Was passiert wenn der Tod an der Wand hängt?

16 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Leider kenne ich keine wissenschaftliche Studien. Vielleicht solltest du die Frage nochmal bei wer-weiss-was.de stellen, dort halten sich ab und zu Experten auf, die das möglicherweise wissen.

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Ich kann dir nur meine Meinung dazu sagen.

Diesen Film (Die Tür der Versuchung, Trailer: http://www.kino-zeit.de/filme/trailer/the-door-in-the-floor-die-tur-der-versuchung) habe ich auch gesehen.

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Im Unterschied zu einer Ahnengalerie, Bilder von längst verstorbenen Familienmitglieder, die Ehrenplätze an die Wand bekommen, ist hier ein ganzes Leben der verstorbenen Kindern auf unzähligen Fotos zu sehen.

Ich sehe diese Bilder als Protestschrei der Eltern, als Weigerung die Wahrheit anzunehmen und Abschied zu nehmen. Nicht der Tod hängt an der Wand, sondern das Leben.

Und wenn die Bilder als eine Art Kult, als Altar und in Überzahl im Leben der Familie präsent sind, dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sich das negativ auf Entwicklung der Kinder auswirkt.

Auch dass sich die mögliche Depression (wie im Film bei der Mutter des Mädchens) und die Trauer der Eltern auf die nachfolgenden Kinder negativ auswirkt und/oder überträgt. Dass die sich vielleicht einsam fühlen oder nicht wichtig oder nicht gut genug, weil auch nicht in der Lage den Eltern Trost zu sein.

Ich könnte mir weiter vorstellen, dass die Kinder in einer Art von vergeblichen Konkurrenzkampf zu den verstorbenen Kindern antreten und um Gunst der Eltern buhlen. Dass sie den Tod fürchten, weil der als Mahnmal und als Schreckgespenst allgegenwärtig ist und ihre Eltern in den Krallen hält.

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Das Mädchen in dem Film war noch sehr jung, so könnte man nur orakeln wie sich das Ganze auf sie in erwachsenen Alter ausgewirkt hat.

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Dass ein solcher Verlust etwas ganz Schlimmes ist, das ist unbestreitbar. Ich mag mir gar nicht vorstellen welche Schmerzen das den Eltern bereitet(e).

Dass sie sich aber ihren verblieben ("neuen") Kindern zuliebe nicht helfen lassen und in ihrem Leid leben bleiben, das finde ich sehr traurig.

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Die Mutter in dem Film hat ihr Kind verlassen und hat sich mit den Bildern ihrer verstorbenen Kindern aus dem Leben der Tochter entfernt, weil sie sich nicht in der Lage fühlte, ihr eine gute Mutter zu sein.

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In echtem Leben gibt es psychologische Hilfe, Trauergruppen, die dabei behilflich sind mit der Trauer fertig zu werden oder damit umzugehen.

Auch Kinder, die mit der Trauer der Eltern, mit dem Tod selbst und mit dem eigenem Leid, der daraus hervorgeht, nicht zurecht kommen, sollten sich am besten von Fachkräften helfen lassen.

Wie stark das die Kinder beeinflusst, ist sicher nicht so einfach pauschal zu sagen. Ich kann es mir aber nicht vorstellen, dass Kinder unbeschadet davon kommen, wenn die Eltern in ihrer Trauer verharren und in solchen Ausmaß, wie in dem Film trauern.

Es ist sicher eine schwere Bürde, manche zerbrechen daran, manchen gelingt es aus der Situation heraus zu wachsen.

Was immer hilft, ist den Blick nach vorne zu richten, sich stark zu machen und sich selbst zu achten, das Leben auszufüllen mit schönen Dingen und guten Menschen und das Hier und Jetzt so gut es geht zu genießen.

roma2701 
Fragesteller
 04.11.2010, 21:19

Danke für deine unglaublich gute Antwort, liebe Aurata! Wahrscheinlich ist es für solche Kinder tatsächlich sehr wichtig ihr Leben intensiv und ausgefüllt zu leben, schließlich ist es nicht ihr Leben, das an der Wand hängt. Ich frage mich auch, wie und ob man den Eltern helfen könnte. Sollen sie das Leben abhängen und Abschied nehmen, oder ist es nicht leichter und angenehmer zu protestieren - vor allem wenn das Leben so grausam ist.

PS: Ich finde deine Antworten einfach toll! :-)

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aurata  05.11.2010, 11:45
@roma2701

..."sehr wichtig ihr Leben intensiv und ausgefüllt zu leben"...

Ja, das ist eine hilfreiche Maßnahme - nicht nur für Kinder.

Ich denke nicht, dass man geliebte Menschen, die man verloren hat einfach so mit bloßen abhängen der Bilder verabschieden kann. Man muss aber auch nicht jemanden Bild anschauen, um ihn in Herzen zu tragen.

Den Eltern helfen kann man NUR, wenn sie sich bewusst sind, dass sie Hilfe brauchen und wenn sie Hilfe annehmen möchten.

Aber ein Kind ist nicht dazu da, den Eltern zu helfen. Vielleicht später mal als Erwachsener, wenn sich die Augenhöhe angleicht... aber als Kind ganz bestimmt nicht.

"Sollen sie das Leben abhängen und Abschied nehmen, oder ist es nicht leichter und angenehmer zu protestieren - vor allem wenn das Leben so grausam ist."

Es ist immer leichter das Jetzt aufzugeben, wenn es zu grausam ist und in einer Scheinwelt zu leben. Wenn sich der Protest in Resignation und Depression äußert und wie in dem Film die Eltern hindert dem hinterbliebenen, 'neuen' Kind Liebe und Freude am Leben zu vermitteln, dann ist es sicherlich nicht angenehmer und leichter sie in diesem Zustand verharren zu lassen.

Hier in dem Film, ist aber das Leben nicht NUR grausam: das Leben ist grausam, es nahm uns die geliebte Kinder... das Leben ist schön, es gab uns ein neues Leben, ein neues Kind.

Da man keinen Mensch ersetzen kann, entsteht hier ein Konflikt. Sind die Eltern den zweiten Teil des Satzes nicht fähig anzunehmen, dann ist Hilfe von außen notwendig.

Für ein Kind, das nichts anders kennt, als mit Tod und Leid der Eltern zu leben, ist in der Situation erst mal keine Ungewöhnlichkeit erkennbar. Ob und wie weit das Leben des Kindes beeinträchtigt wird und welche Schäden es davon trägt, stellt sich meist erst in Erwachsenenleben heraus.


Und Danke schön - auch für den Stern! :-)

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Fortsetzung meines Beitrages:


Wenn wir denken, dass es eher Zufall war, dass diese Menschen ihren Körper verlassen haben, so zeigt die Unterhaltung mit diesen Verstorbenen, dass sie das selbst vor ihrem neuen Einstieg in das letzte Erdenleben so geplant hatten und niemand anders.

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Als sie alle ihre Erfahrungen hier gemacht hatten, führte sie ihr Erfahrungsplan auf eine andere Ebene, wo sie ihren Körper nicht mehr benötigten, oder wo sie dann Erfahrungen machen konnten, bei denen ihnen sowohl ihr Körper, als auch die bisherige Umgebung hinderlich war. Da diese Erfahrungen in Dimensionen stattfinden, von denen unser Verstand keine Ahnung hat und das auch nicht begreifen würde, weil er eben nur Anhaltspunkte in dieser Dimension hat, ist es auch so schwierig deutlich zu machen, dass unsere vorausgegangenen Lieben diese Erfahrungen nur ungestört machen können.

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Während ihres Erdenlebens war der Körper die Hülle, die Seele, Geist und Gefühle, sehr stark von geistigen und gefühlsmäßigen Einflüssen abschirmte, die von Außen kamen, weil eben die Materie so sehr viel dichter ist, als ihre jetzige Existenz.

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Ohne Körper kommen Gedanken und Gefühle ohne weiteren Filter oder „Durchdringungsschutz“ und in Echtzeit (also sofort) bei ihnen an und das kann manchmal so heftig sein, dass sie ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr nachgehen können.

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Aus diesem Grund hat sich im Laufe der Zeit der Wunsch „Mögen sie in Frieden ruhen !“ eingeprägt und erhalten, doch wir lassen ihnen auf diese Weise keinen Frieden. Sie sind auch nicht dafür vorausgegangen, dass sie ständig nur mit einem einzigen Gedanken der Trauer als Impuls zu uns gezogen werden und dabei ihre eigene Erfahrungs-Welt und Aufgaben verlassen müssen. Du kannst eben einfach nicht vernünftig arbeiten, wenn Du ständig von einem anderen Egomanen gestört wirst, der ganz rücksichtslos nur sich selbst wichtig nimmt.


Dabei wäre es ihnen viel angenehmer, wenn wir ihnen nur liebevolle Gedanken schicken würden...

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Luise  24.09.2010, 10:04

Sehr schöne Antwort. Danke dafür!

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Jeanmarie  24.09.2010, 11:51
@Luise

Gerne geschehen ! Man gibt sich halt doch ein bisschem mehr Mühe, um zu helfen...


...auch wenn die Fragestellerin scheinbar nichts damit anzufangen weiß.

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Dann freuen sich eben andere !

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HealingHans  24.09.2010, 18:33
@Jeanmarie

Ja schade, dass manche Leute Fragen stellen und sich einfach nicht mehr darum kümmern, auch wenn sie viele ganz wunderbare Antworten erhalten.

Dann Danke ich Dir wenigstens für diese tolle antwort !

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roma2701 
Fragesteller
 25.09.2010, 17:13
@HealingHans

Wie kommt es, dass mir schon nach einem (!) Tag mangelndes Feedback vorgeworfen wird? Zum einen hatte ich die Antworten doch längst bewertet, außerdem nehme ich mir einfach gerne ein bisschen Zeit, um gegebenfalls auf Antworten eingehen zu können. Und ich finde es leicht befremdlich, wenn Dankbarkeit eingefordert wird. ;-)

Und warum werde ich immer wieder als Fragestellerin eingeordnet? :D

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andisazi  24.09.2010, 23:08

Auch ein Danke für die Antwort - und eine Frage: Glaubst du, daß der alltägliche Lern- und Erfahrungsprozeß nach der "Versetzung" genauso weitergeht oder daß er sich beschleunigt/verlangsamt/fast zum Stillstand kommt?

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Als Kind begreift man die Dimension des Todes und der eigenen Endlichkeit mit fruehestens mit 8, 9 Jahren, glaube ich. Auch kann man sich in die Trauer der Eltern nicht wirklich hineinfuehlen. Kinder betrachten eigentlich nur, welche Auswirkungen die Situation auf sie selbst hat. Um die Geschwister trauern tut so ein Kind nicht, wenn es sie nicht kennengelernt hat.

Praegenden Einfluss duerfte weniger eine Omnipraesenz haben, als die Frage, wie die Eltern den Tod der Geschwister vermitteln. Vermitteln sie es als Problem, dann kann das so ein Kind schon schwer belasten und wohl alle moeglichen Probleme ausloesen.

roma2701 
Fragesteller
 25.09.2010, 16:16

Vielen Dank für deine Antwort. Möglicherweiße begreifen Kinder, die früh mit dem Tod in Berührung kommen die von dir genannten Dimension eher? Erscheint mir jedenfalls eine plausible und wahrscheinliche Konsequenz zu sein.

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Das kommt ganz darauf an, wie in der Familie die "Trauerarbeit" (gräßliches Wort) geleistet wurde:

Werden die Überlebenden mit den Toten verglichen oder gar an ihnen gemessen? Das ist krank und macht krank, vor allem, weil es keine Abwehr gibt.

Signalisieren die Eltern, daß es nichts mehr gibt, was ihnen noch richtig Freude bereiten kann, auch nicht ihre lebenden Kinder? Das ist krank und macht krank, weil es keine Interventionsmöglichkeit gibt.

Fühlen sich die Überlebenden schuldig und möchten lieber tot sein? Auch das gibt´s und ist krank. Darunter leiden manche Eltern, daß sie ihre lebenden Kinder nicht mehr erreichen.

Erfahrung: an dieser Stelle merkt man ganz deutlich, was Menschen glauben, ob es nun ein Totalverlust für die Ewigkeit ist oder ein schrecklich schweres Schicksal, das gleichwohl nicht perspektivlos ist, weil auch die Toten nicht einfach futsch und verloren sind.

quopiam  23.09.2010, 11:11

Sehr gute Antwort!! Gruß, q.

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roma2701 
Fragesteller
 25.09.2010, 16:12

Vielen Dank für deine Antwort. Auf Grund meines fehlenden Glaubens habe ich den Aspekt der Religiösität der Hinterbliebenen bisher unterschlagen, obwohl der sicherlich eine Rolle spielt. Danke für deine Gedanken. :-)

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Bei mir in der Wohnung stehen die Fotos meiner verstorbenen Eltern sowie einige Fotos von meinem verstorbenen Mann. Er starb bereits mit 44 Jahren, daher waren die Kinder noch relativ jung. Auch das Foto von meinem besten Freund, meine Enkelkinder bezeichneten sie, als sie noch klein waren, als ihren leihopa, weil sie ja keinen richtigen mehr hatten. Leider ist er auch früh gestorben. Aber meine Kinder hatte nie Probleme mit diesen Fotos. Sie sahen sie, akzeptierten sie, aber fürchteten sich nicht davor.

roma2701 
Fragesteller
 25.09.2010, 16:18

Vielen Dank! :-)

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