Wie fange ich mit Physik an?

3 Antworten

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Hallo ImanGad,

mit 13 kannte ich die Relativitätstheorie schon, weil mir mein Großvater (selbst Laie) von ihr erzählt hatte. Auch mit Atomen und Molekülen hat er mich vertraut gemacht, aber noch recht rudimentär.

Ein besseres Verständnis dieser Dinge ging erst mit besserem Verständnis der Mathematik einher, die Vorhersagen ermöglicht. Besonders wichtig ist die äquivalente Umformung von Gleichungen.

Du kannst alle möglichen Gebiete der Physik auf verschiedenen Niveaus lernen. Für ein sehr grundlegendes Niveau braucht es noch nicht viel Mathematik. Darüber hinaus musst Du gleichzeitig die Mathematik lernen, die dazu gehört, die folgendes einschließt, ohne darauf beschränkt zu sein:

Vektoren

Auf ganz abstrakter Ebene sind Vektoren mathematische Objekte, die sich miteinander addieren und mit Skalaren (das sind meist einfach Zahlen, in der Physik oft mit Maßeinheiten) multiplizieren lassen. Ein Beispiel dafür sind Zahlentupel aus mehreren Zahlen, die man Komponenten nennt. Es gibt aber auch sehr konkrete Beispiele wie eine räumliche Verschiebung, eine Geschwindigkeit, ein Impuls, einer Beschleunigung und eine Kraft.

Ein Vektor ist dann durch seinen Betrag und seine Richtung definiert. Er lässt sich im konkreten Fall durch Pfeile darstellen, wobei zwei Pfeile mit gleicher Länge und Richtung zwei verschiedene Repräsentanten desselben Vektors sind.

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Abb.: Ein Ortsvektor ist eigentlich nur ein Repräsentant eines Vektors, der an einem Referenzpunkt O beginnt, dem Ursprung eines von O aus definierten Koordinatensystems. Dieses besteht aus drei sog. linear unabhängigen Vektoren (in diesem Fall heißt das, dass sie nicht in einer Ebene liegen), idealerweise senkrecht zueinander mit derselben Länge, die eine Basis des dreidimensionalen Raumes bilden.

Funktionen

Eine Größe, in der Mathematik oft x genannt, die unterschiedliche Werte annimmt respektive ein ganzes Kontinuum von Werten, heißt Variable. Eine andere Variable y kann von x abhängig sein, und zwar dahingehend, dass es zu einem gegebenen x- Wert genau einen y- Wert gibt. Dann ist y eine Funktion von x, man schreibt

(1) y = f(x) oder einfach y(x).

Wenn sich für beliebig kleine Änderungen von x auch y nur beliebig wenig ändert, heißt die Funktion stetig. Auch die Komponenten von Vektoren oder Ortsvektoren können Funktionen einer Variablen sein, z.B. der Zeit,

(2.1) x(t), y(t) und z(t).

Die drei Funktionen zusammen ergeben dann eine räumliche Kurve (die ohne weiteres auch eine Gerade sein kann, die Mathematik verallgemeinert Begriffe häufig).

Ein einfaches Beispiel ist der vertikale freie Fall: Hier fällt ein Körper ab t = 0 aus einer Höhe z₀ und beschreibt eine nach unten offene halbe Parabel:

(2.2) z(t) = z₀ − ½∙g∙t²,

wobei g der Betrag der Fallbeschleunigung ist. Natürlich gilt (2.2) nur bis t = √{2∙z₀⁄g} gilt, wenn der Körper den Erdboden z = 0 erreicht.

Differentiation

Oft ist es nützlich zu wissen, wie stark sich der Funktionswert mit der Variable ändert, und zwar an einer einzelnen Stelle x₀. Dafür nimmt man zunächst den Differenzenquotienten

(3.1) (y(x₀ + h) − y(x₀))/h.

Dann versucht man den Grenzwert für h→0 zu bilden, wozu man natürlich h aus dem Nenner herausbekommen muss. Wenn es diesen Grenzwert von rechts (h > 0) und links (h < 0) gibt und beide gleich sind, heißt die Funktion differenzierbar und der Grenzwert

(3.2) limh→0 (y(x₀ + h) − y(x₀))/h =: y'(x₀)

die Ableitung von y in x₀. Das kann man natürlich für jeden x- Wert machen, und dann bekommt man die Ableitungsfunktion y'(x). Das muss man nicht mühsam für jeden Punkt einzeln machen. Ein einfaches Beispiel ist y = x²; dann ist

(3.3) limh→0 ((x₀ + h)² − x₀²)/h
            = limh→0 (x₀² + 2x₀h + h² − x₀²)/h
            = limh→0 2x₀ + h = 2x₀,

egal was x₀ ist. Daher ist y'(t) = 2x. Die Ableitung additiver Konstanten ergibt 0, Vorfaktoren bleiben erhalten.

Bei Ableitungen nach der Zeit schreibt man in der Physik gern einen Punkt über der Funktion. Ein konkretes Beispiel ist die momentane Fallgeschwindigkeit des Körpers aus Gleichung (2.3):

(3.4) ż(t) = −g∙t

Auch für ż(t) gibt es wieder eine Ableitung,

(3.5) z̈(t) = −g,

die Fallbeschleunigung. In der Physik schreibt man statt ż(t) auch gern dz⁄dt. Dabei stellt man sich vor, dass man eine sehr, sehr kleine z- Differenz dz durch eine ebenfalls sehr, sehr kleine t- Differenz dt teilt. Dabei wird häufig d⁄dt als Operator aufgefasst, der mit z(t) quasi multipliziert wird. Der Operator für zweimalige Ableitung ist d²⁄dt², sodass z̈(t) = d²z⁄dt² ist.

Integration

Die Integration ist praktisch das Gegenteil der Differentiation. Die ursprüngliche Idee von RIEMANN besteht darin, die Fläche zwischen einem Funktionsgraphen y(x) und der x-Achse in winzige Streifen der Breite dx aufzuteilen, sodass sich zwischen x und x+dx der y-Wert kaum ändert. Die werden dann aufaddiert, wobei Flächen unter der x-Achse negativ zu zählen sind. Üblicherweise integriert man nur von einem x- Wert x₁ bis zu einem x-Wert x₂ und schreibt

(4.1) x₁x₂dx (y(x)).

Im Idealfall findet man eine Funktion Y(x) mit der Eigenschaft Y'(x) = y(x), die dann auch eine Stammfunktion von y(x) heißt. Die Addition von Konstanten ändert nichts, es bleibt eine Stammfunktion, weil die additive Konstante abgeleitet 0 ergibt. Dann ist die Integration sehr einfach:

(4.2) x₁x₂dx (y(x)) = Y(x₂) − Y(x₁).

Konkret bekommt man die Geschwindigkeit aus der Beschleunigung durch Integration, muss dann allerdings noch eine mögliche Anfangsgeschwindigkeit berücksichtigen.

-- Baustelle --

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Lernen, Bildung, Physiker)
SlowPhil  16.07.2023, 13:54

Vielen Dank für den Stern!

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Wichtig ist, dass du Fragen hast. Was interessiert dich an der Physik? Was möchtest du verstehen? - Es sind die Fragen, die dich motivieren und antreiben. Was in der Schule besprochen wird, ist meist eher langweilig. Denn da werden vor allem die Antworten gegeben.

In der Physik musst du mal die Grundbegriffe kennen. Dazu eignen sich Physik I, Physik II und Physik III von Sexl, Rab, Streeruwitz. Achte darauf, dass du verstehst, wie die Physiker auf die Formeln kommen. Weshalb sind die Formeln genau so und nicht anders? Wenn du das einmal verstanden hast, kannst du auch selbst weitere Formeln herleiten.

Weiter habe ich es immer sehr inspirierend gefunden, zu lesen, worüber sich die grössten Physiker heute Gedanken machen. Dazu brauchst du oft gar nicht so viel Mathematik. Denn viele haben das in populärwissenschaftlichen Büchern geschrieben. Einer meiner Favoriten ist Carlo Rovelli. Du findest auch Vorträge von ihm im Internet (auf Englisch und Italienisch). Auf Deutsch ist z. B. sein Buch: 'Die Wirklichkeit, die nicht so ist, wie sie scheint' zu empfehlen.

In der Zeitschrift 'Spektrum der Wissenschaft' findest du immer wieder hervorragende allgemein verständliche Artikel zu den aktuellen Fragen und Entdeckungen der Physik.

Zur Philosophie der Quantenphysik gibt es eine ganze Reihe guter populärwissenschaftlicher Bücher. Eine Sammlung von guten Artikeln hochkarätiger Physiker findest du in: "Quantenphilosophie" - Spektrum Akademischer Verlag. Die Erklärungen sind ausserdem hervorragend illustriert, was bei anderen Büchern meist nicht der Fall ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium und Hobby
Roland22  14.07.2023, 15:18

... das für 249 € ? Und wenn man dann nur Bahnhof versteht ... ☹️

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diderot2019  14.07.2023, 15:27
@Roland22

Natürlich kaufst du nicht alle gleichzeitig. Ich würde mit dem Sexl/Raab Physik 1 anfangen. Wenn du das toll findest kaufst du den zweiten. Im dritten sind dann die Quanten- und die Relativitätstheorie.

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Ich empfehle: Lass die Sachen, die du nicht verstehst, erst mal beiseite. Fange mit den Sachen an, die Du verstehst. Damit schaffst du die Grundlagen, um dann auch die Sachen verstehen zu können, die Dich jetzt noch überfordern. Das gilt besonders für die Mathematik. Wer die Arithmetik und Algebra im Griff hat, findet auch den Einstieg in die Infinitesimalrechnung. Andersrum klappt es nicht.