Wie kann ich meinen Eltern verzeihen?
Ich hatte ein sehr schweres Verhältnis zu meinem Vater, das meine gesamte Kindheit und meine Gegenwart beeinflusste. Er hat mich immer wieder geschlagen seitdem ich 6 war, er hat mich stets terrorisiert in seiner Anwesenheit, hat mich vielleicht ein oder zwei Mal im Leben umarmt, hat nie mit mir was unternommen oder mich nach meinen Interessen, Vorlieben oder Wünschen gefragt. Gleichzeitig hat er erwartet, dass ich die besten Noten in der Schule kriege, damit er sich als der stolze Vater präsentiert. Das wichtigste war ihm, was andere Menschen sagen/denken.
Er ist einfach das beste Beispiel eines schrecklichen Menschen für mich. Ich hasse ihn, ich verachte ihn, ich möchte ihm am liebsten das selbe antun, was er mir in meinen zarten Jahren angetan hat. Meine Wut hört einfach nicht auf, auch wenn das alles lange her ist. Ich habe noch 2 weitere Geschwister, die eine ähnliche Kindheit hatten.
Wir wuchsen in Syrien auf, bis der Krieg dort ausbrach und wir alle von einer Stadt zur anderen und vom Land zum anderen flohen, bis wir in Deutschland im 2014 endlich gelandet sind. Damals war ich 16 und fing dabei an, festzustellen, dass ich schwul bin. Irgendwann habe ich es meiner Mutter erzählt, die es dann meinem Vater erzählt hat. Er hat das Thema einfach ignoriert und mir gesagt, dass sowas nicht existiert und dass das nur in meinem dummen Kopf ein Thema ist.
Meine Mutter war etwas anders als mein Vater, aber viel besser war sie auch nicht. Ihre negative Eigenschaften war weitaus mehr als ihre positiven. Sie war irgendwie auch zu feige, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Ich schaffte es trotz allem aus diesen Erinnerungen heraus und fing an, mein Abi zu machen und danach das Bachelorstudium zu beenden. Mein Vater hat sich mittlerweile etwas verändert, ist aber für mich immer noch der selbe böse Mensch wie früher. Manchmal denke ich mir, dass ich etwas Verständnis für ihn und seine Mentalität haben sollte, da sein Vater noch strenger und schrecklicher war, als er selbst.
Ich lebe seit 4 Jahren wieder bei meinen Eltern, auch wenn das jetzt nach alldem komisch klingt.
Sie sprechen schlecht deutsch und deshalb kümmere ich mich um fast alles für sie. Ihr Papierkram, ihre Arzt- oder Behördentermine, ihre Fahrten und vieles andere. Ich kann Ihnen nicht verzeihen, aber auch nicht ganz davon weglaufen. Mal möchte wegziehen und nichts mehr von denen hören, mal denke ich, dass ich lieber verzeihen und vergessen soll, was mir bisher nicht gelungen ist.
Falls ihr bis hierhin gelesen und euch Zeit dafür genommen habt, danke euch vom Herzen. Ich freue mich auf jede Hilfe von euch.
8 Antworten
Frag dich, ob du überhaupt wirklich verzeihen möchtest. Du musst das nicht tun, um Ruhe zu finden. Nicht für jeden ist Verzeihung der richtige Weg. Es gibt auch noch mehr Möglichkeiten. Ich zB finde deutlich beruhigender, gar nichts zu „müssen“ und klar meine eigenen Werte zu vertreten. Damit fühle ich mich viel wohler, als etwas zu verzeihen, das ich in Wirklichkeit gar nicht verzeihe.
kommt darauf an, was deine Prioritäten sind. Also wenn er dich jetzt nicht schlägt und du es nicht zu befürchten hast, das wäre gut. Pflege den Kontakt auf die Weise und so lange wie du es für dich für richtig hälts, und wenn du denkst du brauchst nichts mehr von denen, kannst du auch esay abbrechen, das sollte aber überlegt sein. Vielleicht kannst du noch nach jahrzenten irgendeinen Nutzen daraus schlagen. Du kannst ihnen etwas auch dein restliches Leben etwas vormachen, wenn es für dich einen Nutzen hat. Denn überzeugen kann man gewisse Leute einfach nicht.
wenn man ein gewisses Alter erreicht hat ist man so sehr in seinem eigenen Programm drin, dass es nicht funktioniert diesen Menschen zu überzeugen, denn sie haben ihr ganzes Leben so gelebt
Ich hab mein ganzes Leben lang Fleisch gegessen, trotzdem kann ich Veganer werden.
Ich kann mein ganzes Leben lang geraucht haben und trotzdem kann ich es schaffen aufzuhören.
Ich habe sogar gelernt, Transmenschen ungefragt zu akzeptieren.
Es gibt kein bestimmtes Alter oder Programm, dass hier einen Point of no return darstellt.
Und ich bin vermutlich älter als die Eltern des Fragestellers.
theoretisch in der Praxis sind viele einfach beratungsresistent. Sie sind verschlossen und nicht offen gegenüber neuen Ideen.
Solange du deine Eltern hasst und verachtest, wirst du nicht verzeihen können.
vielleicht ist dieser letzte Schritt auch nicht nötig, damit du dich besser fühlst. Versuch erst einmal zu erreichen, dass du gleichgültig bist, dann können sie dich auch nicht mehr verletzen. Mit Worten oder Taten oder eben auch genau mit dem Gegenteil. Vergiss nicht, dass du eine starke Position hast. Mach ihnen klar, dass ein bisschen Dankbarkeit von ihrer Seite angebracht ist, weil sie sonst einen Übersetzer besorgen oder einen Deutschkurs machen müssen.
Und denk immer dran, du hast Stärke in dir, sonst würdest du nicht über Aberkennung nachdenken. Die Schwächen sind sie. Nur die Schwachen müssen beleidigen, schlagen, verachten. Alles Gute für dich
Ohne den Grund dafür zu kennen, kann man auch nicht verzeihen. 2 meiner Freunde wurden als Kind auch von ihren Vätern geschlagen, bei dem einen war es die Wut auf seine Frau weil er das Ergebnis einer Affäre war und beim anderen war es der plötzliche Tod des Bruders der seinen Vater dazu gebracht hat ihn zu hassen.
Ich kann es ihnen erklären und ihnen zuhören, aber verzeihen müssen sie selbst und wenn es nötig ist, kann ich Ihnen auch zeigen wie man richtig sauber verzeihen kann.
Du scheinst viel zu erzählen zu haben, kanns mich gerne hier per PN kontaktieren wenn du magst.
Die Frage lässt sich nicht so leicht beantworten.
Das ist ja sehr vom Individuum abhängig.
Einen Ansatzpunkt hast du schon gefunden, Du schreibst, dass der Vater deines Vaters noch schrecklicher war.
Es ist wünschenswert, aber nicht immer und nicht für jeden gleich einfach, aus dem destruktiven Teufelskreis herauszukommen.
Große Anerkennung für die, die es schaffen und ihren Kindern nicht den gleichen Müll aufhalsen.
Ein anderer Punkt ist, Du bist besser als dein Vater, zeig ihm das man andere nicht aufgrund ihrer Unterschiede schlecht machen soll. Du hilfst ihm, obwohl er doch selbst Deutsch lernen könnte. Mach ihm ruhig klar, dass er von seinem Vater sicher Schläge kassiert hätte, wenn er so schlecht lernt. Zeig ihm, wo er ungerecht ist und falsch handelt und lebe ihm vor, wie man es besser macht.
Das ist eine selbsterfüllende Prophezeihung.
Wenn man es von vornherein als gegeben betrachtet und nicht versucht, dann wird das auf jeden Fall so sein.
Man kann niemandem etwas beibringen ohne ihn etwas zu lehren.