Unterschied zwischen übermäßiger Höflichkeit und Stoizismus?

3 Antworten

Dein Beispiel hat mit Stoizismus nicht viel zu tun. Im Stoizismus geht es unter anderem um ein nach einer speziellen Definition von Logik aufgebautem universellem Prinzip, in dem das Individuum seinen vorgesehenen Platz einnimmt. Das zu erreichen wird mit völliger Beherrschung über die Emotionen gesucht, als einzigem Weg sein Schicksal zu akzeptieren. Das ist eine hoch komplizierte, tiefsinnige und vielschichtige Philosophie, an deiner Stelle solltest du dich da noch mal gründlich durchlesen. (Etwaige TikTok-Definitionen des Begriffs würde ich ignorieren.)

lg up


nirvana29510 
Beitragsersteller
 15.11.2024, 22:44

Danke für die Antwort. Über TikTok hatte ich mich tatsächlich nicht informiert, sondern eher über Wikipedia, ein paar Websites, und ähnlichem. Aber du hast Recht, ich sollte und habe auch vor, mich mehr über das Thema zu belesen.

Die Stoa ist eine Philosophie, das heisst die Unerschütterlichkeit, von der du sprichst, umfasst mehr als das Verhalten, das man an den Tag legt. Sie hat mit dem Menschenbild und dessen Selbstverständnis zu tun.

Es ist ein Unterschied, ob du denkst, du müsstest deine Mitmenschen gut behandeln, weil du sonst in die Hölle kommst oder ob du grundsätzlich von einem Ich, das in irgendeiner Art und Weise erschüttert werden kann, absiehst. Ersteres wäre das Christentum, letzteres der Zen-Buddhismus, für den es nur Ursache und Wirkung, aber kein Ich gibt.

Wenn es "dich" also nur in bestimmten Zuständen, aber nicht als festen Kern gibt, dann kann dich auch niemand kränken. Das Ich ist im Buddhismus eine Illusion ohne festen Grund. Die Stoa hingegen geht noch von einem Ich aus, das eben entscheiden kann, sich kränken oder sich nicht kränken zu lassen. Das kann einem auch zum Verhängnis werden, denn solange du an einem Ich festhältst, führst du auch Buch über deine Geschichte und kannst das, was dir andere angetan haben, schwerlich loslassen. Die übermässige Höflichkeit, die du beschreibst, geht dann auch wieder aufs Konto dieses fiktiven Ichs; da hältst du dran fest und kommst nicht davon los.

Besser wäre es also wohl, durchlässig zu werden. Stell dir vor, du sitzt in einem Fischerboot auf dem Wasser und ein leeres Boot stösst gegen deins. Das hat keine Absicht, also kannst du es ihm nicht ankreiden. Rachegefühle und Unversöhnlichkeit entstehen nur, weil man sich der Ich-Illusion verpflichtet fühlt. Gibt man diese auf, gibt es nur noch Umstände, aber kein Ich mehr, das sich gegen andere behaupten muss.


nirvana29510 
Beitragsersteller
 15.11.2024, 22:37

Danke für die interessante Antwort. Du denkst also, dass die Unerschütterlichkeity die eine der Kernlehren der Stoa ist, besser im Zen-Buddhismus vertreten ist?

LacLeman  15.11.2024, 22:39
@nirvana29510

Ich denke schon, dass der Zen-Buddhismus den Stoizismus konsequenter durchdacht hat als die Stoiker.

Nabend.

Ich bin stoisch.

Ich bin geduldig und gelassen.

Ich habe eine ruhige Art.

Das hängt vom Wesen ab.

Du kannst nicht gelassen sein, nur wenn du das willst, weil das nicht funktioniert.

Warum willst du denn unerschütterlich sein?

Im Prinzip bist du nicht stoisch sondern tust nur so.

Verstehst du das?


nirvana29510 
Beitragsersteller
 15.11.2024, 22:34

Das stimmt so nicht ganz. Zunächst einmal kann man gelassen und ruhig sein, wenn man das will. Außerdem ist "stoisch" und "Die Philosophie des Stoizismus" nicht unbedingt das gleiche. Ersteres ist ein Charakterzug, zweiteres eine Philosophie die zur Glücklichkeit führen soll. Dennoch danke für die Antwort.

kaempferdersonne  15.11.2024, 22:39
@nirvana29510

Solange du primitiv bist, also emotional und instinktiv bist, kannst du dich nicht beherrschen.

Ein stoiker, der nicht stoisch ist, ist ein Schauspieler.

nirvana29510 
Beitragsersteller
 15.11.2024, 22:50
@kaempferdersonne

Ich denke, dass Besonnenheit, innere Ruhe, Gelassenheit, und die anderen stoischen Persönlichkeitsmerkmale zu einem bestimmten Level erreichbar sind. Aber das ist natürlich nicht das gleiche, wie von Geburt an eine stoische Persönlichkeit zu haben. Allerdings kann auch einfach durch das an den Tag legen stoischer Charakterweisen, wie die zuvor genannten, ein schöneres Leben haben, da Geduld, Ruhe, Besonnenheit, etc Dinge sind, die einem das Leben erleichtern. Ich würde es also nicht unbedingt als Schauspielerei ansehen.

kaempferdersonne  15.11.2024, 22:58
@nirvana29510

Ich bin erst seit ca 4 Jahren stoisch.

Im Prinzip bin ich jetzt ein stoiker.

Aber mit dem stoizismus habe ich mich nicht beschäftigt.

Ich habe mein Wesen verändert indem ich die richtige Einstellung und Sichtweise gewonnen habe.

nirvana29510 
Beitragsersteller
 15.11.2024, 23:04
@kaempferdersonne

Ah, dann habe ich dich schätze ich falsch verstanden. Du meintest, man brauche zunächst stoische Charaktereigenschaften, um ein Stoiker zu werden, richtig?