Goethe verstehen?
Wenn ich z.B. anfange in die Leiden des Jungen Werther zu lesen, bin ich bei den ersten zwei Sätzen maximal begeistert. Dann gehts aber auch schon damit los, dass ich nicht verstehe was da eigentlich steht. Weder im tatsächlichen noch im metaphorischen Sinne.
Meine Versuche mich mit einigen Philosophen zu befassen sahen ungefähr genauso aus.
Woran liegt das? Haben wir heutzutage einfach eine so stark andere Art zu schreiben oder schrieben sie auf einem so hohen Niveau das ich allein deshalb überfordert bin? Bringt ja nichts mich da durchzuquälen um es irgendwann mal zu verstehen. Ein Buch ist ja kein Fitnesstudio :D ...
3 Antworten
Es ist ein Zeitunterschied und ein Niveauunterschied. Wir Heutigen sind geprägt von Medien, die uns auf Schritt und Tritt mit schlampig formulierten Texten (meist Bildern) über Trivialitäten abfüttern. Es ist anspruchsvoll, auf das geistige Niveau eines Platon, Lao Tse, Goethe, Heine oder Nietzsche zu gelangen.
Zudem schrieben sie nicht für ein Massenpublikum, sondern für eine Bildungselite. Die Masse hätte sich ein Buch wie Werther nie leisten können und es mangels Alphabetisierung gar nicht lesen können.
Es braucht schon Wissen über die Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, um z. B. den Werther lesen und verstehen zu können. Aber auch andersherum: Solche Werke sind auch Zugänge zu Menschen und Zeiten, die uns zeigen, dass unsere Art zu schreiben, zu denken und zu leben nicht die einzigen möglichen sind. Und das tut uns sehr, sehr gut.
Ich habe mit 15 erste Shakespeare-Dramen gelesen. Wahrscheinlich habe ich nur einen Bruchteil verstanden. Dennoch war es spannend und hat mir eine gewisse Ahnung gegeben, dass da Edelsteine vergraben sind.
Also der Werther wurde bei uns in der 8. gelesen und durchaus verstanden, wenn es auch öde war.
Es wurden einfach andere Wörter verwendet, die Sprache ändert sich. Das ist ein immer währender laufender Prozess. Wenn meine Kinder mit mir Jugendsprache sprechen, verstehe ich auch nicht alles. Die WÖrter hatten teilweise auch eine andere Bedeutung
Der "Werther" ist aber auch extrem langweilig. Wenn schon Goethe, lies mal den "Faust". Der ist spannend und an vielen Stellen auch lustig.
Da ist natürlich was dran. Aber man kann den Jugendlichen ja zunächst die Gegenstände von Goethe geben, die sie nicht langweilig finden.
Langeweile drückt ein bestimmtes Verhältnis zu einem bestimmten Gegenstand aus, sagt damit nichts zum Gegenstand selbst.