Versteckte Traumata finden?
Moin,
Bin seit neuestem am Thema Traumata und deren Verarbeitung interessiert. Dachte eigentlich, dass ich mit mir im reinen bin und mir alles erzählen kann, aber anscheinend ist das doch nicht der Fall. Habe online eine Liste gefunden, mit typischen Charaktereigenschaften bei versteckten kindheitstraumata.
Ich war früher extrem schüchtern, das habe ich aber mittlerweile abgelegt. Ok vor Publikum reden ist immernoch nicht meine Stärke aber was solls. Und wer macht sich nicht mal vor hübschen Frauen zum deppen 😂 in dem Bereich denke ich, ist bei mir alles im normalbereich.
Allerdings entschuldige ich mich sehr häufig, auch wenn ich innerlich nicht wirklich was drauf gebe. Es ist wie ein Automatismus. Vorwurf - > Entschuldigung.
Das selbe ist mir auch beim danke aufgefallen. Ich bedanke mich sogar, wenn die Handlung des anderen eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte oder mir jemand vorwurfsvoll erzählt, er hätte mir Arbeit abgenommen. Auch wenn ich nicht darum gebeten habe, rutscht mir ein danke und ein betretener Blick raus. Habe es immer als Höflichkeit abgetan, aber vielleicht will ich unterbewusst doch etwas anderes damit bezwecken.
Und der letzte Punkt (und den bekomme ich einfach nicht in den Griff) ist meine Flucht vor Konflikten. Auch wenn meine eigene Ansicht darunter leidet gebe ich lieber nach. Das geht soweit, (und das ist eine reale Situation gewesen, kein Beispiel) dass ich lieber mehrere tausend Euro für etwas bezahle, das mich eigentlich nichts angeht, anstatt den Mund aufzumachen. Ich habe mir sogar selbst lügen aufgetischt und sie erstaunlicher Weise am Ende sogar geglaubt... Das Gespräch, dass ich nicht bezahlen werde, nachdem ich im ersten Gespräch rumgedruckst hatte, war mir mehr als nur unangenehm. Da weiß ich, dass ich von meiner Mutter sehr streng erzogen wurde, dass sowas allerdings ein Trauma hinterlässt, war mir nicht bewusst.
So,lange Rede. Ohne sinn: wie finde ich selbst dieses Trauma, welches. Mein Verhalten erklärt?
4 Antworten
Nach allem, was du so schreibst, glaube ich nicht, dass du das finden wirst, was man unter einem Trauma versteht. Für mich beschreibst du einen ganz normalen guten Menschen mit Ecken und Kanten..:-)
Du bist verletzt, wie jeder Mensch als Kind in kleineren Dosen immer wieder mal verletzt wurde, was aber der Entwicklung einer emotional stabilen Persönlichkeit diente.
Ich glaube nicht, dass wir Menschen im gegenwärtigen Entwicklungsstadium ohne Frust, der ja zur Entwicklung einer guten Frusttoleranz sinnvoll ist, auskommen könnten.
Du wirst, falls du dich in eine Psychotherapie z.B. nach CG Jung begeben solltest, viele kleine Nadelstiche entdecken und aufarbeiten können, die aber nur dein Ego und niemals deine Seele verletzt oder gekränkt haben. Das tätest du aber nicht, weil du stärker gekränkt bist, als die Meisten, sondern du nutzt lediglich die vorhandenen Möglichkeiten, dein volles Potenzial zu entdecken und zu leben.
Alles Gute für dich...
Mit dem Wörtchen "muss" setzt du dich schon wieder neu unter Druck.
Mir scheint, du solltest lernen, dass Selbstliebe keine Form von Egoismus ist. Deine Konfliktscheu ist offenbar die Folge deiner strengen Mutter. Wenn du sie zu streng erlebt hast, hattest du nämlich keine wirkliche Mutter, weil du sie unter den Umständen gar nicht "genommen" hast.
Du kannst das entschärfen, wenn du in die Stille gehst und deiner Mutter innerlich sehr klar sagst: Liebe Mama, ich nehme dich jetzt als meine Mutter und du darfst mich haben, als deinen richigen Sohn. In deinem inneren Bild sollte sie dich anstrahlen und dir sagen: Lieber... ich nehme dich jetzt als meinen Sohn und du darfst mich haben, als deine richige Mutter.
Du erkennst bereits sehr viel! Die Erziehung hinterlässt immer Spuren, gute und schlechte. Eine strenge Mutter führt fast zwangsläufig zu irgendwelchen „Autoritätskonflikten“, Unsicherheiten im Auftreten, und am schlimmsten, zur Unfähigkeit sich in bestimmten Situationen klar entscheiden zu können und den richtigen Moment für eine Entscheidung nicht zu verpassen. Oftmals schlichtwegs aus „Verlustängsten“ im weiteren Sinn, ich kenne das selbst sehr gut. Nun, was habe ich gemacht um der Ursache auf die Spur zu kommen? Ich habe zwei fiktive Briefe an meine Mutter geschrieben, meine Mutter ist schon lange tod. Im ersten Brief habe ich meiner Mutter alles geschrieben was ich ihr vorzuwerfen habe, alles üble was sie mir angetan hat, hemungslos, schonungslos, hochemomitionel, wütend! Ich habe diesen Brief dann zur Seite gelegt. Einige Zeit später habe ich den zweiten fiktiven Brief an meine Mutter geschrieben, darin ausschliesslich nur was ich toll an ihr finde, was mir für mein Leben gutes gebracht hat von ihr, ausschliesslich nur das Gute! Der erste Brief ist mir sehr leicht von der Hand gegangen, der zweite war schwieriger. Zuletzt erkannte ich immer mehr „wo der Hund begraben ist“. Ich konnte in Gedanken und im Herzen Frieden mit meiner Mutter schliessen, mit mir selbst, vergeben, verstehen... und von da an wurden meine diesbezüglichen Probleme immer kleiner und verloren ihre Macht über mich.🌈
Was du über deine Art, den inneren Frieden wieder herzustellen schreibst trifft für mich ebenso zu. Bei mir war es der Vater und statt der Briefe waren es zwei Sitzungen innerhalb von Gestalttherapie.
Danke denn du hast diese alten Dinge wieder belebt und ich freue mich, dass ich heute liebevoll drüber lächeln kann. ❣️
Ich mache meiner Mutter keine Vorwürfe. Zumindest nicht dass ich wüsste. Alles was sie getan hat, war in dem Glauben das richtige und beste für mich zu tun. So wie jeder andere auch handelt. Ich hab immernoch ein super verhältnisse zu ihr und sie unterstützt meine Familie und mich wo die nur kann. Sie ist halt einfach nur streng gewesen. Jogurt 15 minuten stehen lassen vor dem essen, Mund halten wenn Erwachsene reden usw. Die typischen muttersachen aus dem letzten Jahrtausend halt 😂
Ja, so sind die halt...aber eben...das wirkt nach! Den Mund halten wenn andere reden...so ein Quatsch! Joghurt 15 Minuten stehen lassen, wieso? Explodiert es wenn du es früher nimmst? 😂
Aus dem Kühlschrank. Da gibt's doch böse Bauchweh 😂 ich versuche momentan, mich wärend dem meditieren zurück zu erinnern. Da kommen schon einige Momente, die ich völlig vergessen hatte, auch aus Schulzeiten die sicher einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Nur der Anfang von allem, an den erinner mich nicht...
Finde es toll wie du das machst! Man gelangt von einer Erinnerung zu den anderen Erinnerungen, da tut sich bei mir häufig eine längst vergessene Welt auf, und ich empfinde dies als sehr schön. Erinnerungen sind ein persönlicher Schatz der dir gehört. Dies ist dein Leben! Da kommst du her! Und die Erinnerungen geben Kraft und Zuversicht für die Zukunft! ⛩🌅💃
Bei mir ist das ganze recht flach 😂 ich hab eine Form von afantasie. Mein inneres Auge ist blind. Hab leider keine Filmchen oder Bilder im Hinterkopf, wenn ich mich zurück erinner. Mit ganz viel Achtsamkeit, sodass das geplapper im Kopf still ist, bekomme ich Schattenartige Bilder vor mir aber das wars auch.
Meine Erinnerungen mit klaren Bildern und zugehörigen Emotionen beginnen mit 3 Jahren, da war ich eindeutig in der „magischen Phase“: Ich sitze im Kinderwagen und erblicke rechts neben mir ein Riesenrad. Dieses Riesenrad ist ein unendlich hohes, grosses Ungeheuer das mich auffressen will. Ich heule volle Pulle drauf los, bin völlig in Panik, meine Grossmutter tröstet mich und begreift tatsächlich dass das Riesenrad mir Angst macht, sie wendet den Kinderwagen und vor mir ist eine Wiese. Meine Angst ist weg. Mein Herz erfüllt sich immer mit viel Wärme und Liebe und Mitgefühl wenn ich mich als kleines Kind in der Erinnerung sehe. Und ja...liebevolles Lächeln ebenfalls. 😊🦋
Das mit dem Gespräch und "bezahlen" habe ich nicht verstanden. Macht aber glaube ich nichts.
dass ich von meiner Mutter sehr streng erzogen wurde
Da fällt mir auf, dass du sogar "sehr" streng geschrieben hast. Das klingt für mich nicht nach Liebe. Findest du nicht auch?
Ich assoziiere dazu, dass du erzogen wurdest, um perfekt zu funktionieren. "Wenn du dich so-und-so verhälst, dann bist du ok. Und wehe, du machst nicht das was ich dir sage!" War's etwa so? Haben dich solche Erfahrungen geprägt? Dann wäre das oben beschriebene Verhalten mit dem Entschuldigen, Danke sagen und der ungesunden Konfliktvermeidung erklärlich. Soweit meine Sicht, - siehst du es anders? Schreib' gerne deine Meinung dazu. Anders als deine Mutter interessiert mich deine Meinung.
Ich gebe dir auch noch einen Videotipp von einem Psychologen zu der Thematik. Was fehlende Mutterliebe anrichten kann
Es gibt grundsätzlich 2 Arten von Trauma: Schocktrauma und Entwicklungstrauma. Ein Schocktrauma entsteht z. B. durch einen schweren Unfall, der mit starken emotionalen Belastungen verbunden ist, die das Nervensystem nicht mehr ausregeln kann. Das kann auch Erwachsene traumatisieren. Ein Kriegstrauma ist auch sehr bekannt und verbreitet. Ein Entwicklungstrauma findet in der Entwicklungsphase des Kindes statt wenn die natürlichen emotionalen Bedürfnisse des Kindes nach Liebe, Fürsorge, Anerkennung, Förderung usw. grob verletzt werden. Missbrauch und Verwahrlosung sind z. B. Extremfälle. Aber es gibt natürlich jede Menge weniger intensiver emotionaler Leiden, die das Kind in der Entwicklung zum selbstbewussten, in sich ruhenden, zufriedenen Erwachsenen beeinträchtigen. (Davon erzählt Peter in dem verlinkten Video.) Wie stark sich ungünstige Kindheitserfahrungen auf die Psyche des Kindes auswirken, ist individuell unterschiedlich.
Ich weiß nicht, ob eine klare Grenze zwischen "Neurose" und "Traumatisierung" definiert ist. Ich halte nichts davon, einem Menschen eine bestimmte Diagnose zuzuteilen. Du könntest dich einfach als Mensch mit großem Potential zur Weiterentwicklung deiner Persönlichkeit betrachten.
In jedem Fall beim Psychologen. Einer der einem eventuellen Trauma mittels EMDR auf dem Grund geht.
Danke ☺️ allerdings muss ich das mit der Flucht vor Konflikten in den Griff bekommen, da ich auch Entscheidungen für meine Kinder treffen muss. Und die sollten nicht unter falschen Entscheidungen die ich aus Angst oder Scham getroffen habe, leiden müssen.