Warum sind Taliban und Islamischer Staat verfeindet?

7 Antworten

Beides sind sunnitische Gruppen, das unterscheidet sich eher im Detail (Wahabi vs. Deobandi, wenn das überhaupt ein durchgängiges Unterscheidungsmerkmal ist).

ISIS ist eine international besetzte Gruppe, die Taliban rekrutieren sich aus den lokalen afghanischen Stämmen. Während ISIS ein globales Kalifat vorschwebt, sind die Taliban primär an der Macht in Afghanistan interessiert. Dazu sind die Taliban dann auch mal temporär bereit, mit "Ungläubigen" zu kooperieren - ISIS ist da noch radikaler.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ehemaliger Kommunalpolitiker und Mandatsträger
  • Die Taliban sind Rechtsextreme,
  • Die IS-Anhämger sind (Rechts-)Terroristen, also noch extremer/kompromissloser;

Ich weiß nicht, ob wir ne vergleichbare Situation hatten, ist eben schwer zu erklären. Na, vielleicht mit Hitler:

Hitler's Idealbild von Menschen waren blonde, blauäugige Menschen. Das heißt aber nicht automatisch, dass er alle Anderen (Brünette, grün-, braunäugige, usw.) umbringen hätte lassen.

  • Die Nazis waren in dieser Hinsicht "nur" Rechtsextreme.
  • Rechtsterroristen hätten die Anderen allesamt kompromisslos umgebracht.

Ein weitere Beispiel wäre da vielleicht:

China's Kommunismus gegen den Sowjetischen Kommunismus

Gegen Ende hin, wären die 2 ziemlich verfeindet.

Woher ich das weiß:Recherche

Es geht - wie eigentlich immer - um Macht und Geld. Obwohl also beide Gruppierungen sunnitisch sind und auch ihre Absichten in ähnliche Richtungen laufen, so stehen sie sich selbst halt doch am nächsten und möchten die Zügel der Macht gerne selbst in Händen halten.

So viel irdisches Interesse hat dann eben auch ein gottesfürchtiger Diener Allahs noch.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Die Ideologie und die Unterschiede sind nachfolgend beschrieben. Es gibt bei diesen islamistischen Gruppierungen viele Unterschiede, weswegen man sie nicht alle in einen Topf werfen sollte. Die Ziele unterscheiden sich teils sehr stark voneinander.

Mudschahid ist jemand, der sich bemüht bzw. anstrengt. Hintergrund ist der sogenannte Dschihad, der mit Anstrengung übersetzt werden kann. Beide Wörter haben dieselbe arabische Wurzel.

Häufig wird der Terminus Dschihad fälschlicherweise mit heiliger Krieg und Mudschahid mit Gotteskrieger übersetzt. Diese Übersetzung ist allerdings irreführend und so nicht zutreffend.

Der Islam differenziert zwischen zwei Formen des Dschihad: zwischen dem kleinen und großen Dschihad.

Der große Dschihad beschreibt einen Kampf mit sich selbst, d. h. es geht darum ein besserer Muslim zu werden:

Der "größte oder große Dschihad" [...] ist der Kampf gegen das Böse im Herzen des eigenen Ich, die Anstrengung gegen eine niedrige Stufe der Seele, die zum Bösen gebietet [al-nafs al-ammara]. Dabei wird die innere Läuterung zur moralischen Vervollkommnung angestrebt. Mittel bei diesem schweren Einsatz sind die zahlreichen Riten des Islam, wie auch z.B. das Bittgebet und vieles andere mehr. Allheilmittel gegen Krankheiten der Seele ist unter anderem die Dankbarkeit sowie die Buße.

Der kleine Dschihad beschreibt einen Verteidigungskrieg, wenn die islamische Welt angegriffen wird:

Der "kleine" oder "äußere Dschihad" [...] besteht in jeder Form der zulässigen Verteidigung von Muslimen, sowie jede andere Form der gottgefälligen Anstrengung, wie z.B. das Stillen der eigenen Kinder gehören in diesen Bereich des Dschihad. Ein Angriffskrieg oder eine gewaltsame Verbreitung des Islam, welche oft fälschlicherweise mit dem Begriff Dschihad in Verbindung gebracht wird, ist im Islam absolut verboten. Selbst diejenigen, die z.B. in ihrer Funktion als Kalif einen "Dschihad" zu Kampfzwecken ausgerufen haben, wie z.B. bei der Erklärung des Dschihad durch Sultan Mehmed V., haben dieses immer auf eine Verteidigung bezogen.

Die große Frage, die sich stellt, lautet also: Wann dürfen sich Muslime verteidigen? Islamistische Gruppierungen sehen schnell einen Angriff des Westens und rechtfertigen so Anschläge und andere Gräueltaten. Die Begründung ist aber falsch, da der kleine Dschihad (Verteidigungskrieg) in dieser Zeit nicht zulässig ist. Dies wird durch folgende Überlieferung deutlich:

Von Al-Hussein bin Al-Abbas bin Al-Jarish, von Abu Jafar, den Zweiten (a.s.):Ich kenne zu dieser Zeit keine Bemühung (Jihad), außer der großen und kleinen Pilgerfahrt und Nächstenschaft. [Wasail-ush-Shia, Band 15, Seite 47]
Bashir berichtete, dass er zu Imam As-Sadiq (a.) sprach: „Ich sah im Schlaf, dass ich dir sagte: "Der Kampf mit einem anderen als dem Imam, zu dem der Gehorsam eine Pflicht ist, ist verboten (Haram) wie Kadaver, Blut und Schweinefleisch." (2:173) Woraufhin du sagtest: "Ja, so ist es."” Er sprach: „So ist es, so ist es.” [Al-Kafi von Al-Kulaini, Band 5, Seite 27, Hadith 2]

Muslimen ist bis zur Rückkehr des zwölften Imam, der in Verborgenheit lebt, also nur der große Dschihad erlaubt. Dies zeigt, dass terroristische Gruppierungen nicht im Sinne des Islam handeln.

Der Terminus Mudschahedin bezeichnet Kämpfer in Afghanistan, die während der sowjetischen Intervention von 1979 bis 1989 gekämpft haben. Sie wurden seiner Zeit von den USA im Rahmen des Kalten Krieges unterstützt. Daneben kann der Begriff auch anderweitig Verwendung finden, d. h. er ist nicht allein auf jene Kämpfer Afghanistans beschränkt.

Die Taliban (Arabisch, abgeleitet von Talib, Schüler) find eine terroristische Gruppierung, die 1994 entstand und ihr erstes islamisches Emirat von 1996 bis 2001 errichteten. Die Gruppierung konnte sich im afghanischen Bürgerkrieg durchsetzen:

Der Afghanische Bürgerkrieg von 1989 bis 2001 war eine Periode innerafghanischer Kämpfe im Laufe des seit 1978 in Afghanistan andauernden Konflikts. Den Beginn des Bürgerkriegs markierte der Abzug der Sowjetarmee im Jahr 1989, der den Sowjetisch-Afghanischen Krieg beendete. Die weiterhin sowjetisch gestützte Regierung unter Muhammad Nadschibullāh konnte dem Druck der Mudschahedinparteien noch drei Jahre standhalten, bis sie im Frühjahr 1992 zusammenbrach. Der darauf folgende zehnjährige Bürgerkrieg war durch den Rückzug der beiden Supermächte und das Desinteresse der internationalen Gemeinschaft an der Lage in Afghanistan geprägt. Ausgefüllt wurde das Machtvakuum durch andere Mächte in der Region, in besonderem Maße Pakistan, die versuchten, in ihrem Sinne und meist mit eskalierender Wirkung auf den Konflikt Einfluss zu nehmen. [...] Ideologisch war die Zeit des Bürgerkrieges nach der versuchten Transformation der Gesellschaft unter der kommunistischen Regierung der Demokratischen Republik Afghanistan durch den Aufstieg des Islamismus gekennzeichnet, der bis in die 1980er Jahre in Afghanistan kaum eine Rolle gespielt hatte. Bereits die Parteien der Mudschahedin erließen ab 1992 islamistische Dekrete, später fand diese Entwicklung in der Herrschaft der Talibanorganisation mit teilweise totalitären Zügen ihren Höhepunkt. Mit Unterstützung Pakistans eroberten die Taliban 1996 Kabul und drängten die verbleibende militärische Opposition in den äußersten Nordosten des Landes zurück. [Wikipedia]

Die Taliban waren also eine von mehreren islamistischen Gruppierungen. Ihre ideologische Ausrichtung ist deobandisch:

Dar ul-‘Ulum Deoband ([...] Haus der Gelehrsamkeit in Deoband), kurz Darul Uloom, ist eine 1866 gegründete islamische Hochschule in der Kleinstadt Deoband im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. [...] Die von dort ausgehenden Lehren haben sich zu einer Bewegung formiert, deren Anhänger meist Deobandis genannt werden. Die Deobandis selbst lehnen diese Bezeichnung ab, sie nennen sich selbst einfach Muslim. [...] Die Ansichten der Deobandis gelten als dogmatisch, orthodox und puritanisch. Eine stark negative Haltung gegenüber allem Westlichen, Vorislamischen und Nicht-Islamischen ist zu erkennen. [Wikipedia]

Ihre Lehre ist wie folgt beschrieben:

Die Deobandi-Bewegung ist sunnitisch, gehört zur hanafitischen Rechtsschule, lehnt jedoch im Gegensatz zu den Barelwis in Pakistan die Gräber- und Heiligenverehrung ab. Sie steht für eine strenge und klassische Auslegung des sunnitisch-hanafitischen Islam und strebt die Rückkehr zu dessen „Wurzeln“ an. [...] Die Deobandis stehen mit ihrer Forderung nach der „ Reinigung des Glaubens“ gegen die auf dem indischen Subkontinent traditionell verbreitete tolerante islamische Denkschule des Sufismus. Die teils von Sufis und Schiiten praktizierten Ehrbezeugungen in Form von Schmuck an Heiligengräbern oder auch volkstümliche Praktiken wie das Schreiben von Wunschzetteln und ihr Anhängen an Bäumen gelten für die Deobandis als Unglaube (kufr) und Heidentum (schirk). Auch die Anrufung von „Vermittlern“ zu Gott gilt für sie als schwerer Unglaube. [...] Das Bauen eines Mausoleums (Qubba/Türbe) oder von übermäßig großen und auffälligen Gräbern, wie es im Sufismus und bei den Schiiten üblich ist, lehnen die Deobandis ab. [Wikipedia]

Auch ihre politische Ausrichtung ist interessant:

Die Deobandis vertreten die Meinung, dass der Grund, warum die Muslime heutzutage hinter den Westen zurückgefallen und unterentwickelt seien, darin zu suchen sei, dass sie sich von den Erneuerungen und Abweichungen sowie unmoralischen Einflüssen fremder Religionen und der westlichen Kultur beeinflussen und damit von den ursprünglichen unberührten Lehren des Propheten Mohammed hätten abbringen lassen. Daher sei es wichtig, den Islam ohne fremde Ablagerungen und Einflüsse zu leben und die Rückkehr zu dessen „Wurzeln“ anzustreben. [...] Ein Muslim müsse die Grenzen und Taten seines Handelns für die ganze Umma (islamische Gemeinschaft) sehen und nicht nur die nationalen Grenzen. Ein Muslim müsse wissen, dass es seine heilige Pflicht sei, den Dschihad überall dort zu führen, wo Muslime bedroht und getötet würden. Von terroristischen Vereinigungen wie der Al-Qaida und Osama bin Laden distanziert sich die Schule öffentlich. Es sei nicht mit dem Islam vereinbar, Zivilisten zu töten und Züge zu sprengen. [...] Es wird ferner behauptet, die Amerikaner führten einen Krieg gegen den Islam; Osama bin Ladin und Saddam Hussein seien von Amerika erst erschaffen und benutzt, dann zu Terroristen erklärt worden; Amerika arbeite für die Juden, die mit Hilfe der Globalisierung die Könige der Welt werden wollten. [Wikipedia]

Was hier für al-Qaida gilt, gilt auch für den IS (Daesh), da beide Terrororganisationen salafistisch ausgerichtet sind und sich somit vom Deobandismus unterscheiden.

mulan2255  27.08.2021, 12:35

Hinzu kommt, dass die Taliban durchaus kooperieren mit anderen. Sie haben teils sogar mit al-Qa‘ida kooperiert, jedenfalls so lange es vor allem al-Qa‘ida nützte. … Aber IS bzw. IS-Khorasan (ISK) akzeptieren keinen neben sich. Ihre Haltung ist da am extremsten. Sind die Taliban schon sehr extrem, ist es ISK allemal. Die wollen auch die Macht. Deshalb melden sie auf brutalste Weise ihre Ansprüche an. Auch wenn Frauen und Kinder umgebracht werden. Da die Macht der Taliban noch nicht voll etabliert ist, versuchen sie es zu ihren Gunsten zu drehen. Es wird vermutlich noch viel Tod und verderben kommen. Der Machtkampf zwischen zwei extremistischen Gruppen wird sehr blutig sein. Und die meisten Opfer werden, wie immer, Zivilisten sein.

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kaffeemahler  27.08.2021, 14:37
Muslimen ist bis zur Rückkehr des zwölften Imam, der in Verborgenheit lebt, also nur der große Dschihad erlaubt. Dies zeigt, dass terroristische Gruppierungen nicht im Sinne des Islam handeln.

Spätestens hier offenbart sich doch die Lüge:

  1. Die Rückkehr des 12. Imam ist lediglich für Schiiten relevant, d.h. 90% aller Muslime und Muslimgelehrten sehen das völlig anders als Du und die schiitischen 5%.
  2. Wollte man Dir folgen, dürften sich Muslime nicht verteidigen, wenn sie angegriffen würden, solange der 12. Imam nicht zurückgekehrt ist.
  3. Der kleine Djihad ist ganz und gar nicht auf Verteidigungskriege beschränkt und war es historisch auch noch nie. Oder wie konnten sich die Muslime bis vor die Tore Wiens verteidigen, wie durch ganz Spanien und durch halb Frankreich? Alles Verteidigungskriege? Ja klar ...
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verreisterNutzer  27.08.2021, 14:41
@kaffeemahler

Was 90 % sagen, ist mir gleichgültig, da ich nach der Wahrheit, nicht nach der Mehrheit gehe.

Natürlich kannst du dich bei einem Angriff zur wehr setzen. Das ist aber kein Dschihad, da wir keinen islamischen Staat haben. Zum Thema Notwehr gab es jüngst eine Frage, die ich aus islamischer Sicht beantwortet habe. Schau sie dir ruhig an.

Die historischen Ereignisse mit den Kriegen gehen auf die Sunniten zurück. Meine Kritik an den Kalifen habe ich schon oft genug geäußert.

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kaffeemahler  27.08.2021, 14:47
@verreisterNutzer
Was 90 % sagen, ist mir gleichgültig, da ich nach der Wahrheit, nicht nach der Mehrheit gehe.

Das ist ja grundsätzlich lobenswert, jedoch ist das die shiitische Wahrheit und die Sunniten gehen nach der sunnitischen. Da die Frage nun aber nicht danach fragte, was die shiitische Sichtweise dazu ist, ist Deine Antwort irreführend, zumal Du nichtmal erwähnst, dass die von Dir dargestellte Sichtweise nicht die Mainstream-Meinung ist. Es nutzt keinem Menschen etwas, wenn 5% aller Muslime sagen, dass das unislamisch sei.

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kaffeemahler  27.08.2021, 14:49
@verreisterNutzer
Natürlich kannst du dich bei einem Angriff zur wehr setzen.

Dann kann der kleine djihad auch nicht auf Verteidigungskriege beschränkt sein.

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verreisterNutzer  27.08.2021, 15:01
@kaffeemahler

Es gibt nicht einmal die sunnitische Sichtweise, da es unterschiedliche Rechtsschulen gibt. Und wenn du zehn Gelehrte hast, bekommst du garantiert unterschiedliche Antworten. Welche soll also zählen?

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kaffeemahler  27.08.2021, 15:08
@verreisterNutzer

Bezüglich dieser Problematik sind wir uns einig. Aber auch die schiitischen Gelehrten sind sich nicht alle einig.

Drum ist ja mein immer wiederholter Apell: Denkt selbst! Lest den Quran gefälligst wenigsten einmal vollständig durch und denkt selbst!

Für mich sind die 5 Mio shiitischen Meinungen genau so nur Meinungen, wie die 90 Mio sunnitischen Meinungen. Keine davon ist bewiesenermaßen richtig.

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verreisterNutzer  27.08.2021, 16:16
@kaffeemahler

Unter Schiiten gibt es verschiedene Meinungen, da es auch verschiedene Strömungen gibt. Aber wegen deiner Herkunft gehe ich mal davon aus, dass du dich bestens mit der Schia auskennst? Du wirst sicherlich früher Schiitin gewesen sein, oder?

Die in Iran propagierte Schia (damals durch Chomeini, heute durch Khamenei) lehne ich ab. Und ich bin da kein Einzelfall. Diese Lehre hat es in der Geschichte zwar immer mal wieder gegeben, konnte sich aber erst 1979 durchsetzen. Eine schlimme Sache.

Denkt selbst!

Ich denke. Ich hinterfrage viel. Ich muss leider feststellen, dass manche Muslime das Denken eingestellt haben.

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Es geht um Macht und Geld, wie eigentlich immer in Kriegsgebieten.

Der eine Warlord will mehr Macht & Geld als der andere. Er will dem anderen Warlord zeigen, dass er in dessen Gebiet Chaos und Terror stiften kann.

Mit Religion hat das nichts mehr zu tun, auch wenn diese radikalen Spinner das behaupten. Es geht nur um Macht und Geld.