Zahnimplantat aus Bergkristall steckte. Ganz unbedarft waren die also nicht. Dagegen war das Mittelalter primitiv. Es gab den Beruf des Baders, oder Zahnreissers, der das sozusagen "miterledigte". Rom hätte eben nie untergehen dürfen!

war sie tatsächlich besser, als heute?

Wenig überraschenderweise nicht. Damals glaubte man noch, kleine böse Wichte in den Zähnen wären für Zahnschmerrzen zuständig.

So stellte man sie sich vor:

Bild zum Beitrag

 - (Geschichte, Zahnarzt, Mittelalter)

Die Zahnmedizin selbst war nicht besser. Es hat doch nach 500 bis 1000 Jahren die ein oder andere Verbesserung in der Medizin gegeben. Was besser war, war die Zahngesundheit - und zwar erheblich besser als heute.

Der Grund ist recht einfach: Zucker! Während wir heute nahezu pausenlos Zucker konsumieren (offen und den versteckten in fast allen fertig verarbeiteten Lebensmitteln), lebten die Menschen im Mittelalter praktisch zuckerfrei - und dies wirkt sich unmittelbar auf die Zahngesundheit aus.

Fuchssprung  08.12.2023, 11:36

Es ist richtig, dass es damals keinen Zucker gab. Trotzdem waren die Zähen der Leute in einem deutlich schlechteren Zustand als heute. Das hat einen ganz einfachen Grund. Im Mund findet eine enzymatische Umwandlung von Stärke zu Zucker statt. Speichel enthält Enzyme, insbesondere Alpha-Amylase, die den Abbau von Stärke in einfachere Zucker ermöglichen.

Stärke, die in vielen kohlenhydratreichen Lebensmitteln vorkommt, besteht aus langen Ketten von Glukosemolekülen. Alpha-Amylase spaltet diese Ketten in kürzere Fragmente, sogenannte Maltose, die aus zwei Glukoseeinheiten bestehen.

Dieser Zucker hat bei normaler Zahnpflege nicht unbedingt die gleichen Auswirkungen auf die Zähne wie der direkte Konsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln. Weil es damals aber so gut wie keine Zahnpflege gab, wirkte sich der Zucker, der aus der Stärke gebildet wurde, verheerend auf die Zähne aus. Es gab sehr viel mehr Karies als heute, eben weil die Essensreste so lange im Mund verblieben.

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Eisenklang  08.12.2023, 12:08
@Fuchssprung

Das ist eine interessante Ergänzung, danke für die Ergänzung zur Umbildung von Stärke in Zucker. Allerdings irrst du in deiner Schlussfolgerung, denn natürlich pflegten sich die Menschen und ebenso ihre Zähne. Man hatte antiseptische Fasern, welche man konnte und als Bürste verwenden konnte. In frühmittelalterlichen Grabfunden sind auch einige erhalten. Essensreste verblieben also nicht im Mund, zumindest nicht länger als heute.

Auch widerspricht dir die allgemeine Fundlage mittelalterlicher Grabstätten, denn die dort gesichteten Skelette weisen insgesamt eine erheblich bessere Zahngesundheit auf als eben in der modernen Zeit.

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Fuchssprung  08.12.2023, 12:19
@Eisenklang

Du ziehst die falschen Schlüsse aus den Funden. Heute haben die Leute so gut wie nie Zahnschmerzen, weil es kompetente Zahnärzte gibt. Damals reichte aber schon ein einziger fauler Zahn aus, denn Leuten das Leben zur Hölle zu machen. Mittelterliche Funde von Skeletten, die keinen einzigen faulen Zahn hatten, sind doch relativ selten.

Man hatte antiseptische Fasern, welche man konnte und als Bürste verwenden konnte.

Wichtig ist hier der Konjunktiv. Ich streite ja gar nicht ab, dass es Leute gab, die ihre Zähne gepflegt haben. Doch die allermeisten haben damals rein gar nichts für die Pflege ihrer Zähne unternommen.

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Eisenklang  08.12.2023, 15:09
@Fuchssprung

Da werden wir nicht einig sein.

Doch die allermeisten haben damals rein gar nichts für die Pflege ihrer Zähne unternommen.

Wie kommst du auf die Idee? Weil in den Chroniken nichts darüber vermerkt ist, wie oft sich die Leute ihre Zähne reinigten? Die Menschen des Mittelalters haben sehr wohl auf Körperhygiene geachtet und es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sie es bei ihren Zähnen hätten anders machen sollen.

Du ziehst die falschen Schlüsse aus den Funden.

Also, das bezweifle ich, vor allem da ich schon sehr viele Schädel daraufhin betrachten konnte. Natürlich gibt es auch solche mit schlechten Zähnen, aber im Durchschnitt ist es einfach erheblich besser.

Damals reichte aber schon ein einziger fauler Zahn aus, denn Leuten das Leben zur Hölle zu machen.

Ja, das war sicher keine schöne Zeit für Kariesgeplagte

Mittelterliche Funde von Skeletten, die keinen einzigen faulen Zahn hatten, sind doch relativ selten.

Kann ich ganz ehrlich nicht bestätigen, zumindest nicht im mitteleuropäischen Raum.

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Fuchssprung  08.12.2023, 15:13
@Eisenklang

Ich denke wie du. Wir werden uns in diesem Fall nicht einig. Wünsche dir noch einen schönen Tag.

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Eisenklang  08.12.2023, 15:25
@Fuchssprung Ich denke, du kannst mir durchaus glauben.

Für dich und andere habe ich noch mal schnell 2 verschiedene Artikel herausgesucht, deren Inhalte hier gar nicht im Vordergund stehen. Mir geht es um die beiden großen Fotos, welche drei unterschiedliche Gräber zeigen an zwei verschiedenen Orten. Das eine Grab wurde in Schwedt gefunden, die zwei anderen stammen aus Augsburg.

Man sieht dort eine ganz typische Fundsituation einer mittelalterlichen Grablege und ebenso typisch ist der Zahnbestand der Verstorbenen. Solche Funde konnte ich oft betrachten und stets war der Eindruck derselbe: Gute Zahngesundheit -- ganz im Gegensatz zum Klischee.

https://www.moz.de/lokales/schwedt/archaeologie-in-der-uckermark-skelett-eines-jungen-menschen-bei-grabung-im-zentrum-von-schwedt-gefunden-63296197.html

https://mittelalterliche-geschichte.de/mehler-natascha-01/

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Fuchssprung  08.12.2023, 15:34
@Eisenklang

Das sind zwei sehr schöne Beispiele, aber sie lassen keinen Schluss auf den ALLGEMEINEN gesundheitlichen Zustand der Zähne im Mittelalter zu.

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Das stimmt, im Mittelalter gab es keine Zahnärzte. Wenn man Zahnschmerzen hatte, ging man zu einem sogenannten Bader oder Knochenbrecher und dieser zog einem denn Zahn dann raus. Wie heute in dem Sinne Vorsorge oder Karies ausbohren gab es im Mittelalter noch nicht.