Politik Beruf?

3 Antworten

Gut ist es sicherlich wenn Du daran Interesse hast - denn in der Politik kannst Du durchaus etwas bewegen und das Geld ist auch nicht so schlecht ;-)

Natürlich ist es aber ein weiter Weg bis in den Bundestag oder gar ins Ministerium. Denn Du musst Dich ja erst einmal innerparteilich durchsetzen. Und das geht häufig von der Kommunalpolitik (Stadt/Gemeinde, Landkreis) über die Landespolitik in die Bundespolitik. Und gerade die Kommunalpolitik ist keine berufliche Tätigkeit, sondern ein sehr zeitintensives Hobby, für das man obendrein ein "dickes Fell" benötigt. Leistest Du dort gute Arbeit und erarbeitest Du Dir dort innerparteilich einen guten Ruf, was Wissen und Handeln anbelangt, dann kannst Du weiter nach oben rutschen.

Letztendlich ist es dann aber auch immer noch eine Frage des Wählers, der Dich ja entweder direkt wählen muss oder Deiner Partei so viele Stimmen gibt, dass Du auch einen Sitz im Land- oder Bundestag bekommst.

Ju06Mo 
Fragesteller
 26.07.2023, 17:04

Mein Hauptziel ist es etwas zu Verändern und meine Sichtweise auch öffentlich dazulegen. Was aktuell in der Politik abläuft ist naja.. negativ. Sagen wir mal so.

Aber ja. Ich bin mir bewusst, dass das ein steiniger Weg wird aber vielen, vielen Dank für deine Antwort. Du hast mir nochmal verdeutlicht, was das eigentlich für ein langer, langer Weg ist. Danke

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26Sammy112  26.07.2023, 17:25
@Ju06Mo
Mein Hauptziel ist es etwas zu Verändern und meine Sichtweise auch öffentlich dazulegen.

Guter Ansatz und Vorsatz - genau aus diesem Grund bin ich auch irgendwann in die Kommunalpolitik gegangen.

Auf jeden Fall kann man seine Sichtweise öffentlich darlegen.
Um dann auch wirklich etwas zu verändern, braucht es leider noch ein wenig mehr. Denn letztendlich muss man immer zwischen zahlreichen Dingen abwägen, Kompromisse eingehen und die Mehrheit von seiner Meinung überzeugen - denn in einer Demokratie entscheidet eben auf allen Stufen nicht einer allein, sondern die Mehrheit.

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Ju06Mo 
Fragesteller
 26.07.2023, 17:39
@26Sammy112

Ja, verstehe. Danke für die schnelle und super tolle Antwort!

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Man muss sich halt engagieren, ggf. bei einem amtierenden Politiker im Büro, dazu wäre ein Studium im Bereich Jura oder Wirtschaft gut, oder eine BeamtenLaufbahn in einem Ministerium.

DAS sind zumindest die typischen Karrieren der meisten Politiker. Fragt sich etwas, wie hoch die Quote derer ist, die das auch planen und trotzdem auf der Strecke bleiben.

Politiker kann im Grunde genommen jeder werden, der sich halbwegs gut verkauft und nicht wie der letzte Hanswurst rüberkommt, sich überall anbiedert, irgendwelchen alten Opas in der Partei hemmungslos nach dem Mund redet und daraufhin protegiert wird. Das hat nix mit Können oder einer Ausbildung oder einem Studium usw. zu tun, sondern damit, dass man sich selbst aufgibt.

Der Weg in die Politik ist daher wenig spektakulär und hat viel mit Selbstaufgabe zu tun. Ob das erstrebenswert ist, sei dahingestellt. Die Kurzform geht so: Man schließt sich einer Partei an, muss sich anbiedern, den "Großen"/Alten nach dem Mund reden und Netzwerke knüpfen - viel mehr ist nicht dahinter. Man fängt im Wohnort bzw. Ortsverband der Partei an, bahnt sich seinen Weg durch die Gremien, das fängt meist als Beisitzer oder Kassenprüfer etc. im Ortsverband an und führt über einen Posten als Delegierter zum Kreisparteitag immer weiter: man nickt mit dem Kopf, biedert sich überall an, tritt ordentlich nach unten - immer auf die Kleinen und immer feste drauf, bis kein Blut mehr fließt - und dann geht es schon irgendwie weiter nach oben.

Ich hätte selbst ein ganz Großer in der CDU werden können und bekam jegliche Unterstützung zugesagt. Ich hätte gezielt zunächst zum Kreistagskandidaten sowie zum künftigen MdL und "jungen Quoten- und Vorzeige-Ausländer" aufgebaut werden sollen, schlug es aber aus und zog mich aus der Kommunalpolitik vollkommen zurück, weil ich den Rummel um meine Person und den Verzicht auf Privatsphäre sowie permanente Belästigung sogar in der Freizeit oder beim Einkaufen usw. einfach nicht mehr ausgehalten habe, merkte, dass es diverse "Ziehväter" nicht ehrlich meinten (denen ging es nicht um mich, sondern darum, dass sie gut dastehen und "einen jungen Kerl" im Hintergrund wie eine Marionette steuern wollten) und mich niemandem anbiedern wollte. Das hatte den Effekt, dass mein "politischer Mentor", der mich gern als neuen Kreisrat usw. gehabt hätte, von mir sehr enttäuscht war, aber im Nachhinein doch Einsehen hatte.

Fühlte mich anfangs gebauchpinselt nach all den Demütigungen, die ich als "Ausländerkind" immer einstecken musste und trug meine Nase immer höher bis es schier reinregnete, merkte aber rasch, dass ich dazu eingesetzt werden sollte, um die verlängerte Werkbank alter CDU-Opas zu sein, die mit Anfang 70 nicht mehr selbst in Erscheinung treten wollten und nach außen zwar vor Presse und Regionalradio tönten, dankbar und demütig der jungen Generation Platz machen zu wollen, aber dann die "Jungen" doch beeinflussten, wo es ging und das auf eine teils beklemmende Art. Ich habe es am eigenen Leib erfahren und war dann auch Opfer von Bedrohungen usw., als ich gesagt habe, dass ich das nicht mehr mitmache. Am Ende ist jemand an meine Stelle getreten, den sie dann sogar dazu gebracht hatten für einen Bürgermeisterposten zu kandidieren, der ihm am CDU-Stammtisch von eben jenen Opas schon versprochen wurde. Er scheiterte krachend und hat mir unendlich leid getan, obwohl ich ihn damals eigentlich nicht sehr sympathisch fand.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Ju06Mo 
Fragesteller
 26.07.2023, 17:07

Puh. Danke für die ausführliche Antwort. Ich werde dein Geschriebenes auf jeden Fall immer im Kopf behalten. Vielen, vielen Dank

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rotesand  26.07.2023, 17:18
@Ju06Mo

Verändern können wird man in der Regel sowieso nichts - wenn man überhaupt etwas bewirkt, ist es ein reiner Kompromiss, der nichts mit der ursprünglichen Idee zu tun hat - und das kann zermürbend sein, weil man viel Zeit und Kraft investiert und nichts auf die Reihe kriegt.

Den größten Spielraum hat man in der Kommunalpolitik, etwa als Gemeinderat - war ich auch schon - aber es hängt enorm vom Gremium ab. Zieht man etwa an einem Strang, kann das Spaß machen, es wird aber unerträglich, wenn aber Querschläger dabei sind und sogenannten "Aberaberabers", die bei jedem Beschlussvorschlag sich mit mit "ja, aber..." zu Wort meldeten und immer irgendeinen kleinlichen Einwand hegen. Die sind zwar sehr unbeliebt, zumal ihre Einwände meist gar nicht brauchbar waren, sondern nur das Ziel haben sich ins Gerede zu bringen, aber durch solche Leute zerreden sich Sitzungen und es dauert drei oder vier Stunden, bis keiner mehr zuhört.

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Ju06Mo 
Fragesteller
 26.07.2023, 17:19
@rotesand

Ja. Okay vielen herzlichen Dank. Ey du hast mir echt geholfen, danke

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26Sammy112  26.07.2023, 17:47

Naja... Du scheinst da eher schlechte Erfahrungen gemacht zu haben.

Ich kann für mich behaupten: Ich bin in die Kommunalpolitik gegangen, weil ich vor Ort etwas bewegen wollte. Eine bessere Infrastruktur, den Ausbau von Schulen und Kitas, die Unterstützung der Vereine und Verbände usw.
Ich habe mich nie anbiedern müssen und hätte das auch niemals getan. Ich habe immer meine Meinung vertreten. Natürlich muss man sich auch mal auf einen Kompromiss einlassen oder es akzeptieren, wenn die Mehrheit gegen den eigenen Vorschlag ist. Das muss man dann aber akzeptieren und letztendlich auch mittragen, denn das ist Demokratie!

Natürlich macht die Politik nicht immer Spaß. Man kann es niemals allen Menschen Recht machen. Wenn man "auf der grünen Wiese" einen neuen Kindergarten baut, dann jubeln die Eltern - und die Umweltschützer möchten Dir am liebsten den Kopf abreißen. Wenn man bei knappem Platz die Fahrradwege verbreitert, dann jubeln die Radfahrer und schimpfen die Autofahrer. Jeder möchte die Straßen und Wege nachts ausgeleuchtet haben, um nicht zu stürzen - aber niemand möchte eine Straßenlaterne genau vor seiner Wohnung oder seinem Haus haben, weil die nachts durchs Fenster scheint usw.
Und die Menschen sehen häufig auch nicht, dass man den Kram ehrenamtlich in seiner Freizeit und ohne Bezahlung macht, kann sich dafür aber Beschimpfungen und Drohungen anhören.

Letztendlich gibt es aber auch viele schöne Momente, in denen man wirklich etwas bewegen kann und die Ergebnisse seiner Arbeit auch sieht.

Ich habe aber definitiv auch keinen Anspruch, auf Landes- oder gar Bundesebene tätig zu werden.

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rotesand  26.07.2023, 18:08
@26Sammy112

Genau das war mein Problem: Ich war kein "Jasager" und mein Credo war immer, dass man als gewählter Vertreter der Einwohner keine Eigeninteressen vertritt, sondern Sachinteressen. Bei einigen Entscheidungen, die ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren konnte, habe ich mich enthalten oder eher sogar dagegen gestimmt - wegen meiner Stimme bzw. weil ich an meinem Nein festhielt, ging auch ein Antrag nicht klar, den die CDU damals unbedingt durchbringen wollte, der aber nur das Ziel hatte, massive Vetterleswirtschaft zu betreiben.

Allen kann man es gewiss nie recht machen, aber das war noch nicht mal das Thema - die "alten Herren" im CDU-Ortsverband meiner Heimatstadt waren nach einiger Zeit sehr ekelhaft zu mir und auch zu meiner damaligen Freundin; das ging hoch bis zu einer indirekten Morddrohung, die aus diesen Reihen kam. Von den Leuten "draußen" kam keine Beschimpfung, aber auch kein Lob, die meisten Bürgerfrageviertelstunden erübrigten sich, weil gar kein Bürger gekommen war.

Wobei meine Heimat generell ein eigenartiges Milieu darstellt; ich bin froh, dass ich da seit Jahren nicht mehr wohne und außer zu ein paar ehemaligen Mitschülern und ein paar Verwandten keinen Kontakt mehr dorthin habe.

Die meisten dieser alten Herren waren scheinheilig und fast bigott nach außen hin und pro forma Mitglied der CDU, aber man wusste, wenn es die NSDAP noch gäbe, würden sie diese wählen und wären sie dort aktiv. Ich habe dort ekligste Dinge erlebt, angefangen von ehemaligen hochrangigen Bundeswehrsoldaten, die mir eklige Nazikeller zeigten, in denen tiefbraune Sprüche geklopft wurden - kaum war man wieder draußen, markierte man den frommen, stets korrekten Demokraten, der sich "entsetzt" zeigte über die Republikaner-Fraktion im Gemeinderat (die aber sachorientiert wirkten und damals gut zündeten, weil sie bei uns zuhause sehr volksnah auftraten, anders als die elitäre CDU).

Ich bin selbst auch mehr oder weniger pro forma der CDU beigetreten, die mit Anfang 20 auf mich aufmerksam wurde, weil ich gewusst habe - lehne ich das ab, habe ich auf Lebenszeit "Probleme" (die ich dann auch hatte). Es war ein Gewissenskonflikt, weil ich nicht dabei sein wollte, aber keine andere Wahl hatte. Mein Opa sagte damals zu mir ... ich verstehe dich, aber es ist besser, wenn du beide Augen zudrückst und dem Herrn S. deinen Antrag unterschrieben zurückgibst. Und der Herr S. war ein Typ mit so einer Nazikammer; ich habe drei solche Schreine bei bekennenden CDU'lern gesehen.

Ich wollte wirklich was verändern und weiß, dass mich damals vorrangig Russlanddeutsche, Zugezogene aus Ostdeutschland und Leute aus der Platte wählten, für die ich glaubwürdig und "einer von ihnen" war. Ich habe mich sehr für sie eingesetzt, wurde aber von den "CDU-Altvorderen" bei mehreren Unterredungen in diesen Nazikammern ausgebremst, es hieß, ich setze mich für Leute ein, die man nicht haben wolle, die dem Staat schaden. Andererseits zeigten sie sich mit denen auf Pressefotos und lachten - die waren nach außen hin freundlich und gefällig, aber innerlich unmöglich. 

Es hieß von denen auch, man müsse an meiner Optik arbeiten; es sei nicht seriös genug, ein weißes Langarmshirt zu Chino und Sakko anzuhaben. Andererseits erfuhr ich ständig Lob für einen gebrauchten BMW 728i, den ich mir damals gekauft habe - ich glaube, der hat denen echt imponiert. Und dann war meine damalige Freundin denen "nicht gut genug" und es wurde versucht, eine Beziehung mit einer jungen Bankangestellten herbei zu führen - und meine Kumpels oder mein Cousin (Frührentner und schwer krank) waren denen auch zu lumpig. Da dachte ich mir dann ... nee, ich bin nicht euer Leo. Sie waren enttäuscht.

Ich bin dann immer seltener zu Sitzungen gegangen und demonstrativ nie im Hemd wie von denen erwartet; die alten Herren (alle verheiratet; einer hatte eine todkranke Frau daheim; öffentlich heulte er immer, wenn er von ihr sprach) haben dann meine Freundin per Telefon, wenn ich nicht daheim war wiederholt blöd angemacht und belästigt. Eines Tages kam es dann zu einer indirekten Morddrohung. Am Ende habe ich ihnen gekontert und sie waren einerseits tief betroffen, dass "so ein Junger" ihnen selbstbewusst den Marsch blies, aber andererseits waren sie dann auch nicht mehr gut auf mich zu sprechen. Trotzdem wollten sie mich dazu bringen, nochmals zu kandidieren, "weil ich so ein fähiger junger Mann sei", was ich aber ablehnte.

Schöne Momente gab es auch, aber eher in Ausschüssen, in denen die "alten Herren der CDU" nicht mitmischten, z.B. im Kindergarten- und Schulausschuss, das war echt nett und konstruktiv mit netten eher jungen und offenen, respektvollen Gemeinderäten.

Ich bereue heute auch nichts, es war eine wertvolle Erfahrung zu mehr Selbstbewusstsein und auf dem Weg nach vorne. Und manche Kontakte in der CDU sind nicht schlecht, ich bin heute noch dabei. Karriere machen wollte ich nie - ich wollte und will wirklich helfen.

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