Toxischer Individualismus?
Aktuell hört man überall und immer wieder, man solle sich im Leben vor allem auf sich konzentrieren. Sich nicht an einen festen Partner binden und im Zweifel lieber an den eigenen Lebensweg denken, als eine dauerhafte Beziehung mit Kompromissen zu führen.
“Du wird alleine geboren und wirst alleine sterben…“
Es kommt mir manchmal so vor, als würde das mitunter sehr extreme Züge annehmen.
Seit Jahren schon steigt die Zahl der Singlehaushalte und eine Beziehung, die wirklich lange, vielleicht sogar ein Leben lang hält scheint mittlerweile unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto.
Das wir als Gesellschaft davon abgekommen sind, hoch konservative Rollenbilder einer Ehe im Stil der 50er Jahre als Ideal zu glorifizieren, ist selbstverständlich eine große Errungenschaft. Allerdings scheinen wir mehr und mehr auch die Kompromissbereitschaft und das Verständnis für unser Partner mit über Bord zu werfen. Zumindest kommt es mir so vor.
Dieses ständige Predigen über Selbstliebe und darüber, dass man selbst genug ist… Wo soll das denn hinführen? Sähen wir damit nicht die Saat für eine Gesellschaft, die zu sehr auf sich selbst schaut, nur die eigenen Werte und Vorstellungen vom Leben akzeptieren kann und nicht dazu in der Lage ist, sich fest zu binden?
Eine individuelle Gesellschaft lebt doch gerade davon, dass jeder und jede frei entscheidet, wie er oder sie leben möchte.
Wer in einem Singleleben glücklich ist, der sollte um Gottes Willen dieses Leben führen. Warum sollte man sein Leben so gestalten, dass man unglücklich ist?
Wenn man sich aber vertrauten Menschen anvertraut, sich denen öffnet und beichtet, dass man sich eine enge und dauerhafte Partnerschaft wünscht, dann stößt man auf Unverständnis.
So etwas würde es eben nicht mehr geben, diese Zeiten seien vorbei. Im schlimmsten Fall wird auf die schon genannte Selbstliebe verwiesen, die bei einem selbst offenbar fehle, jedoch durch eine Psychotherapie wieder geweckt werden könne.
Bitte? Selbstakzeptanz ist unerlässlich für ein glückliches Leben, aber der Wunsch sich zu binden kann doch nicht mit einer psychischen Krankheit gleichgesetzt werden.
Eine wirklich dauerhafte Beziehung zu führen ist hart und anstrengend, aber ich denke ich bin nicht alleine damit, wenn ich sagen, dass sie für einige zu einem erfüllten Leben dazugehört. Es geht doch nicht immer darum, dass man lernen muss sich „zu lieben“, um heutzutage dennoch ein erfülltes Leben zu führen.
Ich denke, für einige kann ein Leben nur dann erfüllt sein, wenn man es nicht auf ewig alleine oder eben mit oberflächlichen, wechselnden Beziehungen bestreitet.
3 Antworten
Eine sehr schöne Frage, denn ich sehe das ganz anders als du :D Ich glaube, dass da ein gewisses Missverständnis des Wortes Selbstliebe vorliegt. Du hast auch Leute in deinem Umfeld, die dir mit Unverständnis begegnen. Der Wunsch nach einer Beziehung an sich ist ganz natürlich. Die entscheidende Frage ist, ist die Angst die Mutter dieses Wunsches oder steht er für sich?
Die Denkweise, eine dauerhafte Beziehung finden zu müssen, um glücklich zu sein, ist ebenso weit verbreitet und ist doch ein sehr bedrückender Gedanke, denn seine Kehrseite ist, dass man alleine wohl nicht ganz glücklich werden kann. Die Gesellschaft hat beobachtet, dass in ihren Beziehungen oft zwei unreife Egos aufeinander treffen und da der Mensch kreativ ist, geht die Entwicklung nun in diese Richtung, sich zuerst innerlich zu erfüllen. Ich bin auch der Meinung, dass die Beziehung zu sich selbst die wichtigste im Leben ist und dass Beziehungen zu anderen Menschen Lernplattform und Bereicherung zugleich sind, aber niemals der Quell des Glücks.
Aber: Ich sehe oft, dass Selbstliebe gerne mit Selbstverherrlichung und Egozentrik verwechselt wird. Wahre Selbstliebe ist nichts anderes als bedingungslose Selbstakzeptanz, das Annehmen der eigenen Makel, der liebevolle Umgang mit sich in dunklen einsamen Zeiten, das Verständnis mit sich und das Beenden von Selbsthassprogrammen. Kein anderer kann diese essentiellen Dinge für uns erledigen. Ein bedürftiges Ego ist nur auf seinen eigenen Vorteil aus, weil es selbst nicht genug hat und daher Ansprüche an andere erhebt. Diese sollen Verständnis zeigen und zurückstecken, so beginnen die Machtkämpfe in Beziehungen. Wer sich selbst erfüllt hat, kann mit Leichtigkeit Verständnis für andere zeigen und auf einer viel reiferen Ebene Beziehungen führen. Er „braucht“ niemanden, aber erfreut sich an Gesellschaft.
Sicher gibt es auch die Konsorten, die das mit der Selbstliebe so verstehen, die Interessen des Egos auf ein Podest zu stellen. Sich an erste Stelle zu setzen ist zwar richtig, aber eben die Interessen des Herzens zu erfüllen: Annahme, Freiheit, Selbstfürsorge, ein offenes Ohr etc. Und wer sich damit aufgefüllt hat, gibt seinen Überschuss und das Gelernte weiter aus dem natürlichen Drang, Freude zu teilen.
Seit ich mich sehr intensiv der Praktik der Selbstliebe widme, fühle ich eine große Verbundenheit, im Gegensatz dazu hatte ich früher zwar Beziehungen, konnte mich dafür aber ganz schön einsam fühlen, obwohl jemand neben mir saß, der mich „liebte“. Ich sehe plötzlich, wie wichtig das Gemeinschaftsdenken ist, zuvor wollte ich einfach nur eine Beziehung haben, um nicht alleine zu sein. Jetzt helfe ich gerne in meinem Umfeld und lasse mir auch helfen, verbreite gute Stimmung unter meinen Mitmenschen, und wenn ich schlecht drauf bin, kümmere ich mich gut um mich, ohne dass sich meine Lieben sorgen müssen. Alles kann, nichts muss, das nenne ich Freiheit.
Wer wird denn alleine geboren?
Natürlich sollst du dich selber lieben und akzepieren, denn nur so kann man auch andere Lieben. Aber nicht zum Egoisten werden.
Wenn du mal bei einer Geburt dabei warst, dann sagst du so etwas nicht mehr. Niemand wird alleine geboren.
Kommt die Hebamme auch mit raus? Qausi Hand in Hand mit dem Baby? Du verstehst das nicht.
Ich weiß schon, was du meinst, nur es stimmt einfach nicht. Da musst du schon eine andere Frase todreden.
Jedes Baby kommt alleine auf die Welt. Vorausgesetzt alles läuft normal. Im Idealfall ist nur eine Hebamme anwesend. Ein Kaiserschnitt, Zangengeburt ist etwas anderes. Da bestätigt die Ausnahme die Regel.
Du kannst dich jetzt an "jedes" aufhängen. Aber wenn du das machst, schreib es richtig.
Phrase nicht Frase.
So geht Selbstliebe:
Jeder wird alleine geboren. Oder kommen 2,3 oder 4 Kinder gleichzeitig raus?