Wie stelle ich ausländische Eigenheiten in Dialogen dar? (Ende der Nachricht ist am wichtigsten, Rest eher Problembeschreibung)?
Mein Roman hat ein zeitaktuelles, aber ausländisches Setting. Wie wir wissen, ist die Art der Kommunikation je nach Land und Kultur teilweise drastisch verschieden, das sollte jede Person wissen, die mehrere Expats in ihrem Leben traf oder selbst Expat wurde oder auch nur viel reist.
Beispiele (bitte steinigt mich nicht als vorurteilsbehaftetes Monster, ich habe nur gesammelt, was ich über die Zeit aufgenommen habe an Behauptungen)
- Deutsche gelten als relativ direkt.
- Norweger als eher gemütlich, aber Fremden stärker verschlossen. Anweisungen gibt man eher über Fragen.
- Brasilianer seien temperamentvoller.
- Im Balkan wird viel Wert auf Gastfreundschaft gelegt als etwa hier. Ähnlich auch in Arabien, heißt es.
- Amerikaner quatschen einfach gerne viel oberflächlichen Smalltalk und sehen das als höflich bzw. normal, zum Beispiel einfach fremde Leute beim Einkauf zu fragen, was sie heute Abend kochen.
- Im Ostasiatischen Raum gibt es das Konzept von "Gesicht" und Gesichtsverlust.
- In China sind Präsente zu kleinsten Anlässen erwartet. Aus anekdotischer Evidenz habe ich von einem deutsch-chinesischen Ehepärchen gehört, dass ein paar deutsche Freunde des Pärchens für sie gestorben sind, als diese zu einem mittelgroßen Anlass ihrem Mann (also nicht einmal ihr selbst) keine Geschenke
- Außerhalb von Deutschland wird Essen oft viel mehr zelebriert und hat einen großen Stellenwert.
- Die Japanische Höflichkeitsrede und Honorifica (also die Suffixe).
- Kanadische berühmt berüchtigte Nettigkeit.
- Französische Romantik und Sexualität
Die Problematik ist jetzt aber: Wie schaffe ich es, diese authentisch in Dialogen zu transportieren? Noch immer soll ich ja in Deutsch schreiben, aber manche Ausdrücke und Floskeln des Alltäglichen lassen sich nicht einfach übersetzen.
Darf ich überhaupt und wann ausländische Ausdrücke in meinen Roman einfließen lassen?
Ein å kose seg (wörtlich übersetzt: kuscheln) wird vollkommen anders verwendet. Wenn ein Norweger das das seinem besten Freund vorschlägt, dann ist das nicht der Beginn einer homoerotischen Aktion, sondern er meint eher so etwas wie es sich gemütlich und nett machen, fast schon im achtsamen Sinn.
Norweger bedanken sich auch ständig beieinander für Dinge, die bei uns normalerweise nicht notwendigerweise eine Dankesbekundung erlauben.
- takk for i nå ("Danke für jetzt.", wenn man sich verabschiedet).
- takk for i går / takk for sist ("Danke für gestern", wenn man sich am folgenden Tag nach einer Verabredung wiedersieht)
Ähnlich auch mit Japanisch, da ist es mit der ganzen Rede und Anrede ein Thema. Charaktere sprechen kaum einander mit Personalpronomen an (du, Sie, ihr, Ihr), sondern eigentlich eher mit Namen+Honorifica (also viel seltener "Wie geht es Ihnen?" sondern eher etwas, das wörltich übersetzt heißt: "Wie geht es Herrn Tanaka?", wenn man vorher mit "Ihnen" eben genau diesen Tanaka meint. Und so würden sie in Bereichen miteinander sprechen, wo wir längst dutzen ...
Und da gibt es eben auch Gepflogenheiten, wie das ganze okaeri und ta da ima beim Ankommen und Verlassen des Zuhauses (Kenner japanischer Anime, Serien und Manga wissen hoffentlich was ich meine).
HIER DER RELEVANTE PUNKTDas Problem ist also, wenn ich ausländische Charaktere in einem deutschsprachigen Roman habe, wie stelle ich stilistisch auch heraus, dass es eben Ausländer sind und nicht (kulturelle/mentalitäts-technische) Deutsche, die ich als Ausländer bezeichne.
Wie viele Wörter aus der Zielkultur darf ich verwenden, um die Kultur zu achten, aber gleichzeitig noch immer mein Publikum aus dem DACH-Raum abzuholen?
Die Frage richtet sich an (Hobby) Schriftsteller in ähnlichen Settings mit ihrem Buch, Lektoren, Verlagsmenschen, Übersetzer und Leute mit kulturwissenschaftlichen Hintergrund. Auch Menschen, die an der Lokalisierung anderer Medien (Games, Serien, Filme, etc.) beteiligt sind.
PS: Mir würden auch Beispiele helfen: Nehmt kurze, alltägliche Dialoge und zeigt sie einmal wie ihr ihn zwischen Deutschen schreiben würdet und wie ihr ihn zwischen einer der Gruppen oben aufgelisteten (Brasilien, China, Norwegen, Japan, USA, Frankreich, ...) Landesangehörigen schreiben würdet.
2 Antworten
Interessantes Thema.
Ich persönlich mag es sehr, wenn in Geschichten (ich bleibe mal beim Thema Japan) mit entsprechendem Setting auch die passenden Anreden, usw. verwendet werden. Das macht es nicht nur authentischer, sondern verleiht der Geschichte auch eine besondere Note.
Ich habe auch schon die ein oder andere Story gelesen, in der ganze Wörter einfach übernommen wurden statt sie zu übersetzen. Ähnlich wie Narutos "dattebayo" am Ende eines Satzes statt es mit "echt jetzt" zu übersetzen oder wenn Figuren auf ihrer Sprache fluchen. Auch das kam bei vielen Lesern sehr gut an, stelle ich mir in einem professionellerem Rahmen jedoch wieder eher schwierig vor.
Allerdings wäre es auch kein Problem kulturelle Gepflogenheiten zumindest sinnbildlich zu übersetzen (es muss ja keine Wort-für-Wort-Übersetzung sein). Dazu zählen das "itadakimasu", bevor man beginnt zu essen oder auch das "Tadaima!", wenn man nach Hause kommt. Ich hätte auch nichts dagegen einzuwenden, wenn man diese Begriffe 1 zu 1 so übernehmen würde, allerdings bin ich auch ein wenig damit vertraut. Auf Leser, die absolut gar keine Ahnung von Japan haben, könnte das wieder abschreckend wirken, vergleichbar mit zu vielen Fremdwörtern in einem Roman.
Die japanische Anrede gehört allerdings fest zur Kultur und kann daher, finde ich, auch entsprechend original verwendet werden. Eingedeutscht dürfte das manchmal eher seltsam klingen.
Mal ein ganz simples Beispiel (aus dem Narutoverse, aber das spielt ja keine Rolle):
"Ich danke euch, Hokage-sama" vs. "Habt vielen Dank, geehrter Hokage".
Natürlich geht beides, aber ich finde ersteres klingt authentischer. Es lässt mich mehr in dem Setting versinken und erinnert mich daran, dass sich die Figuren in Japan befinden, nicht in Deutschland.
Manches ließe sich auch nur schwer ins Deutsche übertragen. Spontan fallen mir da "-san", "-chan", "-senpai" und "-kun" ein. "-san" könnte man eventuell noch mit "Herr/Frau" übersetzen, aber auch das könnte, je nach Kontext, befremdlich wirken. Es sprechen sich ja nicht nur Arbeitskollegen und Fremde so an, sondern auch Bekannte oder nicht ganz so enge Freunde. Nochmal ein Unterschied macht es, ob ich den Nach- oder Vornamen verwende. In Deutschland würde jedoch niemand den Vornamen mit einer höflichen Anrede benutzen a la "Frau Denise".
Die japanischen Suffixe definieren eben auch wie die Personen zueinander stehen. Das so komplett ins Deutsche zu übertragen stelle ich mir eher schwierig vor, da unser System dahingehend viel simpler geschaffen ist.
Man könnte genauso gut darauf verzichten und die kulturellen Unterschiede dann eben eher am Verhalten aufzeigen (Verbeugungen, sehr zurückhaltende Mimik und Gestik im beruflichen Umfeld, privat deutlich lockerer, kaum Austausch von Berührungen, etc.).
Letztlich dürfte das aber Geschmackssache und eine Frage des eigenen Stils sein. Die Frage ist also eher: Was gefällt dir besser?
Mir will leider gerade so gar kein Dialog dazu einfallen, der dir helfen könnte. Aber mir fällt sowas aus dem Nichts auch eher schwer. Sorry. :( Vielleicht hilft's ja trotzdem ein bisschen.
Liebe Grüße
Ich würde fremdsprachigen Wörter auch übernehmen, aber damit in Grenzen bleiben. Zu viele könnten den Leser verwirren und die Lust am Weiterlesen verderben.
Ich kenne mich mit der japanischen Kultur und Sprache nicht wirklich aus, aber mir würden Beispiele im Chinesischen und Koreanischen einfallen.
- Chinesisch: Hallo ist ein recht einfaches Wort, das ich glaube die meisten kennen (Ni hao). Das zum Beispiel würde ich einfach übernehmen. Chinesen nennen ihre Großmutter (Oma) Nainai und auch das würde ich übernehmen, da das einfach etwas ist, dass zur Sprache gehört. -> "Ni hao, Nainai"
- Koreanisch: Die Koreaner sprechen ihr Gegenüber nur selten mit dem Namen, sondern mit dem Titel an. Lehrer zum Beispiel heißt "Seonsaengnim". Die Schüler sagen dann nicht Herr Kim sondern einfach nur Seonsaengnim. -> "Seonsaengnim, können sie mir bei dieser Aufgabe helfen?" Das direkt ins Deutsche zu übersetzen klingt irgendwie seltsam. "Lehrer, können sie mir bei dieser Aufgabe helfen?"
- Im Koreanischen gibt es auch Wörter wie Jinjja, Aigoo oder Aish, die häufig benutzt werden. Falls dich interessiert was sie bedeuten: https://www.gutefrage.net/frage/was-heisst-jinjja-aigoo-und-aish-auf-deutsch Das sind so Wörter die einfach bei koreanischen Gesprächen (auch Dramen etc.) oft benutzt werden und dem ganzen Gespräche eine außergewöhnliche Note verleihen. Natürlich würde ich sie vielleicht am Anfang oder am Ende noch mal erklären, da sie nicht jedem bekannt sind.
Familienbegriffe wie Oma, Mama, Papa, Opa, Onkel, Tante (in manchen Sprachen auch Schwester und Bruder) etc. finde ich sollte man immer in der jeweils anderen Sprache benutzen.
Ich weiß nicht, ob dir das irgendwie weiterhilft, aber ich hoffe zumindest ein bisschen.
Viel Glück :)