Warum sind Linke und AFD so stark in Thüringen und alle anderen Parteien schwach?

9 Antworten

Man kann diese Frage wahrscheinlich nur beantworten, wenn man die Thüringer Verhältnisse kennt. Hier bei uns in Thüringen liegen AfD und Linke nämlich in Wahrheit ziemlich nah beieinander. Eine große Gemeinsamkeit verbindet nämlich diese beiden Parteien: Sie gelten als Protestparteien gegen "die Politik des Westens". In Thüringen gibt es immer noch viele Menschen, die die Meinung "Zu DDR-Zeiten" war das alles besser gewesen und sie werden in ihrer Meinung teilweise auch durch Politik und Medien bestärkt. Tradition bedeutet den meisten Thüringern sehr viel. Sie lieben ihre Heimat (->AfD) und sind stolz auf ihre DDR-Vergangenheit (->Linke). Es gibt auch einige, die damals hohe Tiere waren oder auf dem Weg dort hin, doch nach der Wende war der Traum Offizier zu werden ausgeträumt. Viele haben das nie überwunden und vergessen und wählen heute entweder Linke oder AfD aus Protest.

Im Gegensatz dazu werden die Grünen (kleine nervige Gretas) und die FDP (fette, reiche Wessi-Bosse) gehasst, weil es "Spinner-Parteien" sind. Es kommt in meiner Umgebung sehr oft vor, dass Linke- und AfD-Wähler gemeinsam an einem Tisch sitzen und fröhlich miteindander reden. CDU wählen hier eigentlich nur die Leute, die mit der Kirche was zu tun haben, aber die Partei wird üblicherweise in der Lokalpolitik ganz gut akzeptiert.

Nun kommen wir noch zur SPD: Da sind in meiner Umgebung viele "übertrieben engagierte" und Wichtigtuer drin. Die Partei wird deshalb belächelt und nicht wirklich ernst genommen. Die SPD tritt bei mir in etwa so auf, wie die Staubsaugervertreter oder die Zeugen Jehovas. Sie verwickeln einen in ewige Gespräche über "Solidarität", "Frieden" und weiß der Teufel was und sticheln auch sonst immer wieder mit politischen Themen. Man traut dieser Partei also nicht viel zu und ist eher genervt von ihr.

Viele Thüringer wählen deshalb z.B.:

  • Kommunalwahl: CDU / SPD
  • Landtagswahl: Die Linke
  • Bundestagswahl: AfD / Die Linke / "je nach dem Kanzler"
  • Europawahl: AfD

Soweit mein Eindruck. Man darf hier nicht den Fehler machen und die AfD-Wähler als Nazis bzw. die Linken-Wähler als Kommunisten bezeichnen, denn viele sind einfach nur Protestwähler, die man im wahren Leben niemals mit diesen Parteien in Verbindung bringen würde.

Zum Schluss will ich auch noch verraten, was ich aktuell wähle: FDP. Mit dieser Meinung hat man es in diesem Bundesland echt nicht leicht, wenn politische Diskussionen losbrechen und man sich rechtfertigen soll (ähnlich sieht es bei den Grünen aus). Ich entschuldige mich für die teilweise unschöne Ausdrucksweise, aber das ist das, was viele Leute hier denken, soweit meine Erfahrung.

SlimeRL1998  31.08.2021, 00:47

Interessant.

Nicht mal nen "Danke" für so einen langen Text.

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KalubkeVonSimek  31.08.2021, 00:48
@SlimeRL1998

Eigentlich muss ich dankbar sein. Dieses Thema wollte ich schon lange mal klarstellen. Das ist für viele nämlich ein ganz großes Mysterium.....

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weckmannu  05.09.2021, 16:54

Die FDP vertritt überwiegend die Interessen der Unternehmer. Kein Wunder, dass du Schwierigkeiten hast in einer sozial geprägten Landschaft.

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Da mußt du in der Geschichte weit zurück schauen. Schau dir die DDR-Zeit vor 1989 an und ein guter Teil deiner Frage ist beantwortet. Schalte dabei den Begriff - Erinnerung - ein. Und dieser Begriff gilt für ganz Ostdeutschland. Und ganz besonders für die etwas älteren "Kaliber" (welche 18 Jahre alt waren, als die Mauer fiel).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Meine Ansicht, bürgerfeindlich ist, wenn Renten für vollzeitbeschäftigte unter 1200€ geduldet werden,

und im Osten; wie ich heute bei Gesprächen wieder erfahren habe, wohl die Regel, sogar unter 1000€. Und wenn sich Politiker hinstellen, und keine Einkommens- und Vermögens-Steuererhöhungen für Millionäre wollen und die verbliebene minimale Solidaritätsabgabe für Großverdiener gern abschaffen wollen, wenn die Rentenverminderung für die kommenden Rentner, die heutige arbeitende Generation, geduldet wird und von einer verlängerten Lebensarbeitszeit gemunkelt wird. Wenn geduldet wird, daß die Einkommens- und Vermögenssteuer, sogar in der Coronazeit besonders weit auseinanderscherte, wenn nicht endlich Politik für die ehrlichen vollarbeitenden Werktätigen und Kleinunternehmer gemacht wird, kann man den inzwischen klar denkenden Bürgern keine rechten Politiker von FDP und auch nicht die reichlich existierenden rechtsgerichteten CDU-Politiker weiter zumuten. Unsere Bürger wollen eine Rente und zukünftige Rente wie in Österreich, Skandinavien und Holland. Das steht uns Bürgern und vor allem auch den jungen Leuten und Bürgern mittleren Alters zu. Ehrliches Arbeiten muß wieder ehrlich entlohnt werden. Deutschland ist ein hochindustrialisiertes Land und die Industrieriesen unseres Landes machen Riesenprofite, die nicht bei den ehrlich arbeitenden Menschen ankommen. Wen werden die Bürger wohl wählen ?

Und der Ministerpräsident in Thüringen war zuvor Gewerkschafter, trat für gerechte Lohne ein.

In der DDR nannte man die LINKE damals SED. "Sozialistische Einheits Partei Deutschlands". Da diese Bezeichnung offenbar im Westen nicht so gut ankommt, hat man dem Kind eben einen anderen Namen gegeben und nennt sich fortan "die LINKE".

Das Gedankengut hat sich indes nicht geändert. Es sind die ewig Gestrigen und von denen gibt es offenbar noch genug in Thüringen. Mitunter auch verständlich, weil sich Kohls Aussage mit den blühenden Landschaften als Lüge herausgestellt hat.

Es gab nach der Wende jede Menge Arbeitslose weil Betriebe geschlossen und die Firmen billig durch die Treuhand verramscht wurden.

In den ostdeutschen Ländern gibt es in aller Regel das Phänomen einer in Wahlumfragen ständig zweitplatzierten AfD. Um deren Aufstieg gar zur stärksten Kraft zu verhindern, wählen viele Anhänger der anderen Parteien die des Ministerpräsidenten. Die Linke in Thüringen hat also gewissermaßen Leihstimmen von SPD, Grünen, aber auch CDU und FDP bekommen.

Die AfD ist so stark, weil es in Thüringen viele ländliche Regionen gibt, die wirtschaftlich und in der Folge auch sozial abgehängt sind. Außerdem wurde in der DDR der Nationalsozialismus nicht so aufgearbeitet wie in der Bundesrepublik.