Woran denkt ihr bei dem Wort Mittelalter?

7 Antworten

Mittelalter umfasst 1000 Jahre zwischen 600 und 1600. Das Hochmittelalter war etwa 1000-1200 mit dem Beginn der Gotik. Die schweren Rüstungen der Ritter kamen aber erst später auf.

Ich verbinde mit dem Begriff, dass da zu viel in einen Topf voller Märchen geworfen wird, von den Wikingern, die erst später so genannt wurden, über Kreuzzüge und Pest bis zu Hexenverbrennung, Piraten und Aufbruch zu neuen Welten per Schiff, von Schwertern und Florettfechten bis hin zu Kanonen - ein heilloses Durcheinander. Auf jeden Fall gab es in Europa noch nicht die großen Reiche, sondern ein ständiges Grenzenverschieben und Neuaufteilen und nur die Kirche hatte über längere Zeit überall die Finger drin, weil sie den Leuten Angst machte und gleichzeitig Lösungen versprach, oftmals gegen Bares.

Uniximander  23.01.2024, 11:42

Wer hat heut überall die Finger drin und macht den Leuten Angst? Und das nicht einmal unbedingt gegen Bares ...

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Das Mittelalter ist eine sehr spannende und abwechslungsreiche Epoche, die leider viel zu einseitig-düster betrachtet, von einigen auch romantisiert wird. Das Mittelalter ist uns einerseits recht fremd, auf der anderen Seite ist vieles im Mittelalter so modern und bis heute erhalten geblieben, dass wir uns wundern würden.

Es war eine Zeit großer Veränderungen und überspannt einen gewaltigen Zeitraum vom allmählichen Niedergang des Römischen Reiches um 500 n.Chr. bis zur Neuzeit um 1500 n.Chr. Ging auch Wissen mit dem Verschwinden der Antike verloren, so wurde auch sehr viel neues Wissen hinzu gewonnen und vieles, was die Mittelaltermenschen konnten, wäre für die Römer noch unmöglich gewesen.

Es gibt schon ein dunkles, düsteres Mittelalter der Kriege, Seuchen und Rückschritte (wenn auch nicht so wie die meisten glauben) und es gab ein sehr helles, fortschrittliches Mittelalter mit bahnbrechenden Entwicklungen und leisen und lauten Fortschritten.

Im Mittelalter entstanden unvorstellbar schöne Kulturgüter und ich liebe z.B. die Ästhetik des Mittelalters sehr: in kleinen Dingen wie Werkzeugen, Alltagsgegenständen und Kleidung ebenso wie in Kunst, Bildern, formvollendeten Kleinoden.

Die Baukunst gelangte im Mittelalter zu neuen, ungeahnten Blüten: die Romanik war schön, die Gotik einfach atemberaubend. Himmelhohe Mauern, dünn, lichtdurchbrochen mit ihren typischen Spitzbögen: fantastische Kathedralen die kein Römer je hätte bauen können, aber auch in städtischen und bürgerlichen Gebäuden. Unsere Städte sind zumeist mittelalterlich geprägt, die Straßen, die Stadtmauern, die Fachwerkhäuser (auch wenn die meisten jünger sind).

Im Mittelalter wurden die ersten Universitäten gegründet, die heute noch existieren! Plötzlich gab es also Orte der Forschung und Lehre. Schulen wurden gegründet, zuvor wurden Kinder reicher Eltern nur von Privatlehrern (oft Sklaven) unterrichtet. Hier kamen Kinder verschiedener Häuser zusammen, hin und wieder auch Begabte aus armen Häusern.

Es wurden internationale Handelsvereinigungen mit vielen Außenhandelsstationen, Kontorhäusern im Ausland, festen Routen gegründet - die Hanse. Ein Erfolgsmodel und Vorläufer der Europäischen Gemeinschaft. Viele hundert Jahre blieb die Hanse ein aktiver und manchmal sogar sehr mächtiger Spieler neben Königen und Fürsten.

Mit und durch die Hanse entstanden völlig neue Handelsweisen. Es wurde der bargeldlose Zahlungsverkehr erfunden: Schecks, Schuldscheine, Verschreibungen - all dies gab es zuerst im Mittelalter. Ebenfalls revolutionär: Versicherungen. Es konnten ganze Schiffe gegen Verlust versichert werden - so wie heute auch.

Im Mittelalter entstand das Bürgertum, welches sich vom Adel und Klerus absetzen konnte und eigene Rechte erstritt, erkaufte, aushandelte. Es gab ganze Städte, die von keinem Herren regiert wurden und frei entscheiden konnten.

In diesen Städten entstand die städtische Regierungsform, die es bis heute gibt: Bürgermeister, Senat und Ratsversammlung, u.v.m.

Im Mittelalter wurden verbindliche Standards für Handwerker erfunden, die zudem auch öffentlich ausgehängt wurden. So gab es beispielsweise feste Größen für Brot, die aus Metall ans Rathaus angeschlagen wurden. Verbraucherschutz vor 700 Jahren.

Die Städte waren auch so sehr organisiert: Es gab Angestellte für die Wasserwirtschaft, welche die Brunnen kontrollieren. Es gab Angestellte, die den Mist aus der Stadt brachten. Längen und Größen wurden in jeder Stadt festgehalten und mussten für alle Händler gelten. Nochmal Verbraucherschutz.

Es entstanden neue Technologien wie die Drei-Felder-Wirtschaft, welche Hungersnöte extrem reduzierte und die Versorgungslage verbesserte. Es wurde, auch aufgrund von Hungersnöten, die langfristige Lagerung von Lebensmitteln intensiviert und weiterentwickelt. So konnte im Spätmittelalter eine Stadt eine sehr lange Schlechtwetterperiode mit extremen Ernteausfällen drei Jahre lang durch Lagerung überbrücken. (Leider dauerte die Periode länger - aber dennoch ein großer Erfolg).

Natürlich gab es auch negative Aspekte - wie in jeder anderen Zeit auch. Die Pest 1347/1348 tötete teilweise ein ganzes Drittel der Bevölkerung - ein unglaubliches Sterben, was wir uns kaum vorstellen können. Das hat die Welt sicher sehr beeinflusst. Immer wieder gab es auch kleinere und größere Hungersnöte und Epidimien (klar, in 1000 Jahren). Die meisten von ihnen blieben aber glücklicherweise lokal und zeitlich begrenzt.

Wenn du per Zufall irgendwo und irgendwann ins Mittelalter geboren würdest: es wäre wahrscheinlich, dass du selbst keinen Krieg erleben würdest und auch keine echte Hungersnot.

Für uns kaum vorstellbar ist sicher der Feudalismus und das Leben als Unfreier. Das ist aber viel komplexer als wir allgemein denken und meist weniger dramatisch. Denn es hat nicht nur Vorteile frei zu sein - im Gegenteil auch viele Nachteile: Frei war zudem ohnehin niemand. Alle Menschen waren gesellschaftlich eingebunden - anderen gegenüber durch Pflicht und Gehorsam / Fürsorgepflicht und Schutz gebunden. Das galt für Adlige nicht weniger als für Bauern, wobei letztere natürlich weniger Möglichkeiten hatten. Doch auch Freie waren nicht frei. Frei zu sein im MIttelalter hieß vor allem schutzlos zu sein, allein unter anderen. Zwar frei zu entscheiden wohin man geht - aber zugleich von vielem ausgeschlossen. Hatte man ein rechtliches Problem, so war nicht der Herr für einen da, der für dich klagte. Das musstest du selbst tun. Ein höriger Landarbeiter hatte im Prinzip seinen Herren, der für ihn einstehen musste.

Der Ritterstand war im Mittelalter ursprünglich unfrei! Es waren unfreie Minesteralie, welche ihrem Herrn zur Seite standen. Erst allmählich wurden aus unfreien Ministeralien freie adlige Ritter mit eigenem Grund und Boden. Dafür mussten sie dann auch wieder selbst für ihre Ausrüstung sorgen und ... eben ihre Unfreie versorgen und beschützen.

Jeder Mensch also, einschließlich die Könige, hatten gegenseitige Verpflichtungen und Freiheiten. Aber nie alle. Adlige durften beispielsweise kein Handel treiben. Das war ihnen verboten und konnte auch zu Ärger führen, wenn sich Bürger durch die Konkurrenz eines Adligen bedroht sahen - bis zum Krieg konnte das führen und oftmals hatte die Hanse oder die Bürger einer Stadt gewonnen.

Dafür stand den Rittern das Fehderecht zu, also erlittenes Unrecht durch militärische Gewalt (durchaus kriegsähnlich) wieder gut zu machen oder strittige Fragen zu klären. Aber nicht mit jedem, nur mit ihresgleichen. Gegen Bauern durften die das eigentlich nicht.

Zum Mittelalter gehört aber auch die Zeit der Wikinger im Norden, mit ihren vordemokratischen Entscheidungsprozessen, ihrer Expansion und dem weitumspannenden Handelsnetz. Ihre Schiffe waren bereits um Längen denen der Römer überlegen, hochseefester, schneller und wendiger. Sie konnten sogar gegen den Wind segeln. Auch ihre Gesellschaft durchlebte große Veränderungen, bis aus ihnen typisch christliche Mittelaltermenschen wurden.

Die Kreuzzüge als komplexe Kriesgeschichte gehören ebenso dazu wie der Buchdruck mit beweglichen Lettern, welche eine Informationsrevolution auslöste, die mit der des Internets vergleichbar war. Schon 50 Jahre nach Gutenbergs Erfindung wurden eine Million Bücher gedruckt: mehr als in der gesamten Menschheitsgeschichte insgesamt zuvor! Und die Kirche war da keineswegs dagegen, sie begrüßte die neuen Möglichkeiten. Heute zählen Gutenbergbibeln zu den wertvollsten Büchern der Welt.

Das Papier wurde erfunden, der Buchdruck, die Liedernoten, der Roman, die Landkarte, der Kompass, das Sachbuch, die Brille, die Lupe, die heute genutzte Schrift, das Zahlensystem, neue mathematische Methoden, die Null, Rechnungsbücher und die moderne Buchführung.

... so, nun muss ich aufhören. Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen.

Als erstes fällt mir ein, dass ein großer Unterschied besteht zwischen den verbreiteten Vorstellungen vom Mittelalter und den historischen Tatsachen. Das gibt es so bei keiner anderen Epoche.

https://de.wikipedia.org/wiki/Finsteres_Mittelalter

Und wenn heute in einer Diskussion über ein aktuelles Thema jemand etwas (z. B. eine Einstellung) als "mittelalterlich" bezeichnet, kann man davon ausgehen, dass sein Vergleich mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% Blödsinn ist.

Woher ich das weiß:Hobby – Geschichte, langjähriges Interesse incl. Fachliteratur
steefi  22.01.2024, 11:39

Die Tatsache ist, dass es im MA lange Zeiten gab, in denen sich NICHTS verändert hat. Heute wird die ganze Welt dreimal am Tag neu erfunden.

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Sangallo  22.01.2024, 11:45
@steefi

Keine Ahnung, warum du gerade mir das schreibst und was du damit sagen willst. Beide Aussagen sind jedenfalls sehr fragwürdig.

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WilliamDeWorde  22.01.2024, 12:24
@steefi

Wenn du dich damit näher befassen würdest, müsstest du zugeben, dass die Aussage Unsinn ist. Die Bevölkerungszahl war geringer und die Sterberate hoch. Da neben den täglichen Problemen noch etwas voranzutreiben, diese Zeit und die Mittel musste man erst einmal übrig haben.

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steefi  22.01.2024, 12:27
@WilliamDeWorde

Du widersprichst mir nicht, ergo ist Deine Aussage ebenfalls Unsinn - nach Deiner Theorie.

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WilliamDeWorde  22.01.2024, 12:31
@steefi

Na, wenn das kein Widerspruch war, dann bist du wohl nur Diskussionen mit viel Geschrei und Holzhammer gewohnt.

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TheAsassin  23.01.2024, 19:46
@WilliamDeWorde

steefi sagte: es hat sich nichts verändert.
Deine Antwort war: ja aber es konnte sich ja auch garnichts verändern.
Folglich hat steefi recht wenn er/sie sagt, dass du nicht wiedersprochen hast.
Dass "3 mal am Tag neu erfunde" eine überzeichnung ist, wird steefi auch bewusst sein.
Was sie wahrscheinlich aussagen wollte ist wie ich glaube, dass die Behauptung etwas sei "mittelalterlich" aussagen soll, dass es rückständig und konservativ ist. Das war das mittelalter ja auch im Vergleich zu heute.

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Hallo.

Also ich verbinde folgendes mit Mittelalter:

  • Burgen
  • Ritter
  • Ständeordnung
  • Feste Kleiderordnung
  • Ausgiebige Feste und Turniere
  • Einen festen Glauben wie man ihn heute nur noch im Islam findet
  • Kleine Betriebe und Höfe
  • Obrigkeitsdenken

Hoffe konnte dir helfen, Grüße

TheAsassin  23.01.2024, 19:47

Du würdest staunen was sich unter Christen so finden lässt.

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Minnesang, Ritterturniere, Burgen, englische Langbögen, Monarchien, Badehäuser, gotische Kathedralen ... das sind so einige der Begriffe, die mir zum Mittelalter einfallen.