Warum darf man in der Schweiz keine Minaretten bauen? Dürfen die Schweizer verbieten? (Religionsfreiheit)?

12 Antworten

Ich persönlich halte Minarette für sinnlos und meistens hässlich. Ändert nichts daran, dass Menschen das Recht haben, auf ihrem Grund und Boden solche Bauwerke zu errichten, und dass der durch die Volksabstimmung eingefügte Artikel der schweizerischen Bundesverfassung wahrscheinlich völkerrechtswidrig ist, da es sich um einen Eingriff in die Religionsfreiheit handelt, welche nach der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschützt ist.

Da dies jedoch faktisch nicht einklagbar ist, sehe ich keine große Möglichkeit, etwas dagegen zu tun.

Schweizer haben Minarette verboten, weil sie intolerant sind und nicht an Religionsfreiheit glauben.

Ob das Verbot der Religionsfreiheit widerspricht ist nicht ganz klar (Minarette sind nicht unentbehrlich für eine Moschee), vielleicht widerspricht es auch dem Diskriminierungsverbot (warum darf man Kirchtürme bauen, aber keine Minarette).  Aber in der Schweiz gibt es kein Verfassungsgericht. d.h um das Verbot auszuhebeln, müsste jemand einen Antrag stellen, ein Minarett zu bauen, der Antrag würde abgelehnt, und der Antragsteller müsste dann bis zum Bundesgericht rekurrieren. Aber bis jetzt hat sich noch niemand gefunden, der das macht...

Wahrscheinlich wollen die islamischen Verbände eher keine Aufmerksamkeit auf sich lenken und verzichten deshalb auf diese Rekurse.

Der Bundesrat (=die Regierung) wollte vor ein paar Jahren das Schächtverbot aufheben, weil es gegen die Religionsfreiheit verstösst, und das hat eine riesige Welle von Antisemitismus und Antiislamismus im ganzen Land ausgelöst, also hat man dann doch lieber auf die Aufhebung des Schachtverbotes verzichtet...

earnest  02.01.2016, 19:33

Wie du korrekt schreibst, ist es keineswegs sicher, daß ein Minarettverbot gegen die Religionsfreiheit verstößt. Meiner Ansicht nach tut es das in der Tat nicht, denn auch ohne Minarette können Muslime ihre Religion praktizieren. 

Für mindestens genauso fraglich halte ich es aber, daß ein Schächtverbot - also das Verbot des tierquälerischen rituellen Schlachtens - gegen die Relgionsfreiheit verstößt. Auch die Religionsfreiheit hat Grenzen. Hier sind sie meiner Ansicht nach überschritten.

Ich glaube zudem, daß das, was du als "eine riesige Welle von Atimsemitismus und Antiislamismus" bezeichnest, nichts anderes war als das Infragestellen von rituellen, archaischen Bräuchen.

Allerdings wagten und wagen es zum Beispiel deutsche Regierungen nicht, gegen archaische Bräuche vorzugehen wie das Beschneiden von kleinen Jungs. Aber auch DAS hat meiner Meinung nichts mit Antisemitismus und Antiislamismus zu tun. (Übrigens sind diese Bräuche nicht islamistisch, sondern islamisch.) 

Du urteilst hier meiner Ansicht nach pauschalisierend aus der Ferne und ohne genaue Kenntnis der doch recht differenzierten Diskussion.

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Accountowner08  02.01.2016, 19:35
@earnest

Ich habe die "doch recht differenzierte Diskussion" hautnah erlebt. Es war NICHT angenehm.

Und das war nur das Vorspiel. Das war noch kein Abstimmungskampf.

Das Vorspiel war so gruselig, dass die jüdischen und islamischen Verbände lieber freiwillig darauf verzichtet haben, das Schachtverbot aufheben zu lassen.

Und ich nehme an, dass die islamischen Verbände es mit dem Minarettverbot ähnlich handhaben.

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earnest  02.01.2016, 19:48
@Accountowner08

Na, dann hatten wir offenbar völlig unterschiedliche Erfahrungen. Ich vermute mal mal, daß du die differenzierten Diskussionen in deutschen Qualitätsmedien zum Thema Schächten und Beschneidung anscheinend nicht einmal ansatzweise mitbekommen hast.

Es ist meiner Ansicht nach vielmehr so, daß sich deutsche Regierungen nicht trauen, gegen solch archaische und vermutlich gesetzwidrige Bräuche vorzugehen.

Die jüdischen und muslimischen Verbände mußten und müssen daher nichts tun ... Falls da DAS, auf Deutschland bezogen, mit "freiwilligem Verzicht" gemeint haben solltest.

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Accountowner08  02.01.2016, 20:07
@earnest

Schau, du weisst ja nicht einmal, wovon du redest. Hier war die ganze Zeit von der Schweiz die Rede, und du warfst mir vor, ich hätte die Schachtdebatte (und die Minarettdebatte) damals in der Schweiz nur aus der Ferne erlebt.

Dem wagte ich zu widersprechen.

Jetzt stelle ich fest, dass du wohl von diesen Debatten keine Ahnung hast, und einfach einmal redest, so nach dem Prinzip "Red' sich sein Teil und lässt die anderen denken".

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earnest  02.01.2016, 20:40
@Accountowner08

Wie ich schon mehrmals feststellte, arbeitest du dann mit Unterstellungen, wenn dir ansonsten nichts mehr einfällt.

Ciao.

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Accountowner08  02.01.2016, 20:43
@earnest

OK. Eine ganz banale Frage: Wie hiess der Bundesrat, der sich damals dafür eingesetzt hat, das Schachtverbot abzuschaffen. Falls du diese "doch recht differenzierte Diskussion" damals verfolgt hast, solltest du in der Lage sein, diese Frage spontan (ohne nachlesen) zu beantworten.

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earnest  02.01.2016, 20:47
@Accountowner08

Du scheinst ein "Ciao" nicht zu verstehen. 

Daher jetzt: "Danke und Tschüß". 

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Accountowner08  02.01.2016, 20:51
@earnest

Ciao ist eine Verballhornung von "Sklave", d.h. "ich bin dein Sklave".

Die Tatsache, dass du die Frage nicht beantwortest zeigt mir, dass ich mit meiner Einschätzung ganz recht hatte: du hast von der Frage des Schachtverbotes in der Schweiz und den Debatten, die dazu in den letzten Jahren stattgefunden haben, keine Ahnung.

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Accountowner08  04.01.2016, 23:46
@earnest

Ich habe jetzt noch mal Dokumente aus der Zeit durchgelesen.

Wenn es in den "Qualitätsmedien" differenzierte und interessante Artikel z.B. zur Frage der Minarette oder des Schächtens oder des Kopftuches oder der Beschneidung gibt, dann läuft parallel dazu schon in den Kommentarspalten dieser "Qualitätsmedien", aber noch verstärkt in den weniger qualitativ hochstehenden Medien, d.h. in der populistischen Presse, im Fernsehen, und vor allem auch an den realen und virtuellen Stammtischen eine weit weniger schöner Debatte, mit Untertönen wie "Ausländer raus" "Deutschland den Deutschen" (bzw. "die Schweiz den Schweizern") "wir werden überfremdet" "wir sind eine christliche Kultur", etc.

Das eine schliesst das andere nicht aus.

Und ich bezog mich eben auf die weniger qualitativ hochstehende Debatte zum Schächtverbot, die 2001/02 in der Schweiz stattgefunden hat. Darin wurden ganz klar antisemitische, anti-islamische, ausländerfeindliche Stimmen sehr laut, es war sehr militant, so dass der Bundesrat beschloss, das Thema nicht weiter zu verfolgen.

Da waren "Tierschützer" am Werk, die ganz ähnlich dachten und vorgingen wie die militanten (und gewaltbereiten) Abtreibungsgegner in den USA, so nach dem Prinzip: wer Tieren so was antut, verdient es selbst erschossen zu werden, das war der Tenor.

Manche der Anführer dieser militanten Tierschützer wurden übrigens auch schon wegen Verstosses gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verurteilt. Das sind keine Engel. 

Übrigens fand ich in diesem Zusammenhang interessant, wie die Dynamik der Gesellschaft dort funktioniert: Die militanten Tierschützer wollen eigentlich Fleischkonsum (vielleicht auch Milchkonsum, vielleicht auch Nutztierhaltung) allgemein verbieten. Das können sie aber nicht, dafür isst die Mehrheit der Bevölkerung zu gerne Fleisch (oder Milchprodukte), und ausserdem hätten sie dann auch die mächtige Bauernlobby gegen sich.

Das Schächtverbot hingegen trifft nur eine kleine Minderheit, weniger als 10% der Bevölkerung, auf deren Rücken kann sich jetzt die gesamte Bevölkerung ein "reines Gewissen" schaffen, und die Tierschützer erzielen wenigstens einen Teilsieg, mit dem sie sich wiederum profilieren (und mehr Spenden sammeln) können. Tiere umbringen bleibt weiter erlaubt, aber das Schächten, das ist ganz, ganz böse!

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Accountowner08  05.01.2016, 00:16
@Accountowner08

PS: Das Schächtverbot wurde seinerzeit in der Schweiz ganz klar mit antisemitischen Untertönen eingeführt, das ist historisch unbestritten. (es war die erste und blieb lange die einzige Volksinitiative, die vom Volk tatsächlich angenommen wurde).
In Deutschland wurde ein paar Jahrzehnte später auch ein Schächtverbot eingeführt, auf Initiative des grossen Tierfreundes Adolf Hitler.
Das ist das Paradox der Schächtdebatte: dass der perfekte Tierschutz oft ein Anliegen von Menschen ist, denen Menschenrechte oder auch nur der Schutz von Menschenleben viel weniger am Herzen liegen.

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Ja, die Schweizer haben in einer Volksabstimmung beschlossen, dass sie keine Moscheen mit Minaretten akzeptieren wollen. Es ist damit Gesetz geworden. Ich persönlich frage mich allerdings auch, was das mit der Religionsfreiheit zu tun haben soll, da es sich hierbei nur um äußerliche Bauvorschriften handelt: denn niemandem wird es dadurch verboten in einer Moschee zu beten.

realsausi2  02.01.2016, 19:01

was das mit der Religionsfreiheit zu tun haben soll

Ich kann mich ja irren, aber ich unterstelle mal, dass bei dem Volksentscheid die Bauordnung in den wenigsten Fällen Triebfeder der Entscheidung war.

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In der Schweiz ist die reinste Form der Demokratie installiert.

Schweizer können mittels Volksabstimmung direkten Einfluss nehmen.

Wenn die Schweizer ihren architektonischen Gebäudestil nicht durch Fremdkulturen beeinflussen lassen wollen, dann ist dies demokratisch einwandfrei in Ordnung.

Hinsichtlich der Religionsfreiheit wird immer ein grundsätzlicher Fehler begangen. Religionsfreiheit bedeutet nicht, dass man tun und lassen kann was mit Religion rechtfertigt wird. Religionsfreiheit bedeutet, dass man seine Religion privat ausüben darf.

Hinsichtlich des Islam dazu ein Beispiel. Schiiten begehen jährlich das Aschura-Fest. Dabei erfolgt eine Straßenprozession mit Selbstgeißelung.  Ein derartiges Blutschauspiel wird es hier niemals geben. Wäre das dann nach Deiner Ansicht auch ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit ?

realsausi2  02.01.2016, 14:37

In der Schweiz ist die reinste Form der Demokratie installiert.

Auch wenn der plebiszitäre Anteil höher ist als bei uns, wäre ich doch mit so einem Superlativ zurückhaltend.

Hinsichtlich der Religionsfreiheit wird immer ein grundsätzlicher Fehler begangen. Religionsfreiheit bedeutet nicht, dass man tun und lassen  kann was mit Religion rechtfertigt wird. Religionsfreiheit bedeutet,  dass man seine Religion privat ausüben darf.

Darauf sollte man tatsächlich häufiger hinweisen. Danke dafür.

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Das ist auch eine Frage wie weit eine direkte Demokratie und Volksentscheide bei Minderheitenrechten gehen kann. Wenn man in der Schweiz abstimmen kann, ob Moscheen Minarette haben dürfen, warum soll man dann nicht auch abstimmen dürfen, ob es überhaupt Moscheen geben darf? Wessen Maßstab zählt hier. Dann wird abgestimmt, ob Muslime in der Schweiz leben dürfen. Und dann ob die Schweizer, die ja hier sind, einfach ausgewiesen werden, oder nach keineahnungwohin depotiert werden. Also wo ist der Maßstab, wenn Minderheiten der Laune der Merheit ausgeliefert werden?