Stochastik: Untersuchen Sie, wie viele Ersatzpiloten bereitstehen sollten, um mit 99% Sicherheit einen reibungslosen Flugbetrieb zu garantieren?
Guten Morgen Mathematiker in der Community,
ich habe hier eine Aufgabe, die unseren gesamten Leistungskurs inklusive Lehrer in Verzweiflung gebracht hat.
Die Erkrankungsrate der Piloten einer Fluggesellschaft beträgt 5%. Für einen reibungslosen Flugbetrieb werden 200 Piloten benötigt. Untersuchen Sie, wie viele Ersatzpiloten bereitstehen sollten, um mit 99% Sicherheit einen reibungslosen Flugbetrieb zu garantieren.
Die Aufgabe sieht auf den ersten Blick sehr einfach aus...
Folgende zwei Lösungsvorschläge haben sich bei uns im LK ergeben:
Ich bin der Meinung, dass Möglichkeit 1 die Richtige ist, da Da auch berücksichtigt wird, dass in der Ersatzgruppe ja auch nochmal Piloten erkranken können. Meiner Meinung nach wird das bei Möglichkeit 2 vernachlässigt, wobei Möglichkeit 2 auch naheliegend ist, da die Approximation der Binomialverteilung unser aktuelles Thema ist.
Ich würde mich sehr über viele Rückmeldungen und weitere Lösungsvorschläge freuen. Dafür schonmal danke im voraus!
Beste Grüße zum Wochenende carbonpilot01
3 Antworten
Hallo,
die Angleichung über die Normalverteilung führt auch zum Ziel.
Bei einer Abweichung von 2,33 Standardabweichungen vom Erwartungswert nach oben oder unten (hier interessiert natürlich nur die Abweichung nach unten) bleibt jeweils ein Rand von 1 %, in dem Werte liegen, die sich außerhalb der gesetzten Norm bewegen.
Du suchst also einen Erwartungswert, von dem Du 2,33 Standardabweichungen abziehst, um auf 200 zu kommen.
Der Erwartungswert ist natürlich 0,95n, denn erfahrungsgemäß sind 95 % der Piloten dienstfähig.
Die Standardabweichung ist die Wurzel aus Erwartungswert mal Gegenwahrscheinlichkeit, hier also die Wurzel aus (0,95*0,05*n).
Du hast also nur noch eine Unbekannte, die herauszufinden ist:
Erwartungswert minus 2,33 Standardabweichungen gleich 200:
0,95n-Wurzel (0,95*0,05*n)=200
Durch Isolierung der Wurzel auf einer Seite und anschließender Quadrierung bekommst Du eine quadratische Gleichung mit zwei Lösungen, deren eine bei etwas über 202 liegt (unbrauchbar), die andere bei über 218.
Da Du keine Bruchteile von Piloten beschäftigen kannst, mußt Du die nächsthöhere natürliche Zahl wählen, also 219.
Herzliche Grüße,
Willy
Natürlich kannst Du auch die Summenfunktion der Normalverteilung Deines Rechners bemühen und ein wenig mit den Grenzen herumspielen. Aber das ist unsportlich.
evtl. sollte man noch auf die Laplace-Bedingung hinweisen (ist hier nur knapp erfüllt...)
Bei der Berechnung von µ und sigma wurde einfach n=200 gesetzt.
Das ist aber falsch, denn n ist die Zahl der Piloten, die man braucht, damit in 99 % aller Fälle mindestens 200 von ihnen einsatzbereit sind.
Das wirkliche n muß ja erst berechnet werden.
Die Formel ist hier auch wenig brauchbar.
Sie ist besser geeignet, wenn n, p und k einer Binomialverteilung bekannt sind.
Nehmen wir an, du möchtest berechnen, wie wahrscheinlich es ist, daß von 200 befragten Personen in Bayern bis zu 100 CSU-Wähler sind, wenn bekannt ist, daß 40 % der Bevölkerung diese Partei wählen (Zahlen sind aus der Luft gegriffen und dienen nur als Beispiel).
Dann kannst Du entweder die
SUMME (k=0 bis k=100) über ((200 über k)*0,4^k*0,6^(200-k)) bilden und kommst auf 0,9983 (wenn der Rechner nicht streikt wegen der hohen Fakultäten), oder Du näherst durch die Standardnormalverteilung an, indem Du die Grenzen anpaßt.
Du erweiterst die Obergrenze von 100 auf 100,5 und berechnest die Differenz zwischen dem Erwartungswert µ=80 und der Obergrenze in Standardabweichungen, indem Du die Standardabweichung nach der bekannten Formel Wurzel (µ*(1-p)=Wurzel (0,6µ)=6,92820323 berechnest und danach die Differenz von 100,5-80=20,5 durch diese Standardabweichung teilst.
Das bringt Dich auf 2,95892013 sigma, also etwa 2,96 sigma.
Unter diesem Wert findest Du in der Tabelle der kumulierten Standardnormalverteilung Phi(2,96)=0,9985, was dem tatsächlichen Wert recht nah kommt.
Würdest Du die obere Schranke bei 100 lassen, also ohne die Stetigkeitskorrektur, kämst Du auf z=20/sigma=2,89.
Phi(2,89)=0,9981, also deutlich unter dem tatsächlichen Wert.
Noch genauer wird es, wenn Du die Untergrenze auf -0,5 korrigierst und z=80,5/sigma gleich -11,619 einsetzt.
Dann kommst Du mit Phi (2,96)-Phi (-11,62) auf 0,99846.
Vielen Dank, lieber Willy! Ich habe alles verstanden, da hätte ich eigentlich auch selbst drauf kommen können, warum man es nicht nach dieser Möglichkeit machen darf! Gleich gibt es den Stern!
Oft geht es nur über die Annäherung durch die Normalverteilung - nämlich dann, wenn Du es mit großen n und k zu tun hast. Die meisten Rechner kommen mit zu hohen Fakultäten nicht zurecht und geben eine Error-Meldung aus.
Da Du bei der Normalverteilung keine Fakultäten brauchst, kommst Du auf diese Art weiter und der Unterschied ist bei einer Varianz ab 9 vernachlässigbar.
Ich habe gerade beim Abschreiben doch noch zwei Fragen: 1.) Du schreibst: Erwartungswert minus 2,33 Standardabweichungen gleich 200, schreibst dann im nächsten Satz aber 0,95n-Wurzel (0,95*0,05*n)=200___Muss es nicht dann heißen: 0,95n-2,33*Wurzel (0,95*0,05*n) ? 2.)Für 0,95n-2,33*Wurzel (n*0,95*0,05)=200 erhalte ich 0,9025n^2 - 0,2579n - 40000=0 mit den Lösungen n1=210,67 und n2=-210,38 ||| Für 0,95n-Wurzel (n*0,95*0,05)=200 erhalte ich 0,9025n^2-0,0475n-40000=0 mit den Lösungen n1=210,55 und n2=-210,50 ||| Das versteh ich gerade gar nicht, ist ein Widerspruch zu deiner Antwort?! Grüße carbonpilot01
Du hast recht, ich habe vergessen, den Faktor 2,33 noch einmal hinzuschreiben.
Gerechnet habe ich aber mit ihm, sonst wäre ich nicht auf das korrekte Ergebnis gekommen.
Es muß lauten:
0,95n-2,33*Wurzel (0,95n*0,05)=200, was gerundet zu n=219 führt.
Danke für die Antwort, aber trotzdem komme ich noch nicht so ganz weiter. Deine zuletzt dargestellte Gleichung führt bei mir zu: 0,9025 n^2 - 0,1031n - 40000 = 0 Ist das bei Dir auch so? Und zu dieser Gleichung erhalte ich sowohl mit meinem Taschenrechner (CASIO fx-991 DE X) als auch mit Online-Taschenrechnern die Lösungen n1=210,58 und n2=-210,47 Wo liegt das das Problem?
Dann hast Du falsch aufgelöst.
Bring 200 nach links und den Term mit der Wurzel nach rechts und quadriere, wobei Du links nach der zweiten binomischen Formel vorgehst.
Du bekommst 0,95²n²-380n+40000=2,33²*0,0475n.
Alles nach links:
0,9025n²-380n-0,25787275n+40000=0
Zusammenfassen:
0,9025n²-380,2578728n+40000=0
Der Rechner liefert dazu die positive Lösung n=218,4263993, die andere liegt bei 202 und ist zu niedrig, weil viel zu nah an der Untergrenze 200.
Ich habe meinen Fehler gefunden, war zu müde und habe nicht nach den binomischen Formeln quadriert... 😕 Danke für alles, wenn es um Mathematik geht, bist Du meiner Meinung nach der kompetenteste Ansprechpartner hier auf gutefrage.net, echt klasse Beiträge! Weiter so!
Es müssen mindestens 200 gesunde Piloten kommen. Wahrscheinlichkeit für "gesund" ist 0.95. Gesucht ist also das n für das gilt:
P(x >= 200) > 0.99 bzw.
P(x <= 199) < 0.01
Das kann man wohl nur mit Tabellen ("Ausprobieren") herausfinden.
Bei meinem Taschenrechner gebe ich ein
Bcd(199,x,0.95) und tabelliere das für x von 200 bis 250
Bcd(k,n,p) gibt die kumulative Wahrscheinlichkeit P(X<=k) bei einer Binomialverteilung mit den Parametern n und p.
Bcd(199,218,0.95) = 0,0139
Bcd(199,219,0.95) = 0,0073
Bei 219 Piloten ist die Wahrscheinlichkeit, dass weniger als 200 gesund sind, kleiner als 1% ==> 19 Ersatzpiloten
Die Frage ist natürlich, ob eine Binomialverteilung vorliegt, d.h. ob die Erkrankungsrate der Piloten unabhängig ist. Wenn die Grippe grassiert oder auch aus arbeitspolitischen Gründen ("wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden, sind wir eben krank") sind schonmal viele Piloten gleichzeitig krank.
Aber diese Zweifel sind bei der Aufgabe wohl nicht angebracht ;-)
Hallo Schachpapa, vielen Dank für Deine Antwort! Zwei kurze Fragen habe ich noch. 1.) Du schreibst oben P(X>=200) > 0,99. Müsste es nicht, wenn man genau nach der Aufgabenstellung geht, heißen: P(X>=200) = 0,99 ? 2.) Diese Lösung erscheint mir auch richtig, doch wie/ mit welchen Argumenten kann ich meiner Lehrerin beweisen, dass die beiden dargestellten Möglichkeiten falsch sind? Vielen Dank!
Zu 1) da es sich hier um eine diskrete Verteilung handelt, machen die Wahrscheinlichkeiten Sprünge, d.h. es gibt kein n, bei dem P(X>=200) exakt = 0.99 ist.
Zu 2) Ganz ehrlich? Ich habe mir deine Lösung nicht so genau angeschaut. Die Pilotenaufgabe ist eigentlich eine Standardaufgabe beim Thema Binomialverteilung, bei der das n gesucht wird.
Ähnliche Aufgaben: Wieviele Stühle müssen für eine Tagung von 200 Eingeladenen bereit stehen, damit mit P>0.99 alle Teilnehmer sitzen können, wenn erfahrungsgemäß 10% absagen.
Wieviele Buchungen darf ein Reiseveranstalter für 50 Hotelzimmer annehmen, wenn erfahrungsgemäß 5% der Gäste absagen. Da kann man dann noch den Erwartungswert des Gewinns berechnen, wenn bei einer Überbuchung die Differenz der Kosten für ein Ersatzzimmer beim Mitbewerber vom Veranstalter getragen werden.
Die hat deine Lehrerin sicher in ihrem Aufgabenfundus ...
Alles klar, das ist soweit verständlich! Als kleine Bitte aber nur interessehalber für mich: Wäre es möglich, dass Du dir die beiden dargestellten Lösungen nochmal anschaust und ganz kurz sagst, warum das falsch ist? Das würde mir für die Zukunft sehr helfen...
Meine Lehrerin war sich halt ganz sicher, dass man es so wie in Möglichkeit 2 macht, aber warum genau ist es so falsch?
Die richtige Antwort ist 19. Denn: Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens 200 Piloten erscheinen von 219 ist 99,26%. Bei 218 wären es 98,609% < 99%.
Mir fiel auf die Schnelle jetzt nur ausprobieren ein, aber die Lösung hast du damit schonmal
Hallo Willy, erstmal vielen Dank für Deine Antwort! Deine dargstellte Lösung ist soweit verständlich für mich. Wäre es noch möglich, dass Du dir die beiden Lösungswege unseres LKs anschaust und sagts, was daran konkret falsch ist? Besonders unser Lehrer "beharrte" auf Möglichkeit 2 - mit welchen Argumenten kann ich ihr beweisen, dass diese nicht richtig ist? Grüße carbonpilot01