Was meint Kant mit "Der Mensch ist sein eigener letzter Zweck"?

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Die Aussage über den letzten Zweck beruht darauf, dass der Mensch nach Auffassung von Kant als Selbstzweck (Zweck an sich selbst) existiert. Der Mensch setzt selbst Ziele und bestimmt damit Zwecke.

Fortschritte der Menschen in der Kultur sind Mittel und haben das Ziel einer Anwendung in der Welt und am wichtigsten ist dabei eine Anwendung, die Menschen zugute kommen soll. Dies kann auch als Feststellung eines Egoismus im Verhältnis zu anderen Gattungen eingestuft werden.

Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790). Zweiter Teil. Kritik der teleologischen Urteilskraft. Anhang. Methodenlehre der teleologischen Urtheilskraft. § 82. Von dem teleologischen System in den äußern Verhältnissen organisierter Wesen. AA V, 426 – 427:

„Wenn man das Gewächsreich ansieht, so könnte man anfänglich durch die unermeßliche Fruchtbarkeit, durch welche es sich beinahe über jeden Boden verbreitet, auf den Gedanken gebracht werden, es für ein bloßes Produkt des Mechanisms der Natur, welches sie in den Bildungen des Mineralreichs zeigt, zu hallten. Eine nähere Kenntnis aber der unbeschreiblich weisen Organisation in demselben läßt uns an diesem Gedanken nicht haften, sondern veranlaßt die Frage: Wozu sind diese Geschöpfe da? Wenn man sich antwortet: für das Tierreich, welches dadurch genährt wird, damit es sich in so mannigfaltige Gattungen über die Erde habe verbreiten können: so kommt die Frage wieder: Wozu sind denn diese Pflanzen-verzehrenden Tiere da? Die Antwort würde etwa sein: für die Raubtiere, die sich nur von dem nähren können was Leben hat. Endlich ist die Frage: wozu sind diese samt den vorigen Naturreichen gut? Für den Menschen, zu dem mannigfaltigen Gebrauche, den ihn sein Verstand von allen jenen Geschöpfen machen lehrt; und er ist der letzte Zweck der Schöpfung hier auf Erden, weil er das einzige Wesen auf derselben ist, welches sich einen Begriff von Zwecken machen und aus einem Aggregat von zweckmäßig gebildeten Dingen durch seine Vernunft ein System der Zwecke machen kann.“

Etwas weiteres Grundsätzliche an der Sache kommt im Zusammenhang mit Ethik vor.

Eine  Formel des kategorischen Imperativs (Selbstzweckformel/Menschheitszweckformel) bezieht sich auf Zwecke als Gegenstände des Willens.

eine der Textstellen:

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785. 2. Auflage 1786). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen. AA IV 428/BA 64 - 65:  

„Nun sage ich: der Mensch, und überhaupt jedes vernünftige Wesen, existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauch für diesen oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen, sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden.“

Zweck: Ein Zweck ist ein Ziel, zu dessen Erreichen etwas geschieht. Ein Zweck ist also etwas, das beabsichtigt wird, etwas, das erstrebt wird, etwas, das zu erreichen und zu bewirken versucht wird. Ein Zweck kann Beweggrund für ein Handeln sein.

Zwecke stehen in Beziehungen zu Mitteln. Ein Mittel ist etwas, das benutzt/einsetzt wird, um etwas zu verwirklichen. Ein Mittel dient also dem Erreichen eines Zwecks. In einer Zweck-Mittel-Beziehung ist das Mittel dem Zweck untergeordnet und der Zweck dem Mittel übergeordnet. Ein Zweck kann seinerseits einem anderen, höherrangigen Zweck als Mittel untergeordnet sein.

Bei der Aussage von Kant geht es um einen Zweck an sich selbst, also einen Selbstzweck. Sie enthält einen Gedanken einer Selbstzweckhaftigkeit des Menschen, der als Person (Individuum, das ein vernunftbegabtes Wesen ist) Freiheit und einen Willen hat, sich selbst Zwecke zu setzen. Menschen sind nicht bloße Objekte, sondern auch Subjekte, die ihr Handeln bestimmen wollen.

Ein Zweck an sich selbst ist nach Kants Auffassung ein Zweck, dessen Dasein an sich selbst einen absoluten Wert hat und an dessen Stelle kein anderer Zweck gesetzt werden kann, dem sie bloß als Mittel dienen sollen. Menschen sind keine Sachen, sondern Personen. Allen vernünftigen/vernunftbegabten Wesen kommt Würde als Zweck an sich selbst zu. Denn sie sind ihrer Natur nach autonome gesetzgebende Subjekte darin, sich Zwecke zu setzen. In ihnen ist ein Wille anzutreffen, der Vorstellung gewisser Gesetz gemäß sich selbst zum Handeln zu bestimmen. Diese Selbstzweckhaftigkeit ist unbedingt zu achten. Sie ist ein uneingeschränkt für alle Menschen gültiger Zweck. Würde ist ein absoluter innerer Wert. Menschen haben sie durch ihr Menschsein.

IbimsNicht843 
Fragesteller
 29.03.2022, 21:54

Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort! Kant ist zwar bei der Klausur letztlich nicht drangekommen, aber die Antwort hätte mir sicherlich um Einiges bei der Arbeit geholfen und ein bisschen Philosohieren kann ja nicht schaden :-)

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Wenn ich das Zitat richtig verstehe bedeutet es doch: Alles soll für die Welt angewendet werden.

Aber alle Fortschritte sind oder sollten für den Menschen da sein, weil für die Fortschritte für den Menschen gemacht, also der Zweck des Fortschritts nach diesem Zitat der Mensch ist.

Zweck: Er erfuellt den Fortgang der Evolution.

Sinn? NULL :.)