Gibt es unter euch da draußen Menschen also so wohl Kinder und Jugendliche und Erwachsene mit Autismus?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das sieht phasenweise sehr unterschiedlich aus.

Vom Kleinkind- bis Jugendalter - zurückgezogenes Dahinleben bis extrem eingeschränktes Essverhalten, Wutanfälle, Hochbegabung, Empathielosigkeit, Mobbing, depressive Episoden, Suizidfantasien, Randale, Eltern am Rande der Verzweiflung. Das hatte aber weitere familiäre Ursachen, auf die ich nicht eingehen mag.

Mit der Zeit lernt man, Mitmenschinnen kognitiv zu lesen und alles aktiv zu steuern - Tonfall, Gesprächsthemen, Äußerungen, um kaum aufzufallen.

Aktuell ist es sehr schlimm, aber auch befreiend, sich in Einzelheiten, komischen Gedankengängen und Strukturen zu verlieren. Ich kann Stimming (Schaukeln, Verrenken, Geräusche) nach außen nicht ständig unterdrücken und wirke sehr hippelig-zerstreut. Nein, ich habe kein ADHS dazu und dafür auch dankbar. ADHS ist aber meine "harmlose" Ausrede, wenn mich einer auf meinen psychischen Zustand anspricht.

An Arbeiten ist gerade nicht zu denken. Habe ich schon, Kollegen und Chefs sind nicht deine Freunde oder Familie. Nach einigen Monaten fälltm an als Autist immer auf. Wie das später, nach dem Studium, einmal wird, bereitet mir sehr viel Unsicherheit. Ob ich im erlernten Berufsgebiet arbeiten kann. Der sogenannte "Fachkräftemangel" ist für mich ein Geschenk des Himmels.

Mir fällt es extrem leicht, Strukturen zu erkennen und besonders mathematisch-physikalische Sachverhalte zu verinnerlichen. Meine Interessen sind bestimmte Pflanzen, exotische Sprachen, Physik und Chemie, Schach, Musik...

Erschrecken tue ich sehr leicht. Es reichen schon Zugdurchsagen, mich von hinten ansprechende Personen oder fallende Gegenstände. Hauptstraßen, Bahnhöfe und volle Geschäfte sind die Hölle durch den Krach und die Menschen. Schnellrestaurants, Jugendliche oder moderner Videoschnitt - grauenvoll. Unberechenbar. Riesige Naturschutzgebiete sind hingegen meine liebsten Aufenthaltsorte.

Komm mir nicht mit dem Konzept "Neurodiversität" - Autismus ist in jedem Falle eine sozial-emotionale Störung, die einen nur zu höchstens wenigen % der Gesellschaft kompatibel sein lässt. Dann gibt es noch Mutismus, Dyspraxie, Intelligenzminderung und andere Dinge, die eine Schwerbehinderung begründen können wie weitere Komorbiditäten, die auch leichtere Autisten treffen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe selbst Asperger

Jap, ich bin 24 Jahre alt und Autistin. Meine Diagnose bekam ich mit ungefähr 10 Jahren, nachdem meine Mutter 7 Jahre lang herumrätseln musste, weshalb ich so anders war, mich so anders (verzögert) entwickelte. Es dauerte ein ganzes Weilchen, bis sie eine Ärztin fand (eine auf Autismus spezialisierte Kinder- und Jugendpsychiaterin), die uns genau sagen konnte, was ich habe.

Also mein Alltag, puh ... Ich habe eigentlich nicht direkt einen Alltag. Aus unterschiedlichsten Gründen, die ich nicht aufzählen möchte. Man sagt ja oft, Autisten bräuchten eine strenge Routine, doch ich könnte mich niemals an so eine halten. Jeden Tag zur gleichen Zeit aufstehen, das gleiche essen etc.? Das wäre nichts für mich. Allerdings hasse ich es, wenn jemand oder etwas versucht, meine Routine - oder wohl besser gesagt meine Nicht-Routine - ins Wanken zu bringen.

Wenn jemand beispielsweise unangekündigt bei uns klingelt, oh, dann hasse ich das sehr. (Es erschreckt mich auch immer und ich bekomme Angst. Unsere Klingel ist so schrill. Ich hasse dieses schrille Klingeln.) Doch mit spontanen Planänderungen, die von mir kommen, habe ich keine Probleme, insofern sie in meiner Komfortzone sind. Oder mit Änderungen, die man mir rechtzeitig erklärt hat und welche ich abgesegnet habe. Nicht wenige Leute denken leider immer noch, das Routinebedürfnis bei uns Autisten würde sofort bedeuten, dass wir alle jeden Tag das selbe machen müssen/wollen.

Ich betreibe auch sehr viel Stimming über den Tag verteilt - Meistens weil ich über- oder unterstimuliert bin und zur Hilfe beim Nachdenken. Außerdem stoße ich mindestens einmal am Tag (meistens mehrmals) mit irgendeinem Möbelstück zusammen, obwohl ich sehe, dass es dort steht. Ich habe Probleme damit, Wegbeschreibungen zu verstehen, Karten zu lesen und finde mich schlecht in neuen Orten zurecht, da ich einen schlechten Orientierungssinn habe und die Wege immer selbst einige Male gehen muss, damit ich sie mir verinnerlichen kann. Google Maps etc. sind da auch nur bedingt hilfreich.

Noch dazu habe ich häufig Probleme damit, eine angefangene Tätigkeit einfach so aufzuhören. Beispielsweise wenn ich mir ein Brot schmiere, aber ich bemerke, dass ich ganz dringend auf die Toilette müsste. Dann kann ich es erst unterbrechen, wenn ich merke, dass es zu spät ist, wenn ich jetzt nicht ganz rasch ins Badezimmer flitze. Keine Ahnung, weshalb das so ist. Das ist für mich wie ein Drang, sowas wie "Ich muss das jetzt unbedingt noch beenden" und "das krieg' ich noch hin, das schaff ich noch". Es fühlt sich einfach komisch an, etwas Angefangenes/fast Beendetes liegen zu lassen und wenn es auch nur für wenige Minuten ist. Ich denke, das kann man auch als "zum Autismus gehörend" beschreiben.

Ebenso kann ich nicht Schwimmen und kein Fahrradfahren. Ich hatte als Kind bereits Probleme damit, die Balance zu halten (konnte auch erst mit 22 Monaten laufen und erst mit 7 Jahren, nach 2 Jahren Logopädie, verständlich sprechen) und Bälle zu fangen. Außerdem brauche ich superlange beim Schneiden und Schälen, selbst, wenn ich mich beeile. Also von Obst, Gemüse etc. Meine Handschrift ist auch ziemlich mies. Besser als noch in meiner Kindheit und Jugend, aber trotzdem sehr gewöhnungsbedürftig.

Wenn wir einkaufen gehen, da nerven mich die vielen Leute, die vielen Geräusche und die Lichter am meisten. Die Lichter sind schlimm, weil sie so seltsam-grell sind und jedes Mal so komisch hängen. Keine Ahnung. Das verwirrt mich, ich kann dann nicht mehr so gut sehen, muss mich immer wieder neu orientieren. Wer denkt sich nur solche Lichter aus? Ach ja, neurotypische Menschen. Wie konnte ich das vergessen?

Hier eine Liste der Geräusche, die mir beim Einkaufen auf meinen nicht-vorhandenen Sack gehen:

  • Wenn Leute ihre Einkaufswagen mit voller Wucht aus der Einkaufswagenschlange rausziehen und gleichermaßen wenn sie ihn wieder reinscheppern - Man kann das auch leise machen und nein, so eilig habt ihr es nun auch nicht
  • Das Piepen der Kassen
  • Wenn jemandem etwas runterfällt
  • Die Klingel, wenn eine Kassiererin/ein Kassierer eine andere Kassiererin/einen anderen Kassierer an die Kasse ruft (Oder ist die für etwas anderes? Upps, haha, ähm - Die Klingel auf jeden Fall! Besonders, wenn sie schrill ist ...)
  • Die meisten Durchsagen
  • Werbung und die allermeiste Musik
  • All die Leute, die quasseln
  • Kreischende Kinder und Babys und wenn sie stampfen
  • uvm.

Wenn ich Zuhause bin merke ich vorallem, wie mich auch teilweise "kleine" Geräusche nerven. Wenn Metall auf Metall kommt, beispielsweise. Ich hasse die Geräusche auch, wenn ich sie erzeuge, aber manchmal kann ich es tolerieren und manchmal erschrecke ich mich - Das wechselt alle paar Minuten ab. Mich kann auch hin und wieder sogar ein Knistern nerven oder wenn meine Mutter das Geschirr spült. Das klimpert dann so. Und hupende Autos ... Hupende Autos ... Ich hasse hupende Autos. Die Sirene auf dem Nachbarsdach ebenfalls. Ging vor ein paar Tagen los, dreimal Rumgeheule, um 1 Uhr Nachts! War da gerade am Einschlafen. Und was war? Nix. Fehlalarm war. Tztztz. Gewitter und Sturmböen mag ich auch nicht. Genauso wie das Prasseln des Regens. Das tut in den Ohren weh. Ist alles viel zu laut und macht mir Angst.

Wie es sozialtechnisch bei mir aussieht könnte ich dir gar nicht verraten. Ich rede kaum von Angesicht zu Angesicht mit Leuten. Nur mit meiner Mutter und die ist ebenfalls Autistin.

Überwiegend bin ich halt im Internet. Auf YouTube etc. Ich vertreibe mir irgendwie die Zeit. Ich befasse mich fast jeden Tag mindestens ein bisschen mit meinen Spezialinteressen (Vögel/Ornithologie und Autismus) und ich backe auch sehr, sehr gerne. Kann ich aber leider nur ultra selten und dann auch nie so ausgefallen und kreativ und groß wie ich wirklich möchte. Backen ist eine sehr teure Angelegenheit. Ich hab so viele Ideen, doch kann sie alle nicht umsetzen.

Wenn ich mir Videos über Vögel anschaue, kann ich häufig schon mal ein Tränchen verdrücken und ganz hibbelig werden vor Freude usw. Letztens zum Beispiel, da hab ich mir diese Dokumentation angeschaut:

https://m.youtube.com/watch?v=w8e5bBIeL3s&pp=ygUaZGVyIG1pdCBkZW4gZ8OkbnNlbiBmbGllZ3Q%3D

Meine Äuglein werden wieder ganz feucht, während ich das hier schreibe. So süß und doch irgendwie ein bisschen traurig. Aber ein hoffnungsvolles Traurig. 🥲🤧

Joa, so ungefähr halt. Ich weiß nicht wirklich, wie ich meinen Alltag beschreiben soll, wenn da nicht wirklich einer ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽
Malwine92  27.05.2023, 22:59

Kann ich total nachvollziehen genau so läuft es bej mir auch ab

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ZEIT66 
Fragesteller
 14.06.2023, 03:19

Schöne Dokumentation die du dir da ausgesucht hast.

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Mein Alltag ist eigentlich so morgens gehr es zur Arbeit, von 8:15 bis 12 Uhr und von 12:00bis 14 Uhr ist Mittagspause da gehe ich spazieren und höre musik oder potcast. Um 14:00bis 17:00 geht es dan weiter um fünf isr Feierabend Dan holen meine Eltern mich ab und wen ich zu Hause bin. Bin ich so kaputt vom Tag das ich nur meine Serien kucken kan. Bin 19 Jahre

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin asperger autistin

Ja, ich. Ich steh auf, esse Frühstück, trinke Kaffee. Arbeiten kann ich im Moment nicht, aber das kommt nicht vom Autismus. Also vertreibe ich mir die Zeit irgendwie anders. Videospiele, Social Media, Zeichnen,... was mir so einfällt. Ich esse Mittag und Abendessen und geh irgendwann ins Bett.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin Autist.