In welchen Fällen darf der Staat in das Grundrecht auf individuelle Freiheit eingreifen (Impfpflicht)?

6 Antworten

Seit 01.03.2020 gibt es nun die Impfpflicht gegen Masern. Gegen das Gesetz über diese Impfpflicht haben nun mehrere Eltern beim BVerfG Eilanträge und Verfassungsbeschwerden eingereicht.

In den 1950er Jahren wurde schon über die Impfpflicht diskutiert (damals die Pockenschutzimpfung), weil sie nach Meinung einzelner Kritiker gegen das im Grundgesetz verankerte Persönlichkeitsrecht verstoße. Das Bundesverwaltungsgericht entschied allerdings schon 1959, dass die Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Das ist das Präzedenzurteil, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht wohl diesmal beziehen wird. Ich denke, dass die Vereinbarkeit mit dem GG erneut bestätigt werden wird.

zielt die Frage auf Corona ab oder auf das neueste BVG-Urteil im Zusammenhang mit Masern (Ablehung des Eilantrages vor ca. 2 Wochen)?

Persönlich halte ich das Masernschutzgesetz für sinnvoll. Ähnlich wie Kinderlähmung und Pocken besteht hier die Möglichkeit eine üble Krankheit auszurotten.

Grundsätzlich immer dann, und nur dann, wenn ein wesentlicher Konflikt mit einem Grundrecht anderer besteht.

Also hier: der Konflikt zwischen dem eigenen Recht auf körperliche Unversehrtheit, und dem entsprechenden Recht anderer vor einer vermeidbaren Infektionskrankheit geschützt zu werden.

Hier kommt noch erschwerend hinzu: die Masern wären im Prinzip ausrottbar, wie bereits die Pocken und in absehbarer Zeit die Kinderlähmung, und ab dem Punkt müsste niemand mehr dagegen geimpft werden.

Aber bei den Masern erreichen wir bisher die nötige Impfquote nicht, und so müssen auf noch nicht absehbare Zeit weiter fast alle Kinder dagegen geimpft werden, weil eine kleine Minderheit sich querstellt. Damit sind Impfverweigerer unfreiwillig eigentlich Impfförderer ...
PS: und warum nur bei Masern eine Pflicht? -> weil die anderen Infektionskrankheiten, gegen die wir impfen, entweder weniger ansteckend sind als Masern, und damit auch die bisherige freiwillige Impfquote ausreicht sie langfristig auszumerken (hierzulande zB. bei Kinderlähmung und wohl bald bei den Röteln), oder weil sie nicht ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen werden und damit eine Ausrottung eh nicht möglich ist (zB. Tetanus, Influenza ...)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Die Debatte, ob der Staat eine Impfpflicht einführen darf oder sollte, gab es schon im Kaiserreich, als die Pockenimpfung zur gesetzlichen Pflicht wurde. In neuerer Zeit hat das BVerfG mehrfach entschieden, dass eine solche Pflicht zulässig ist, weil hier das Interesse des einzelnen gegenüber dem Interesse der gesamten Bevölkerung zurücktreten muss.

Jedes Gesetz ist doch Eingriff in die persönliche Freiheit des Bürgers, aber ohne Regeln geht es nun mal nicht. Grundsätzlich ist ärztliche Behandlung gegen den Willen des Behandelten Körperverletzung, aber es gibt Ausnahmen etwa im Falle von psychischen Krankheiten oder eben einer gesetzlichen Impfpflicht.

wenn das allgemeinwohl gefärdet ist.

Woher ich das weiß:Hobby – Wo liegen die Ursachen für das, was in der Welt passiert?