Wie ist es, Lehrer zu sein?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich sage es zunächst mal so: Lehrer ist kein Beruf, den man einfach so erlernt wie Kaufmann oder Mechaniker "weil es sich halt anbietet", sondern eigentlich eine Berufung. Man muss es wirklich wollen und braucht nicht nur einfach denken, man studiert Lehramt und schlängelt sich so durch.. man braucht menschliche Reife, die Bereitschaft viel zu arbeiten, auch psychisch viel auszuhalten, viel Freizeit zu investieren und sich Probleme unterschiedlichster Art zu stellen, zudem Vorbild zu sein. Wenn man daran auch nur ganz kurz zweifelt bzw. sich unsicher ist, ob es wirklich passt oder ob man nicht doch was anderes machen sollte, sollte man es sein lassen!

Empathie, Zuverlässigkeit, Pflichtbewusstsein, ein Gefühl für Autorität und diese auch richtig einzusetzen, emotionale Belastbarkeit sowie die wichtige Tatsache, dass er mit sich selbst im Reinen steht, sind für einen Lehrer mit das Wichtigste! Man sollte Dinge erklären können, Verständnis dafür haben dass gerade Grundschulkinder viel Fingerspitzengefühl und noch mehr Zeit benötigen könnten und wissen, wie weit man gehen kann, wie weit man die Schüler fordern kann -------> eine schnelle Beobachtungsgabe/Menschenkenntnis ist sehr wichtig!

Jemand, der "schüchtern" ist - wobei ich persönlich immer sage, wer sagt er sei "schüchtern" ist nur unsicher und noch nicht selbstbewusst genug bzw. hat in dem Bereich Nachholbedarf - wird als Lehrer hemmungslos zerfleischt. Wer dann noch probiert "autoritär" zu wirken und ständig in der Klasse rumbrüllt oder drakonisch bestraft, hat komplett verloren. Die Kiddies sind nicht dumm und merken so was oft eher wie Erwachsene - und dann wird es richtig "lustig", aber nicht für den Lehrer... wir waren doch als Jugendliche damals auch nicht besser, wenn wir einen Lehrer aus welchem Grund auch immer so richtig gefressen hatten und Jugendliche oder auch Kinder sind da nicht zimperlich.

Handfeste bzw. klar zu benennende Vor- oder Nachteile beim Lehrerberuf gibt es aus meiner Sicht keine bzw. sie sind nicht sachlich begründbar.. es ist aus meiner Sicht ein Beruf, den man einfach wirklich ausüben WOLLEN muss und zwar von ganzem Herzen, also nicht weil man die Idee hat, Lehramt zu studieren und denkt, es sei gut geeignet!

Ansonsten ist man im Ländlichen Raum als "Herr Lehrer" oder "Frau Lehrerin" meist Freiwild im öffentlichen Raum, steht permanent unter Beobachtung und dürfte wie jeder, der da öffentlichkeitswirksam wo arbeitet, ständig angesprochen bzw. fast schon belästigt werden - und zwar wirklich ÜBERALL und JEDERZEIT, auch an den absolut unpassendsten Orten und Situationen.

Davon abgesehen muss man sagen: Es ist einfach anstrengend - es ist ein Beruf, der hohe Ansprüche stellt; Ansprüche, denen nicht jeder gewachsen ist. Meine Mutter ist Lehrerin für Grund- und Hauptschule und hört Ende des Schuljahres vorzeitig auf. Es war immer ihr Traumberuf, sie macht noch eine AG und war mal Beratungslehrerin, aber inzwischen werde es immer schlimmer. Das ist nicht mehr so wie früher (hier ein Film von 1959).

https://www.youtube.com/watch?v=1pGC-thN1Oc

Sie klagt laufend und teilweise berechtigt, ich höre ähnliche Litaneien auch von anderen Lehrern, die ich gut kenne. Die Kinder seien im Grundschulbereich (sie macht 3./4. Klasse und unterrichtet derzeit noch in einer Zweiten irgendwas) noch nicht einmal das Problem, es liegt woanders -----> die Eltern werden jedes Jahr blöder und schwieriger; es wird immer unangenehmer, weil die Arbeit mit den jungen Eltern und auch mancher jungen Kollegin oft sehr problematisch sei, sich keiner Mühe gebe und sich keiner verantwortlich fühle bzw. die Eltern auch oft die Erziehungsarbeit der Schule überlassen. Auch seien kleinere Schulen im Ländlichen Raum oft schlecht ausgestattet, so dass man sich auf Firmenspenden, irgendwelche Fördervereine und Bildungspatenschaften stützt - meine Mutter hält das für demotivierend und sagte schon mehrfach selber, sie würde heute JEDEM davon abraten, Lehramt zu studieren.

Ich würde es nicht machen - einige Gleichaltrige sind Lehrer geworden und klagen am laufenden Band wie auch meine Mutter. Man muss dazu aber auch sagen, dass Lehramt so in meiner Generation (bin ein 1990er) vor zehn Jahren zeitweilig deswegen populär war, weil viele dachten, es klingt halt vom Ding her einfach gut ... vormittags mit den Kiddies bisschen was arbeiten, nachmittags Freizeit, die vielen Ferien (stimmt nicht -----> nachmittags geht's erst richtig daheim los, ich sehe es bei meiner Mutter, obwohl sie viel Routine hat), die Verbeamtung auf Lebenszeit und so weiter. Das hört sich alles super an, wenn man es nicht weiß - das böse Erwachen folgt meist im Referendariat, ehe man nicht mehr verbeamtet wird und nur noch Zeitverträge kriegt.

Formemolga 
Fragesteller
 21.05.2023, 18:44

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!

Die aktuelle Situation von Lehrern ist wirklich traurig. Ich glaube, es könnte ein wirklich schöner "Beruf" sein, wenn er denn mehr gewertschätzt werden würde (von Eltern, Schülern und auch vom Staat). Ich hatte mal ein Praktikum in der Grundschule und habe mich echt wohl gefühlt, aber so viele Sachen halten mich leider davon ab, mich wirklich für diesen Weg zu entscheiden :(

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Naja es ist toller Beruf, welcher einem viel geben kann.

Jedoch verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen seit Jahren. Es verlassen freiwillig Lehrer den Beruf. Dadurch steigt die Belastung für die einzelnen Leute. Dann wird die Belastung durch Inklusion etc immer höher ohne das es angemessene Erleichterungen gibt.

Das wird in der Zukunft auch nicht besser werden, sondern eher schlimmer.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – 2 Staatsexamen

Hab im Studium einige Praktika gemacht.

  • viel Stress
  • hoher Arbeitsaufwand
  • weit mehr als 40h-Woche
  • stressige Eltern, stressige Kinder
  • viel Verwaltungskrams
  • zu große Klassen; man kann den Schülern nicht gerecht werden
  • das Studium / Ref ist völlig realitätsfern

In Schulen ist das Klassenmanagement oft schwierig. In der Erwachsenenbildung findet man kaum sein Auskommen da feste Stellen knapp sind.