Juden vor dem dritten Reich problematisch für gewisse Dinge, die Haß begünstigten? Wenn ja, was?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Bereits während der Weimarer Republik, zur Zeit der größten Not im deutschen Volk, waren viele Bürger im Reich der Meinung, das die jüdische Bevölkerung aufgrund ihrer Geschäfte in lebenswichtigen Bereichen in die eigene Tasche gewirtschaftet hätten und somit hauptverantwortlich für das Leid und die Not im Reich sind. Ihre zum Teil starken Stellungen in der Wirtschaft, der Presse, Film- und Theaterwesen wurde aufgrund ihrer eigentlichen prozentual geringen Anzahl in der Bevölkerung als unangebracht empfunden. Im deutschen Volk herrscht also oftmals die Meinung, das der Jude das Kapital beherrsche und viele Spitzenpositionen besetzen würde. Der Antisemitismus ist in großen Teilen der Bevölkerung verbreitet, auch unter Intellektuellen. Statt den Ursachen nachzugehen, werden tatsächliche oder vermeintliche Probleme der Gesellschaft vornehmlich den Juden angelastet, die auf diese Weise als Sündenböcke herhalten müssen. Das gilt vor allem für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als die völkische Rechte den Juden die Niederlage von 1918 und die Novemberrevolution anlastet. Es trifft also mit der "Machtübernahme" der Nationalsozialisten eine durchaus explosive Mischung zusammen.

Als die Nationalsozialisten an der Macht sind, wird der beginnende Boykott und die Maßnahmen gegen die Juden von einem Großteil der Bevölkerung als gerechtfertigt und mit Genugtuung aufgenommen, "endlich geht es den Schuldigen unserer Misere an den Kragen". ...und dieses Unrecht im deutschen Reich und später auch in Österreich passierte direkt vor den Augen der restlichen Welt.

Hinter allem steckt im Kern auch die Behauptung, dass semitische Völker (zu denen die Juden gehören) anderen Völkern unterlegen seien und somit auch als Fremdkörper und Schädlinge angesehen werden müssen. Schon vor dem ersten Weltkrieg entstanden Parteien, die eine weitgehende Ausgrenzung der Juden befürworten. Aus dieser fanatischen und reaktionären Haltung entsteht eine fundamentale Gegnerschaft zur Weimarer Republik die als "Judenrepublik" diffamiert wird. Juden gelten als minderwertig aber gefährliche Feinde, die die "Arier" in einer "Weltverschwörung" bedrohen und es sind diese Einstellungen die der politische Nährboden für Adolf Hitler und seine Nationalsozialisten sind.

Die Vorurteile über die Rolle der Juden und ihren immensen Einfluss, auch im ersten Weltkrieg, hatten mit den Tatsachen nichts zu tun, die Ideologie der Nationalsozialisten mit hassvoller Propaganda und die Vorurteile der Bevölkerung trafen in erschreckendster Weise aufeinander und führten zum extremsten in seinem Ausmaß.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus
Lyssop660 
Fragesteller
 04.09.2023, 17:46

Danke!

Übrigens hast du guten Spürsinn gezeigt.

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Stressika  04.09.2023, 17:50
@Lyssop660

Na dann ist das doch einen Stern für mich wert (beste Antwort), oder? ;-)

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Juden waren im Mittelalter "ehrbare" Berufe wie Handwerksberufe verboten, sie durften auch in keine Zunft aufgenommen werden. So übernahmen sie oft das Geschäft des Geldverleihens gegen Zinsen. Dies war Christen verboten - sie durften keine Zinsen nehmen.

Manche Juden wurden dadurch so reich, dass sich Könige und Kaiser von ihnen Geld liehen. Wenn es dann aber ans Zurückzahlen ging, setzten sie Lügen in die Welt und hetzten die Bevölkerung, die ohnehin neidisch war, auf sie, um sie ausplündern und ermorden zu lassen.

Dieser Antisemitismus zieht sich durch die Jahrhunderte. Als man rotgefärbte Hostien in der Kirche vorfand, hieß es, Juden hätten hineingestochen, um sie zu entweihen, und jetzt würde das Blut Jesu fließen (in Wirklichkeit waren es Bakterien, die die Rotfärbung bewirkten). Es hieß, Juden würden Christenkinder für ihre Rituale schlachten (was kompletter Blödsinn ist). Und die mittelalterliche "Judensau" sieht man noch an mehreren Kirchen (hierbei trinken Juden aus den Zitzen einer Sau - auch das eine Unmöglichkeit und wissentliche Beleidigung, denn das Schwein ist im Judentum ein unreines Tier und sein Genuss verboten).

Nachdem sich im 19. Jahrhundert viele Juden emanzipiert und in der Gesellschaft etabliert hatten, waren diese oft sehr erfolgreich und erweckten offensichtlich den Neid der weniger begüterten Bevölkerung. Die "Rassenkunde", auf Grund derer man bestimmte Merkmale und Charaktereigenschaften den Juden zuschrieb, gab es schon Anfang des 20. Jahrhunderts.

Sie gaben daher einen willkommenen Sündenbock ab.

Das ist wieder so ein Relativierungsversuch nach dem Motto: die Juden haben es ja eigentlich auch verdient. Diesem Nazi-Narrativ sollte man nicht auf den Leim gehen.

Stressika  01.09.2023, 10:28

Ein "Nazi-Narrativ" durch Anne Frank? Interessante These, gerne mehr davon! ;-) Frage verstanden?

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Nofear20  01.09.2023, 13:24
@Stressika

Natürlich ist die Rechtfertigung des Antisemitismus ein Nazi-Narrativ. Wo ist der Beleg, dass sich Anne Frank dieses Narrativ zu eigen gemacht hat?

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Stressika  01.09.2023, 13:36
@Nofear20

Tagebuch Anne Frank:

"Zu unserem großen Leidwesen und zu unserem großen Entsetzen haben wir gehört, da die Stimmung uns Juden gegenüber bei vielen Leuten umgeschlagen ist. Wir haben gehört, da Antisemitismus jetzt auch in Kreisen aufkommt, die früher nie daran gedacht hatten. Das hat uns tief, tief getroffen. Die Ursache von diesem Judenhass ist verständlich, manchmal sogar menschlich, aber trotzdem nicht richtig.

Die Christen werfen den Juden vor, dass sie sich bei den Deutschen verplappern, dass sie ihre Helfer verraten, dass viele Christen durch die Schuld von Juden das schreckliche Los und die schreckliche Strafe von so vielen erleiden müssen. Das ist wahr. Aber sie müssen (wie bei allen Dingen) auch die Kehrseite der Medaille betrachten. Würden die Christen an unserer Stelle anders handeln? Kann ein Mensch, egal ob Jude oder Christ, bei den deutschen Methoden schweigen? Jeder weiss, da dies fast unmöglich ist. Warum verlangt man das Unmögliche dann von den Juden?"

Eine Rechtfertigung des Antisemitismus mit "deinem" Nazi-Narrativ?

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Nofear20  02.09.2023, 08:11
@Stressika

Das darf man jetzt aber nicht in dem Sinne interpretieren, dass Anne Frank die Verfolgung der Juden durch die Nazis generell rechtfertigen würde, und damit auch ihre eigene und die ihrer Familie. Das wäre geradezu absurd.

Was sie anspricht, ist, dass versteckte Juden oft verraten wurden, auch von anderen Juden. Sie spricht von den "deutschen Methoden". Und die bestanden nun mal aus Folter oder der Todesstrafe. Wer Juden versteckte, der musste selbst mit seiner Ermordung rechnen, oder wer auch nur Kenntnis von versteckten Juden hatte, war vom Tod bedroht.

Den möchte ich sehen, der von sich behauptet, er könne jeder Folter widerstehen und nicht das erzählen, was man von ihm hören will.

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Die Familie Frank waren so genannte Reformjuden. Sie lehnten traditionelle jüdische Gebräuche zum größten Teil ab. Anne Frank wurde entsprechend nicht wirklich typisch jüdisch erzogen. Ihre Mutter, Edith Frank ging bereits als jüdisches Mädchen auf ein evangelisches Mädchengymnasium. Im Großen und Ganzen waren die Franks eine sehr moderne Familie. In der Zeit im Versteck feierten sie mit ihren Helfern auch Weihnachten und Nikolaus, was für Juden eher untypisch ist. Anne und Margott hatten außerdem auch nichtjüdische Freunde und Bekannte.

Anne hat zwar im Versteck regelmäßig gebetet und war an sich auch gläubig, aber dieser Glaube war nicht zwingend an das Judentum gebunden.

Die Franks waren jüdischer Abstammung, das machte sie zur Zielscheibe der Nazis, dennoch haben sie nicht an jüdische Traditionen festgehalten, das ermöglichte, insbesondere Anne, die Möglichkeit liberaler auf das Judentum zu blicken.

In ihrem Tagebuch versucht sie jedeglich sich in die Gedanken der Nazis hineinzuversetzten, um deren Denken zu verstehen.

Juden waren eine Minderheit und der Großteil der Bevölkerung verfolgte andere Traditionen, das war auch Anne durchaus bekannt. Sie verstand, dass Juden "anderes" waren.

Sie wusste auch, dass sie anders war und ihr "Anderssein" hat ihr regelmäßig Schwierigkeiten bereitet, auch das bschreibt sie in ihrem Tagebuch sehr detailiert.

Juden sind "anders" --> Sie werden gehasst.

Anne ist "anders" --> Sie wird gehasst.

Anne Frank zieht hierdurch Parallelen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe ich mit diesem Thema sehr viel auseinandergesetzt
tanztrainer1  22.09.2023, 17:32

Schon die Großmutter Otto Franks (Cornelia Stern, geborene Cahn) war nur für ihre eigene Hochzeit einmal in einer Synagoge!

Dagegen war der Vater von Edith Frank (Abraham Holländer) sehr religiös.

Edith Frank hielt sich zum Beispiel nur dann an die Kaschrut, wenn ihre Eltern zu Besuch waren.

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CaptainThorment  23.09.2023, 02:34
@tanztrainer1

Sie haben auch wenig bis gar kein hebräisch gesprochen. Anne hat in ihrem Tagebuch erwehnt, dass sie mit sämtlichen jüdischen Gebräuchen nichts anfangen konnte, da sie so gut wie nichts verstanden hat.

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tanztrainer1  23.09.2023, 10:24
@CaptainThorment

Nur ganz kurz erwähnt sie zwar mal, dass Chanukka gefeiert wurde, und zwar dann, als Nikolaus mit Chanukka zusammengefallen war. Es steht im Tagebuch, dass man besondere jüdische Feiertage bei den Familien Goslar oder Ledermann verbrachte, die durchweg gläubiger waren.

Zum Beispiel regt sie sich über Fritz Pfeffer auf, zum Beispiel wie er betet.

Es ist aber insgesamt schon so, dass sehr viele Juden zwar ihre Gebete auf Hebräisch sprechen, es aber selbst nicht unbedingt wirklich inhaltlich verstehen, außer in Israel.

(Das kann man auch bei Muslimen feststellen, die keine muttersprachlichen Araber sind: gerade deshalb kommt es auch zu falschen Auslegungen aus dem Koran. Nur noch etwa ⅙ der Muslimen sind muttersprachliche Araber.)

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Antisemiten gab es immer schon.

Von Richard Wagner weiß man, dass er sich Geld leihen wollte keines bekam, der den er gefragt hatte war Jude.

Beim Bärtchenträger war es kein Geld aber die Aufnahme an die Kunstakademie die ihm der jüdische Direktor verweigert hatte.

tanztrainer1  08.09.2023, 11:28

Dass Hitler von Juden abgelehnt wurde in der Akademie, ist eine glatte Lüge.

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