Sind Zinsen unmoralisch?
Im Altertum wurde das Einfordern von Zinsen für verliehenes Geld vielerorts als unmoralisch angesehen, heutzutage ist es weltweit akzeptiert. Ist es nicht aber doch unmoralisch wenn man bedenkt wo das Geld für die Zinsen herkommt? Man verleiht Geld um es "für sich arbeiten" zu lassen. Ich habe aber noch keinen Zehneuroschein beim Zeitungsaustragen gesehen. In Wirklichkeit läßt man doch andere Menschen für sich arbeiten wenn man Zins auf sein Geld nummt. Oder wie seht Ihr das?
13 Antworten
Zinsen sind die Entschädigung dafür, dass der Kreditgeber auf seine Kaufkraft / seinen Konsum verzichtet. Ohne diese Entschädigung hätte er keinen Grund, dies zu tun -noch dazu, weil er das Risiko tragen muss, dass sein Schuldner den Kredit nicht zurückzahlt.
Zinsen sind insofern also nötig und noch nicht unmoralisch. Unmoralisch werden sie erst in dem Augenblick, wenn sie jenseits dessen liegen, was realistisch erwirtschaftet werden kann.
D.h.:
Führt man den Zinseszins ein, kann die Schuld aus rein mathematischen Gründen niemals mehr zurückgezahlt werden (die Zinseszinsfunktion ist eine Exponentialfunktion, und kein reales System kann dauerhaft exponential wachsen -das sehen wir gerade an der aufziehenden weltweiten Finanzkrise).
Verlangt man Zinsen, die größer sind als jene ca. 6..7%, die man nachhaltig (=ohne auf Kosten nachfolgender Generationen zu leben) erwirtschaften kann, ist das ebenfalls unmoralisch
Insofern (weil wir beides haben: Zinseszins und Wucherzinsen) ist unser derzeitiges Finanzsystem unmoralisch (und wird auch bald zusammenbrechen). Das spricht aber nicht gegen Zinsen an sich.
Vorweg: Kredite können für zwei total unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden:
- für den Konsum
- für eine Investition
Was wir derzeit (leider) sehen müssen, ist, dass ein grossteil der Staatsschulden für Kredite der ersteren Art gemacht werden anstatt für die letztere Art.
Wohlgemerkt: "Konsum" ist zunächst nicht amoralisch, sondern sogar notwendig, weil dadurch der Wirtschaftsmotor am laufen gehalten wird; selbst "Konsum auf Kredit" ist nicht amoralisch, wenn die Kreditrückzahlung tatsächlich durch den Schuldner eingehalten wird.
Karl Marx hat einmal sehr schön definiert, Geld sei "zu Substanz geronnene Arbeitszeit": Wenn ich einen Kredit nehme, dann gehe ich das Versprechen ein, diese von jemandem anderen in Vorleistung für mich erbrachte Arbeitszeit irgendwann wieder zu begleichen. Tue ich das nicht oder weiss ich schon im Moment der Kreditnahme, dass ich diese Schuld nicht begleichen kann oder will, dann handele ich unmoralisch
(So machen bspw. praktisch alle Industriestaaten fröhlich weiterhin neue Schulden, obwohl sie wissen, dass sie damit gerade eben mal noch die Zinsen der schon bestehenden Altschulden bedienen-, auf gar keinen Fall aber jemals mehr ihre Altschulden begleichen können werden: Das ist zutiefst amoralisch gegenüber den Gläubigern und den nachfolgenden Generationen, welche die Zeche hierfür in der einen oder anderen Form bezahlen müssen, ohne zuvor je in den Genuss des schuldenfinanzierten Konsums gekommen zu sein).
Nun zu dem zweiten Fall, dem Kredit als Investition :
Aber sollte es dann nicht auch gewinnbringender sein
mit Geld etwas aufzubauen, als Geld zu verleihen?
Das sind zwei Seiten derselben Medaille: Derjenige, welcher Geld übrig hat, könnte es ja auch selbst investieren. Wenn ich nun z.B. €1 Mio habe und könnte sie durch ein eigenes Investment zu 6% verzinsen -warum sollte ich sie dann an jemand anders zu einem geringeren Zinssatz als 6% verleihen? Umgekehrt wird ein Kreditnehmer nur dann bereit sein, sich zu einem Zinssatz von im Beispiel 6% zu verschulden, wenn er sich selbst ziemlich sicher ist, dass er durch dieses Investment letztlich auf Dauer mindestens diese 6% mehr erwirtschaften kann als zuvor -denn warm sollte er diese Investition sonst machen?
Somit ist also am Kreditwesen für Investitionen nichts amoralisches -der "gerechte" Zinssatz bildet sich in einem freien Markt einer realen Wirtschaftsordnung nach o.g. schon von selbst aus.
Das eigentliche Problem ist viel mehr, dass die Politik es seit den 1980er zugelassen hat, dass sich neben dieser "Realwirtschaft" leider auch immer mehr eine "Finanzwirtschaft" entwickelt hat. Das amoralische der letzteren ist, dass sie aus purer Gier nach höheren als den eingangs beschriebenen "natürlichen" bzw. "nachhaltig" real erwirtschaftbaren Renditen bewusst in Kauf genommen hat, dass man hierzu ein System aufbauen muss, welches zur Erzielung dieser dauerhaft unmöglichen Renditen entweder..
- Teile der Natur ausbeuten muss (=Zerstörung der natürlichen Ressourcen / Raubbau)
- Teile der Menschen ausbeuten muss (=Umverteilung der Vermögen)
- ein Schneeballsystem aufbauen muss (=Vorspiegelung von nicht erfüllbaren Renditen / Betrug)
Unser momentanes Wirtschaftssystem ist leider eine Kombination aller drei aufgezählten Verbrechen.
Mit verleihen von Geld reich zu werden bedeuted doch im Prinzip ohne eigene Arbeit reich zu werden (auf Kosten der Arbeit anderer).
Nicht unbedingt: Wenn das Geld, das Du verleihst, im Sinne von Marx "geronne Arbeitszeit" ist, welche Du selbst zuvor erbracht und angespart hast, dann ist nichts unredliches daran, sie an andere zu verleihen. Und der Zins dafür ist nach allem zuvor beschriebenem nicht von vornherein unmoralisch.
Aber: Eines der wesentlichen Verbrechen unserer Zeit besteht darin, dass die Staaten eben Geld schöpfen -einfach so (siehe Wikipedia unter "fiat money"): Weder ist dieses "fiat money" durch geleistete "geronne Arbeitszeit" erschaffen worden, noch exisitiert auch nur der Hauch einer Chance, dass der Emittent (und Nutzniesser!) dieses Kredits umgekehrt jemals seinen Konsum durch eigene geleistete Arbeitsleistung wieder begleicht.
-Das ist der essentielle Fehler und das eigentliche Verbrechen!
Vielleicht sollten ausschließlich Banken die Erlaubnis haben Kredite nach den oben genannten Kriterien zu vergeben und diese müßten dann staatlich sein, damit auf Volksseite nicht Reichtum reicher macht, sondern Aufbau, Produktion und Dienstleistung.
Inwessen Hand das Bankwesen ist (privat oder staatlich), ist letztlich gar nicht relevant. Der eigentliche Fehler steckt tiefer: Dass wir es nämlich zulassen, dass sich oben skizziertes Investmentbanking etabliert hat, welches wissentlich von der Realwirtschaft abgekoppelte fiat-money Geschäfte mit Renditen abwickelt, die real nicht- bzw. nicht sozial erwirtschaftbar sind -und diese konsequent sanktionieren.
Was ist dann mit allen Geschäften, bei denen Leute zunächst etwas für Geld kaufen und das dann verleihen? Zum Beispiel einen Sitzplatz in einem Bus. Oder ein Video. Oder ein Schließfach? Ich sehe nicht, was das mit Moral zu tun hat.
Ich sehe nicht was das mit Zins zu tun. Wenn ich zum Beispiel ein Hammer kaufe und ihn dann für Geld verleihe bekomme ich dafür eine Leihgebühr für die Leistung, dass dieser Hammer genutzt werden kann. Das ist aber etwas völlig anderes als wenn ich mein Geld zum Beispiel auf einem Tagesgeldkonto anlege und dafür von der Bank Zinsen bekomme. Die Bank nutzt das Geld als Sicherheit für neue Kredite an andere Kunden. Von 1000 EUR die ich auf meinem Tagesgeldkonto habe kann die Bank Kredite in Höhe von mehreren zehntausend EUR vergeben. Von diesen Zinsen welche die Bank eintreibt werden meine Zinsen bezahlt. Das Geld für die Zinsen muss von den Zinsnehmern durch Arbeit erworben werden. Ergo lasse ich fremde für mich arbeiten ohne selber eine Leistung zu erbringen. Die Bank erbringt auch keine Leistung (wenn man mal von dem Verwaltungsaufwand absieht).
Eine Zins ist nichts anderes als eine Leihgebühr. Nur verleihst du das Geld eben direkt, anstatt vorher was dafür zu kaufen. Lass doch mal die Bank weg und stell dir vor, du leihst einem Kumpel 100 Euro und willst dafür 110 zurück. Was hat das mit Moral zu tun? Dein Kumpel wird mit den 100 Euro irgendwas anfangen, was er ohne sie nicht könnte. Nichts anderes tut die Bank.
Ein Zins ist eben doch etwas anderes als eine Leihgebühr denn es kommt der Zinseszins zu tragen. Angenommen du leihst dir 100 € für 5% Jahreszins. Nach einem Jahr sind es 105 €. Nach zwei Jahren sind es aber nicht 110 € sondern 110,25 €. Nach zehn Jahren schon 162,89 €. Das ist schon mal ein wesentlicher Unterschied. Hinzu kommt noch das Geld selber keinen realen Wert hat. Du verleihst also etwas was an sich gar keinen Wert hat, bekommst aber Geld dafür.
So what? Du bekommst etwas dafür, was deinen Worten zu Folge gar keinen realen Wert hat.
Man mag den Zins betrachten wie man will, moralisch/unmoralisch, "Leihgebür" oder nicht. Fakt ist, dass er unsere Gesellschaft zerstört (s. mein diesbezgl. Posting).
Gruß gt
Ich sehe es auch so. Zinsen waren keine gute Erfindung, denn sie macht ein Tauschmittel zu einer Art "Perpetuum Mobilie" für jenen, der für diesen Prozess genügend Geld besitzt. Statt eines Sättigungsprozesses werden Konten dadurch immer "hungriger". Ein solches System hat keine Selbstregulation zur ausgeglichenen Verteilung, sondern führt zwangläufig zu einem immer größeren Ungleichgewicht. Es handelt sich dabei also um ein labiles und nicht um ein stabiles System. Jeder weiß, daß das auf Dauern nicht funktionieren kann.
Es ist im Prinzip ähnlich, wie das Spiel "Monopoly": Nach einer Stunde kann man das Spiel eigentlich auch beenden, da der Wohlhabenste der einzige ist, der noch wohlhabender werden kann. Ein gutes Beispiel für labile Systeme.
Mit Zinsen spielen ist also ähnlich wie Monopoly spielen. ;-)
Mit gefällt der Vergleich mit Monopoly ;). Im Grunde waren Zinsen ja eine gute Erfindung, die aber nur wenigen genutzt hat..
So ist es. Das gesamte kapitalistische System ist labil aufgebaut. Aus diesem Grund befindet sich ca 95% des Gesamtkapitals in den Händen von 5% der Menschheit. Oder anders gesagt: Etwa 95% der Menschen muß sich um 5% des vorhandenen Geldes schlagen. 95% der Menschen sollen ihren Gürtel enger schnallen, damit 5% noch reicher werden können. Der Kapitalismus hat ebenso versagt, wie der Kommunismus. Wir benötigen ein sich selbst regelndes System, das eine ausgeglichene Verteilung von allem bewirkt und dabei die Vielfalt der Individuen fördert. Alles dafür notwendige ist bereits vorhanden. Es ist nur eine Frage des politischen Willens.
Ich stimme dir größtenteils zu obwohl für mich nicht zwingend daraus folgt dass der Kapitalismus total versagt hat. Der richtige Weg kann aber auch nicht sein, "von oben" ein neues System zu etablieren dass dann alles automatisch regeln soll. Was wir brauchen ist eine breie gesellschaftliche Diskussion über die Grundlagen unseres Systems und wie man die zum Besseren ändern kann. Wann, wenn nicht jetzt soll so eine Diskussion starten? Wir leben in interessanten Zeiten.
ja, da kann ich Dir nur zustimmen. Und wenn ich sage, daß der Kapitalismus ebnso versagt hat, wie Kommunismus, dann meine ich damit in beiden Fällen, die Umsetzung. In beiden Ansätzen gibt es gute Ideen, doch beide Systeme sind nicht ausgereift und wurden mißbraucht, wie es nicht die Mutter der Gedanken war.
In der Tat ist es nicht unbedingt notwendig ein komplett neues System von Oben aufzusetzen. Das sehe ich auch so. Für eine fruchtbare Diskussion über die Grundlage unseres Systems und unsere Gesellschaft, halte ich es jedoch für nützlich, wie beim Brainstorming, den Mut aufzubringen, sich von allen eingefahrenen Gedankenmustern vorrübergehen und theoretisch zu trennen, um erst einmal völlig frei von den Verzettelungen und Verstrickungen der aktuellen Situation, sich unabhängig davon Gedanken zu machen, was man überhaupt will und über welches Regularium man seine Vorstellung von der Traumwelt aufbauen und halten könnte. Was sind eigentlich die Probleme, die wir nicht mehr möchten? Wie soll die Gesellschaft aussehen, in der wir gerne leben möchten? Was ist überhaupt der Zweck einer Gesellschaft? Warum gibt es sie? Erinnern wir uns daran, was wir ursprünglich mal erreichen wollten. Haben wir es erreicht? Ist es nachwievor der Menschheitswunsch? Wie müßte eine Gesellschaft geregelt sein, damit sie so funktioniert, wie es am besten für alle und jedem Einzelnen darin ist?
Als zweiten Schritt kann man dann das Wunsch-Ziel mit den aktuellen Umständen vergleichen und wie zwei Schablonen übereinanderlegen. Dann werden die Diskrepanzen schon einmal sehr klar sichtbar.
Der dritte Schritt ist dann ein Modell zu entwickeln, in dem bewahrt wird, was sich als gut für alle herausgestellt hat und verändert, wo Mißstände sind. Umdenken wird erforderlich sein. Das setzt jede Veränderung voraus.
Zuletzt muß entschieden werden, was sanft überleitend verändert werden kann und was eine kurzfristige, "radikale", gesetzliche Veränderung fordert. Möglicherweise müssen dazu auch sehr alte wirtschaftliche Knebel-Verträge schlichtweg gebrochen werden, um sich überhaupt aus festbetonierten Verstrickungen lösen zu können. Die Freiheit, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, muß erlaubt sein. Die demokratische Macht muß logischer weise über der Macht der Wirtschaftsherrscher stehen, andernfalls läßt sich ohnehin nichts verändern.
Es gibt gute Bewegungen von klugen und kreativen Menschen, die davon überzeugt sind, daß Mißstände nicht schicksalshaft hingenommen werden müssen, sondern daß es an uns liegt, in was für einer Welt wir leben werden, ebenso, wie die heutige Welt das Resultat früherer Entscheidung war. Ich sehe es genauso.
Es ist aller höchste Zeit, den Mut zu haben, sich zu trauen, soweit notwendig, auch an der Basis unseres alten Systems und Vorstellungen zu rütteln. Ich denke, wenn alles zu kompliziert geworden ist, ist es sinnvoll, aufzuhören an Symptomen herumzudocktern, sich einfach zurückzulehnen und sich das Ganze anzuschauen. Wenn etwas fast unlösbar kompliziert geworden ist, dann muß der Fehler bereits viel früher auf dem Weg dorthin entstanden sein. Möglicherweise begann das Problem ja schon mit einem Fehler im Fundament.
Ja, ich finde es ist Zeit für eine Inventur. Alle verwendeten Konzepte müssen in Frage gestellt werden dürfen um daraufhin völlig frei, neue Entscheidungen so zu treffen, wie es sinnvoll ist. Wenn uns klar ist, was wir wollen, können wir es tun. Egal was. Wer will sich über die Demokratie stellen? Wer wagt es eigentlich die Demokratie zu erpressen? Wir haben noch viel zu viel Angst vor Obrigkeiten, deren Erpressungen und Drohungen. Dabei ist selbst der mächtigste Mann nichts, wenn ihm keiner folgt. Wir müssen uns frei von Angstmacherei und Drohungen machen und mit Verstand, Mut, Herz und Willen handeln. Schluß mit Knebelverträgen und Erpressungen. Wenn wir alle der Meinung sind, bestimmte Regeln oder Verträge von Wirtschaftsherrschern sind für das Volk ungerecht, entwürdigend, verarmend und machen die Demokratie handlungsunfähig, dann müssen wir eben auch einfach mal den Mut haben die Spiele so nicht weiter mitzuspielen. Man kann alles neu Verhandeln, jederzeit Spielregeln verändern, optimieren oder wenn Banken und Konzerne auf stur schalten, im Zweifelsfall dann eben auch ganz neue Spielregeln einführen. Na und?
Wenn bspw. ein Vermieter viel zu viel Miete für den Laden verlangen würde, mit dem ich versuche mein Auskommen zu erwirtschaften, und der Vermieter weigert sich seine Miete zu reduzieren, dann mache ich den Laden eben einfach dicht. Fertig. Dann bekäme der Vermieter überhaupt keine Miete mehr. Bringt ihm dann auch nichts. Soll er sich überlegen, ob er seine Macht wirklich ausspielen möchte. Es nützt doch nichts, an einem sinkenden Luxus-Schiff festzuhalten. Wenn man es nicht reparieren darf, ist im zweifelsfall besser ein Floß zu bauen.
Also laß uns diskutieren, wie wir eine bessere Welt bauen. Wir brauchen offene und kreative Menschen mit guten Ideen. Ja,eine interessante Zeit
Zins ist nicht Zins und Geld nicht Geld. Beides hat in je anderen Wirtschaftsformationen eine andere Bedeutung und anderes Gewicht. In vielen Städten mit mittelalterlichem Kern findest Du noch sogenannte ZEHNTHÄUSER. Da wurden Steuern und Abgaben an den Landesherrn nicht in Geld sondern in Naturalien gezahlt. Geldwirtschaft war noch gegenüber der Realienwirtschaft relativ unbedeutend. Es gab Einzelbankiers oder eher vermögende Kaufleute, die auch Geld verliehen haben, aber keine Banken und keinen Finanzmarkt in unserem heutigen Sinn. Insoweit gab es betreffs Zinsen keinen richtigen Markt mit Angebot und Nachfrage.
Das ist heute ganz anders. Allerdings ist das Banken- und Sparkassenwesen, wie wir es heute haben, noch sehr jung. Knappe 200 Jahre alt. Und dass Normalbürger soviel Geld haben, dass sie Überschüssiges auf die Bank legen können, ist noch keine 100 Jahre alt. Davor war das nur Vermögenden aus Adel, Handel oder Produktionswirtschaft möglich. Der Ausdruck "Geld für sich arbeiten lassen" ist flappsig und trifft nicht den Kern, denn von Zinsen auf Erspartes ist noch keiner reich geworden. Wer von Zinsen, und eher noch von Renditen (und da ist ein beträchtlicher Unterschied) leben will, der muss viel Geld anlegen und er muss es gut anlegen. Und letzteres bedeutet Arbeit, viel Arbeit, denn man muss dann immer auf der Höhe der Information sein, man muss sich bei Risikobeteiligungen kümmern, dass alles richtig läuft. Normalbürger bekommen schon das Grausen, wenn sie nur die langen Statistiken und Börsenkurskolonnen sehen, die andere mit Begeisterung studieren.
Weder unser moderner Massenkonsum noch unsere moderne Massenproduktion sind ohne Kapital denkbar. Kapital aber ist ein Wirtschaftspotential, das nur nutzlos liegen zu lassen, ebenso unethisch wäre wie über Erpressung oder Betrug mehr davon herauszuschlagen, als der normale Marktzins hergibt. Wie aber der Finanzmarkt geregelt ist, ist eine Sache der Politik und diese hat in letzter Zeit - teils in dummer Gier - Regelungen zugelassen oder sogar extra geschaffen, die es erleichtern mit hohem Risiko im Glücksfall viel zu verdienen und im Unglücksfall die Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Das machen Politiker, entweder weil sie die Wirkung ihrer Entscheidungen selbst nicht übersehen oder weil sie ihren Wählern ein X für ein U vormachen können und nebenbei für spezielle Klientels sorgen, was sich sicher nicht kostenlos tun.
Zinsen sind in unserer Wirtschaftsverfassung so moralisch oder unmoralisch wie die Geschwindigkeitsanzeige im Auto. Nicht die Geschwindigkeitsanzeige macht das Auto schnell, sondern der Fuß auf dem Gaspedal und der Kopf, der nicht genug Geschwindigkeit bekommt. Man sollte nie den Boten für die Botschaft verantwortlich machen.
Sicher, Zins an sich ist nicht böse sondern nur ein Werkzeug. Es kommt nur darauf an wie man es benutzt, genauso wie auch Waffen an sich nicht böse sind. Und die Politik hat definitiv versagt indem sie Finanzpraktiken erlaubt hat welche die negativen Seiten des Zinssystems gefördert haben. Aber gerade zur Zeit treten ja die negativen Seiten des Systems immer mehr zu Tage und das liegt nicht nur an unfähiger oder kurzsichtiger Politik sondern auch an dem System an sich. Denn eine Weltwirtschaft die auf einem Zinssystem basiert braucht ständiges und damit exponentielles Wachstum und so etwas kann in einer Welt mit begrenzten Ressourcen nicht auf Dauer existieren.
Ich denke es ist schon berechtigt sich die Frage zu stellen ob die Werkzeuge die wir benutzen nicht zu gefährlich sind. Aus demselben Grund wird die Atomenergie sehr kritisch beäugt. Es gibt durchaus Alternativen zum aktuellen Zinssystem die man beachten sollte.
Einspruch, Euer Ehren! Der Zins veranlasst doch nicht, dass jemand Schulden macht. Der Zins ist eher ein Anreiz, jemandem, der Schulden machen will, Geld zu leihen. Der Schuldenmacher ist für sich selbst verantwortlich. Der Zins ist auch nicht verantwortlich dafür, dass wir Wachstum ohne Ende brauchen, weil wir den Hals nicht voll kriegen. Ursprünglich hat man Zins nur aufgenommen, wenn durch den geliehenen Kapitaleinsatz eine Steigerung von Produktivität zu erwarten war, aus der heraus der Zins gezahlt werden konnte. Bei Verbrauchsgütern haben früher solide wirtschaftende Bürger angespart, um sich z.B. ein Auto leisten zu können oder ihre Haushaltsführung so eingegrenzt, dass darin Platz für Zins war, um eine größere Anschaffung vorziehen zu können. Der Zins ist nicht verantwortlich dafür, dass wir unsolide wirtschaften.
Zins und Atomenergie sind ein schlechter Vergleich. Zins und Energiegewinnung schon eher, denn dann stellt sich die Frage, ob man unbedingt in riskante Gewinnung gehen muss, um unsere Städte, Häuser und Reklametafeln so zu befeuern, dass sie den Mond erhellen. Braucht man Flat-Rates, nur weil man fünf Minuten nicht die Klappe halten kann, weil man dann den Computer rund um die Uhr auf Empfang lässt, man könnte ja in seiner Wichtigkeit übersehen werden. Wie auch immer, wir und unsere Lebensweise bestimmen, ob wir uns mit dem Zins selbst den Stick um den Hals legen.
Eben doch. Der Zins verlangt dass jemand Schulden macht denn irgendwo muss das Geld für den Zins herkommen. In letzter Konsequenz muss immer irgendjemand dafür einen Kredit aufnehmen denn ansonsten würde sonst das ganze im Umlauf befindliche Geld irgendwann für Kredit Tilgung verwendet werden. Das Geld muss also dadurch dass jemand einen Kredit aufnimmt erschaffen werden. Dadurch steigt automatisch automatisch die allgemeine Schuldenlast. Du meinst, es liegt am Menschen dass er nicht vernünftig haushalten kann. Es ist aber rein mathematisch gar nicht möglich, dass irgendwann alle Schulden getilgt werden. Da in unserem Geldsystem Geld nur dadurch erschaffen wird, indem ein Kredit aufgenommen wird würde, falls alle Schulden getilgt wären, gar kein Geld mehr vorhanden.
Ich finde doch den Vergleich des Zinssystems mit der Atomenergie recht treffend denn bei dir hört es sich so an als wäre das Zinssystem das einzig mögliche Geldsystem, das ist aber nicht der Fall. Es sind andere Geldsysteme denkbar welche denselben Zweck erfüllen könnten, nämlich zum Beispiel Kapitalbeschaffung für expandierende Firmen etc., welche aber nicht dieselben System-Immantenten Fehler haben. Ein Geldsystem dass besser an den Menschen angepasst ist und nicht zulässt das die negativen Eigenschaften gefördert werden, sondern die Positiven. Ein Geldsystem, bei dem die Gewinne die durch den Verleih des Geldes generiert werden, wieder der Allgemeinheit zugutekommen und nicht einer kleinen Minderheit.
Nochmal SORRY, der Zins verlangt gar nichts. Der Zins ist als Preis das Verhandlungsergebnis zwischen jemandem, der mehr Geld braucht, als er hat und jemandem, der mehr Geld hat, als er im Moment braucht. Je mehr Menschen es von beiderlei Art gibt, um so deutlicher bildet sich ein Markt aus mit breiter verhandeltem Preis. Du denkst von einer Systematik her, aber die existiert nicht selbstständig, sondern nur, weil die Menschen als Träger der Systematik in dieses Schuldner-Gläubiger-Verhältnis treten.
Dass Geld dadurch geschaffen wird, dass es Kredit gibt, ist totaler Blödsinn. Geld ist das materielle Gegenstück von relativen Preisen in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, und wenn diese arbeitsteilige Wirtschaft ohne Kredit die Menge an marktverhandelten Gütern erhöht, sollte, um die Relativität der Preise zu wahren, auch die Geldmenge erhöht werden. Wenn Geld durch Kredite geschaffen würde, wäre Griechenland reich und nicht sauarm. Dann würden nicht die Halter griechischer Staatspapiere alles daran setzen, dass der deutsche Steuerzahler haftet: Und uns tut das weh, weil das von unserem realverzehrbaren Konsum ABGEHT.
Ich weiß nicht, was für eine Theorie Du im Hinterkopf hast. Aber ein Zinssystem ist kein Geldsystem. Beide haben zwar miteinander zu tun, obwohl es auch in einer Realgütertauschwelt Zins geben könnte. Z.B. ich leihe - z.B. nach Fäulnis - Dir Saatgut und Du gibst mit auf zwei Jahre gesehen das Geliehene zurück + zwei Hasen. Dann sind ein Hase pro Jahr der Zins, sprich der Preis für die Leihgabe und es braucht kein Geldsystem dazu. Geld erleichtert die Kreditwirtschaft, ist aber keine Voraussetzung dafür. Bei den Ausführungen zu denkbaren anderen Geldsystemen (was wie gesagt Blödsinn ist) wirst Du plötzlich sehr abstrakt. Da fließt Wunschdenken in Abstrakte Beschreibungen ohne Nachweis, dass es mit realen Menschen umsetzbar ist.
Das Geld- und Kreditsystem wie wir es im Moment haben, ist von uns geschaffen und die Abbildung der Tatsache, dass viele Menschen über ihre Verhältnisse leben. Es wird kein System geben, das Menschen davon abhalten wird, über ihre Verhältnisse zu leben. Früher ohne Geldsystem haben Könige andere Königreiche überfallen, um mit Sklaven und Tributen der Unterlegenen ihre Ansprüche zu befriedigen, die ihr Volk mit normaler Arbeit nicht befriedigen konnten. Falls es Dir noch nicht aufgefallen ist, ein solcher Machtkampf ist längst entbrannt und jeder such sich in eine bessere Position zu bringen, um anderen seine Schuldentilgung aufzulasten. Das ist Wirtschaftskrieg. Wenn die Amis mit ihren Kreditkartenkäufen haufenweise ihre Konten überziehen, ist nicht der Zins schuld, sondern die Raffgier. Die amerikanischen Banken wissen genau, dass sie irgendwann wieder irgendwem die Schulden ihrer Kunden unterschieben müssen. Eigentlich sollte Zins im Kreditsystem einer übermäßigen Schuldenmacherei entgegenwirken, indem der Preis steigt. Statt dessen setzten jetzt die verschuldeten Staaten alles daran, die Geldmenge weit über die Werte der Realgüter hinweg zu erhöhen, um so den Zins als Warnsignal auszuschalten. Wenn Du den Zins als Preis für Kredite ausschaltest, schaltest Du die letzte systematische Bremse gegen Schuldenmacherei aus und verschärfst den Wirtschaftskrieg.
SORRY, aber Sie haben das Prinzip der Geldschöpfung nicht verstanden (siehe mein diesbezgl. Posting).
Gruß gt
Das "Zins" selber nichts tut ist klar. Damit, dass Geld durch Kredite entsteht meinte ich nicht dass indem jemand einen Kredit aufnimmt, er ein echtes Guthaben erzeugt. Das wäre wirklich Blödsinn. Wird ein Kredit aufgenommen, wird der Kredit als Forderung and an den Kreditnehmer in der Buchhaltung der Bank vermerkt. Die Bank vermehrt Ihre Aktiva also um den vereinbarten Betrag. Wird der Kredit zurückgezahlt plus Zinsen, heben sich negatives und positives Guthaben wieder auf. Übrig bleibt das Zinsgeld, was vorher nicht existiert hat.
Geld entsteht eben doch durch Kreditvergabe, und zwar in erster Linie (auch wenn die tatsächlichen Abläufe komplexer sind als oben skizziert). Das ist keineswegs ein Geheimnis, auch wenn dieses Wissen nicht weit verbreitet ist. Siehe z.B, aus Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Geldschöpfung
Geldschöpfung und Geldvernichtung Die Geldmenge wird (unter anderem) durch Vergabe von Krediten bzw. Ankauf von Aktiva durch Banken vermehrt und durch Rückzahlung von Krediten bzw. Verkauf von Aktiva von Banken vermindert. Diese Vorgänge nennt man Geldschöpfung und Geldvernichtung.
und
[..]Damit ist Geld vom Standpunkt der Geschäftsbanken ein Schuldbeleg. Für die Zentralbank ist Geld Guthaben bei den Banken. Da Geld heute überwiegend durch Kreditvergabe geschaffen wird, sei es von der Zentralbank gegenüber den Geschäftsbanken, sei es bei Geschäftsbanken gegenüber ihren Kreditkunden oder durch gegenseitige Kreditvergabe der Geschäftsbanken, ist Geld auch ein Schuldanerkenntnis.[..]
Ich kann aber auch gerne "seriösere" Quellen nennen.
Das ist - auch wenn es von Wikipedia stammt - falsch. Geschäftsbanken können nur in dem Rahmen Kredite vergeben, die ihnen die Zentralbank refinanziert. Geschäftsbanken können an der Zentralbank vorbei kein Geld schaffen. Alles andere, siehe Finanzkrise, fällt als Blase in sich zusammen, wenn die Buchwerte nicht mehr mit den Realwerten übereinstimmen. Da jedoch viel Erwartung und Wertschätzung im Spiel sind, kann über diese lockere Verknüpfung erst recht in einem globalen Markt einige Zeit lang die Differenz zwischen Finanztiteln und Realdeckung verdeckt bleiben. Aber irgendwann platzen dann die "faulen Kredite". Wären Kredite = Geldschöpfung gäbe es keine "faulen Kredite" und darauf beruhend "faule Papiere", dann wären keine Bad-Banks nötig, um den Markt auf Kosten der Steuerzahler zu bereinigen.
Ohne Zinsn kann keine Bank existieren, wer gibt schon sein Geld und trägt das Risiko des Verlustes und der Verwaltung ohne etwas dafür zu bekommen, auch die Moslems kommen nicht ohne Zinsen aus, da wird es Gewinnbeteiligung genannt.
Gut differenziert und argumentiert. DH.
Ja, Du hast Recht, man muß unterscheiden zwischen Zinsen und Zinseszins und auch die Zinshöhe spielt eine Rolle.
Aber sollte es dann nicht auch gewinnbringender sein mit Geld etwas aufzubauen, als Geld zu verleihen? Andernfalls würden alle Menschen anstreben nur noch Geld zu verleihen und niemand würde mehr etwas aufbauen wollen (z.b. ein Unternehmen, Forschung, usw.) Mit verleihen von Geld reich zu werden bedeuted doch im Prinzip ohne eigene Arbeit reich zu werden (auf Kosten der Arbeit anderer).
Vielleicht sollten ausschließlich Banken die Erlaubnis haben Kredite nach den oben genannten Kriterien zu vergeben und diese müßten dann staatlich sein, damit auf Volksseite nicht Reichtum reicher macht, sondern Aufbau, Produktion und Dienstleistung. Schließlich sind das die Schlüssel des Wohlstands. Geld arbeitet nicht. Was meinst Du?