Klausur: Ist der Mensch gut oder böse?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Zuerst muss man die Denkweisen vergleichen. Das ist das Mindeste, was du wissen musst:

Th. Hobbes geht vom naturgegeben bösen Menschen aus (Krieg aller gegen aller sei der Naturzustand), weshalb der absolute (gesetzlos freie) Monarch in seinem Gottesgnadentum seine Untertanen beherrschen muss.

Th. von Aquin geht vom naturgegebenen Patriarchat (= Männerherrschaft) aus, denn nur der Mann sei gottesebenbildlich, die Frau als Mensch misslungen, deshalb muss sie das Leid des Kindergebärens für den Mann ertragen. Die römisch-katholische Kirche, die den absoluten Monarchen absegnet, sei daher ebenfalls naturgegeben. PS: Der größte Volltrottel!

I. Kant geht von der naturgegebenen Verschiedenheit der Menschen aus, sie seien außerdem nicht nur Vernunftwesen, sondern auch Lebewesen mit tierischen Bedürfnissen, deshalb müsse der Frieden mit höchsten Gesetzen (Buch "Zum ewigen Frieden") weltweit gestiftet werden. Im Alltagsleben der Menschen bräuchte man dazu den "kategorischen Imperativ".

J.-J. Rousseau geht vom naturgegeben guten Menschen aus. Aber durch die ständige absichtliche Vernichtung dessen Freiheit würde er zum Bösen gezwungen werden. So seien die gewaltvolle Erziehung mit vom Kind extrinsischen (= außerhalb liegenden) Zielen und die Monarchie das Schlimmste, was es für den liebevollen kindlichen Menschen gäbe. Deshalb ist er auch für die staatliche Gewaltenteilung, die Demokratie, weil er Realist ist.

Welche Denkweise ist nun noch anders? Zum Beispiel >

F. Nietzsche geht vom Menschen als zum "Übermenschen" strebendes Lebewesen aus. Das christlich Gute der Nächsten- und Feindesliebe sei die "Moral der Sklaven", die nur zum Untergang der Menschen führe. Nur "der Wille zur Macht" sei natürlich und sinnvoll, deshalb von Natur aus gut! Wobei er nur den Mann als Menschen kennt, aber die Frau natürlich-naturgegeben nicht. PS: Ein armer Irrer!

K. Lorenz (Buch "Das sogenannte Böse" 1963) ist die Aggression des Individuums gegen andere naturgegeben so wie die Regression des Individuums in die Gemeinschaft. Beides sei überlebensnotwendig - als Kampf um Ressourcen beziehungsweise als Paarungsbereitschaft. Das ethische Böse sei das Besondere des Menschen, eine perverse Triebsteuerung (vgl. Rache als Pseudogerechtigkeit, Sadismus, Masochismus), die leider sogar vererbbar zu sein scheint. Es gäbe vielleicht ein "Verbrecher-Gen" (vgl. Milieu-Theorie der Soziologie).

K. Jaspers geht von einem unethischen Neugeborenen aus. Erst wenn der Mensch die Folgen seines Verhaltens bei anderen Menschen erkenne, erkenne er auch die damit verbundenen positiven und negativen Gefühle bei anderen und sich selbst. Und nun sei der Mensch gefordert, zwischen den Alternativen von Gut und Böse zu entscheiden, zwischen den eigenen und denen der Gemeinschaft (vgl. positive (= aufgestellte) ethische Werte gegen das Naturrecht des im Speziellen des Überlebenskampfes Stärkeren). So handle er dann gut oder böse - oder immer gut und böse, weil alles zwei Seiten habe.

Viel Erfolg!

Philosoph20 
Fragesteller
 01.11.2022, 17:13

Vielen Dank für die ausführliche Antwort erstmal! Im Unterricht wurde uns gesagt, der Mensch sei nach Rousseau im Naturzustand einzigartig, ich war allerdings in Form eines Vergleichs von Hobbes und Rousseau davon ausgegangen, dass beide Betrachtungsweisen eine gewisse Gleichheit aller Menschen voraussetzen müssten, um überhaupt Aussagen über eine einheitliche Zuschreibung von gut oder böse vornehmen zu können. Außerdem sei sich der Mensch nach Rousseau ja selbst genug, was doch irgendwie impliziert, dass er gar nicht das Bedürfnis hat, sich selbst zu entwickeln und zu charakterisieren und somit von anderen zu unterscheiden. Weißt du/Wissen Sie zufällig was genau mit Einzigart des Menschen im Naturzustand gemeint ist?

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Skoph  01.11.2022, 20:58
@Philosoph20

Deine Gedanken sind sehr gut, nur meine Antworten darauf werden zu schlecht sein:

Hobbes und Rousseau lebten weit

  • vor der Erkenntnis der biologisch physischen Evolution,
  • erst recht vor der rational psychischen des bzw. der Menschen (Vgl. Goethes FAUST I+II erst um und nach 1800, Beethovens 1. Sinf. 1799 Beginn: das erste sich entwickelnde Motiv in der Musik).

Wir könnten die typischen Kreationisten der USA ohne modernes Wissen befragen, denn es fällt mir zu schwer so ignorant zu denken, wie diese und Hobbes und Rousseau u.a.m. jener geistes- und naturwissenschaftlichen Vergangenheit denken mussten.

  • Es gab ja auch keine Gefühle (Emotionen, emotional-soziale Intelligenz) des Menschen; er war ein wertloses, nur besonderes Tier mit der natürlichen Gewalttätigkeit unter der totalen, umfassenden Fuchtel des Adels und des Klerus. Die Affektenlehre (= an den Verstand angeheftete, diesen kurzzeitig sehr störende Leidenschaften; positive waren z. B. nicht Liebe, weil sie bei Verheiratungen störte, negative wie z. B. Hass auch nicht, weil er bei Rachetaten half, die ja als natürliche Mittel zur Gerechtigkeit verstanden wurden) herrschte.

Das war also damals der Mensch im Naturzustand, meilenweit weg von der heutigen Vorstellung von der Natur des Menschen. Die Menschen (damals immer nur die Männer gemeint) waren sich alle folglich wesentlicher gleicher als heute. Die Einzigartigkeit eines Mannes muss damals also sehr sehr beschränkt gewesen sein - und immer nur im Vergleich (!!) zu Tieren gemeint (vgl. wieder das fehlende Wissen von der Evolution).

Hilft dir das schon?

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Es darf nicht darum gehen, Philosophen miteinander zu vergleichen, sondern deren Erkenntnisse. Außerdem ist die Natur des Menschen unterschiedlich durchwachsen.

Das ist schwer zu sagen, da es viele verschiedene Positionen zu diesem Thema gibt. Möglicherweise wäre ein guter Vergleichspartner für einen der oben genannten Philosophen Nietzsche, da er eine sehr kontroverse Auffassung vom Menschen hat.