Gibt es im Universum einen Ort ohne Gravitationskraft?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ja, es gibt sogar ganz viele Punkte im Universum ohne Gravitationskraft. Einer ist sogar in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft in rund 320.000km Entfernung. Es sind die so genannten Lagrange-Punkte. Es handelt sich dabei um Punkte an denen sich die Gravitationskräfte zweier oder mehrerer Himmelskörper aufheben. Wenn Du genaueres darüber wissen möchtest, dann kannst Du das wikipedieren:

https://de.wikipedia.org/wiki/Lagrange-Punkte

Diese Lagrange Punkte werden sogar von der Raumfahrt ausgenutzt. Man kann dort Sonden positionieren, die dann nicht mehr durch Gravitation abdriften. Diese sind dann nicht mehr Gravitationskraft-Fliehkraft-stabilisiert wie die meisten Orbitalsatelliten, sondern sie sind Gravitationskraft-Gravitationskraft stabilisiert. Ein Lagrange-Punkte zwischen Erde und Mond liegt in etwa 320.000km Entfernung, also nicht in der Mitte zwischen Erde und Mond, sondern deutlich näher am Mond, weil die Erde ein ungleich stärkeres Gravitationsfeld hat.

Des weiteren kannst Du davon ausgehen, dass der interstellare Raum weitgehend gravitationsfrei ist und das obwohl die Graviationskraft eine unendlich große Reichweite hat. Sie nimmt aber wie alle Felder mit dem Quadrat der Entfernung ab. Zusätzlich kommt es auch im interstellaren Raum zu Aufhebungswirkungen aufgrund der weitgehend räumlich gleichverteilten Sternenverteilung.

In den großräumigen Strukturen des Universums hat man so genannte voids entdeckt. Das sind große Gebiete ohne Galaxien und Galaxienhaufen. Einfach unvorstellbare große Leerräume. Da vermute ich auch Nullgravitation.

ralfneumann1977 
Fragesteller
 11.12.2015, 19:47

Hi @ProfFrink, Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich habe dazu dann eine weitere Frage, welche ich mir nicht beantworten kann. Gibt es in diesen Lagrange Punkten trotzdem eine Trägheitskraft? Also würde ein Mensch beim Beschleunigen in einem Raumschiff bsp. mit einem Impulsantrieb trotzdem G-Kräfte spüren?

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ProfFrink  11.12.2015, 19:56
@ralfneumann1977

Ja, die Massenträgheitskraft gilt ohne Einschränkungen weiter auch in den Lagrange-Punkten.

Es ist im Grunde auch die Massenträgheitskraft, die Satelliten oder die ISS in ihrer Umlaufbahn hält. Das liegt daran, dass die Fliehkraft, die ja der Erdanziehungskraft entgegenwirken soll auch nur eine Spielart der Massenträgheitskraft ist. 

Für die Raumfahrt bedeutet das, dass überall wo ich gerade nicht so einen seltenen Lagrange Punkt ausnutzen kann die rotatorische Fliehkraft zur Bahnstabilisierung nutzen muss. Man ist dann praktisch zur dauernden Umläufen verdonnert. Sehr lästig für die die weltraumgestütze Astronomie.

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wolfgang1956  12.12.2015, 14:14

Wenn sich die Gravitationskräfte zweier Himmelskörper im Lagrange-Punkt neutralisieren oder aufheben, heißt das jedoch nicht, dass dort keine Gravitationskraft existiert! Da sich alle Himmelskörper ständig bewegen, heißt dies auch, dass es diesen Punkt eigentlich nicht geben kann, da sich die Körper ja nicht zwangsläufig exakt auf „ihrer“ Ellipse bewegen, sondern mindestens eine schraubenartige Bewegung stattfindet.

Zur Verdeutlichung:

Unserer Galaxis dreht sich um „ihren“ Zentralpunkt oder -körper. Unsere Sonne dreht sich um unsere Galaxis. Die Erde umkreist die Sonne. Der Mond umkreist die Erde und mit ihr die Sonne.

M.a.W. dieser Lagrange-Punkt ist zwar ein sehr nettes theoretisches Pünktchen, welches man zwar rechnerisch ermitteln kann, das aber als solches bei weitem nicht wirklicher Mühen wert ist, da er sich beständig mit der Umrundung des Mondes um die Erde und mit der Umrundung beider um die Sonne verschiebt. Außerdem beeinflußt die Schwerkraft der Sonne ihrerseits als dritter Himmelskörper die Schwerkraft im Lagrange-Punkt. Darauf würde ich deshalb keinen Penny, Lidl oder Aldi setzen … :-)

Da sind doch die geo-stätionären Umlaufbahnen in ca. 36000 km Höhe über der Erde viel praktischer, weil von dort aus die Satelliten über der Erde scheinbar stillstehen und ihrer gewünschten und sinnvollen Tätigkeit nachgehen … :-)

Eine Professur wird es bei derlei Theorien kaum geben … :-)

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ProfFrink  12.12.2015, 15:02
@wolfgang1956

Diese Lagrange Punkte werden von bestimmten Sonden tatsächlich genutzt. Sogar das James-Webb Teleskop soll in L2 positioniert werden. Es kommt eben immer auf das Missionsziel an. Geostationäre Umlaufbahnen fürs Fernsehen, nichtgeostationäre Umlaufbahnen für flächendeckende Erdbeobachtungen. Es gibt sogar einen Friedhofsorbit jenseits der geostationären Umlaufbahnen.

Aber diese Langrange Punkte werden für astronomische Beobachtungen gerne genutzt, weil sie so schön weit von der Erde und deren Störwirkungen entfern sind. Ausserdem sin die Umlaufperioden langsamer, was die Astronomen besonders freut. Einziger Nachteil: Diese Teleskope können zu Servicezwecken nicht mehr angeflogen werden werden. Beim Hubble-Teleskop hat man sich sogar zweimal einen bemannten Besuch erlaubt. - Also: Es handelt sich nicht nur um theoretische Pünktchen. Eine überschlagsmässige feldtheoretische Nachrechnung ergibt, dass es sich in Wahrheit um recht ausgedehnte Gebiete jedoch mit instabilen Gleichgewicht handelt. D. h. Sonden bedürfen der regelmäßigen Bahnkorrektur.

Ich bin auch kein richtiger Professor, sondern habe mir diese Figur aus der Simpsons Serie entliehen, wo der Professor Neidelboom Frink als ein etwas kauziger Tüftler dargestellt wird. Einziges gemeinsame Merkmal ist, dass ich als Ingenieur auch mit Technik zu tun habe.

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NutzlosAlpha  12.12.2015, 15:50
@wolfgang1956

M.a.W. dieser Lagrange-Punkt ist zwar ein sehr nettes theoretisches Pünktchen, welches man zwar rechnerisch ermitteln kann,

Es ist nicht nur ein Punkt, sondern gleich fünf an der Zahl. Davon werden L1 und L2 aktiv genutzt, während L3, L4 und L5 theoretisch genutzt werden können. L4 und L5 sind dabei sogar dauerhaft stabil gegenüber Bahnstörungen. Alle Lagrangepunkte bewegen sich natürlich mit den Objekten mit, sonst könnte ja kein Kräftegleichgewicht zwischen den sich bewegenden Körpern herrschen. Bei  den meisten Planeten wurden koorbitale Objekte beobachtet, inklusive der Erde. Jupiter hat gar ganze Schwärme von Asteroiden an den Punkten L3, L4 und L5.

Unserer Galaxis dreht sich um „ihren“ Zentralpunkt oder -körper. Unsere Sonne dreht sich um unsere Galaxis. Die Erde umkreist die Sonne. Der Mond umkreist die Erde und mit ihr die Sonne.

Nein. Die galaktische Scheibe dreht sich um den galaktischen Kern, wobei man man einzelne Sterne nicht mehr als Keplerobjekte betrachten kann, weil sie sich einander gravitativ beeinflussen und auch von den Dichtewellen der Galaxis beeinflusst werden. Mitnichten dreht sich die Sonne um sowas wie einen Zentralpunkt bzw Zentralkörper, welcher strengenommen nicht existiert.

Selbst wenn man es im weiteren Sinne fasst, ist die Aussage nicht richtig, denn Sagittarius A ist bestenfalls 4,5 Mio. Sonnenmassen schwer und hat damit vielleicht 1/1000 der Masse des galaktischen Kerns. Genau sagen kann man das allerdings nicht, denn dazu müsste man sowohl masse als auch Masseverteilung der Milchstraße genau kennen.

Da sich alle Himmelskörper ständig bewegen, heißt dies auch, dass es diesen Punkt eigentlich nicht geben kann, da sich die Körper ja nicht zwangsläufig exakt auf „ihrer“ Ellipse bewegen, sondern mindestens eine schraubenartige Bewegung stattfindet.

Mit der selben Begründung dürfte die Erde dann keinen Mond haben, weil der sich ja von der Sonne gesehen in einem Spiralförmigen Orbit befindet. Tatsächlich sind die Lagrangepunkte nichtmal spiralförmig - eben weil sie koorbital mit dem kleineren Körper sind. Dafür kann man aber Objekte um die Lagrangepunkte kreisen lassen, und zwar sogar senkrecht zur Bahnebene des kleinen Körpers, bei L4 und L5 können sich Objekte sogar in alle Richtungen frei bewegen.

Hier jetzt aber Himmelsmechanik zu erklären würde aber den Rahmen sprengen, dafür kannst du dir den Wikipediaartikel antun, falls du das wünschst.

sondern mindestens eine schraubenartige Bewegung stattfindet.

Zur Verdeutlichung:

Unserer Galaxis dreht sich um

Davon mal abgesehen gibt's auch Hyperschnellläufer, die unsere Galaxie verlassen und prinzipiell nicht anders aufgebaut sind als andere Sternensysteme. Deine Verdeutlichung, warum Lagrangepunkte nicht existieren können ist damit ebenfalls hinfällig.

Eine Professur wird es bei derlei Theorien kaum geben

Eine Professur ist kein akademischer Grad...

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FrodoB90  09.09.2023, 02:22

Zwar ist die Gravitationskraft auf den Lagrangepunkten zwischen speziell zwei Körpern rein praktisch aufgehoben, aber es gibt immer noch einen anderen Körper oder eine Megastruktur dessen Gravitationskraft wirkt. So wirkt die Gravitation der Sonne auf unser Sternensystem, die Milchstraße wiederum, wirkt auf unser Sonnensystem, Galaxienhaufen wirken auf unsere Milchstraße usw. Selbst in den gigantischen Voids sollte noch irgendeine Form von Gravitation sein. Gravitation ist unbegrenzt wirksam.

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Vielleicht am Rand des Universums wo es (noch) keine Materie und Antimaterie gibt könnte die Gravitationskraft gleich 0 sein. Aber das ist meine persönlich Behauptung und kann auch nicht nachgewiesen werden.

Mikkey  12.12.2015, 19:21

Für mich die einzige Antwort, die die Frage beantwortet btw der Antwort nahekommt.

Wenn ein Ort im Universum gibt der mehr Lichtjahre von der nächstgelegenen Materie entfernt ist, als es dem Alter des Universums entspricht, kann dort noch keine Gravitation "angekommen" sein.

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NutzlosAlpha  13.12.2015, 00:30
@Mikkey

Ich fürchte, auch das ist nicht richtig und beruht auf einer völlig falschen Vorstellung vom Universum, die allerdings recht häufig ist.

Okay, am Rand des Universums ist also noch keine Materie und deshalb auch noch keine Gravitation, das klingt logisch und... moment mal, der Rand des Universums sagst du? Was soll das sein? Vergiss nicht, das Universum beinhaltet Raum, Zeit, Materie und Energie so wie wir sie kennen und dann ist da ein Rand, an dem der Raum und die Zeit einfach enden?

Und dahinter ist was? Das Nichts? Aber moment mal, dahinter impliziert ja schon wieder einen Raum, aber wie kann da Raum und gar nichts gleichzeitig sein? Ergibt keinen Sinn. Außerdem wie kommt die Raumzeit ins Nichts rein? Immerhin dehnt sich der Raum ja in Abhängigkeit von der Zeit aus. Im Nichts herrscht also Zeit aber kein Raum? Aber wie kann es dann nichtts sein? Ergibt wieder keinen Sinn.

Die Widersprüche lösen sich allerdings auf, wenn man realisiert, dass das Universum keinen Rand hat, hinter dem ein ominöses Nichts steckt. Das Universum ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit unendlich und selbst wenn es das nicht ist, so ist es zumindest unbegrenzt.

In einem unendlichen Universum erübrigt sich die Frage nach dem Rand - es hat ja buchstäblich kein Ende. Bei einem endlichen, unbegrenzten Universum wären die "Enden"  verknüpft. Soll heißen, wenn man an einem Ende rausgeht, kommt man am anderen Ende wieder rein. Man würde also unbegrenzt im Kreis fliegen, wenn man von der Raumausdehnung mal absieht.

Achja, die Raumausdehnung. Aber wie kann etwas unendliches sich eigentlich ausdehnen? Diese Frage stellen sich viele. Tatsächlich impliziert Unendlichkeit aber, dass dort buchstäblich kein Ende ist - und damit auch nichts, was den Raum davon abhalten könnte, zu expandieren.

Die Expansion selbst ist mindestens ebenso unverstanden. Der Raum dehnt sich nämlich nirgendwo rein, sondern seine Metrik vergrößert sich. Wenn du eine gewisse Strecke hast und eine Zeit vergehen lässt, so wird die Strecke ohne weiteres zutun größer geworden sein. Die Abstände nehmen also immer weiter zu, ohne dass sich irgendetwas selbst bewegen würde.

Dieser Effekt wird durch den Hubble-Parameter beschrieben, dessen Wert ca 67 km pro Sekunde und Mpc ist. Auf einer Strecke von 3,26 Mio. Lj entstehen pro Sekunde also 67 km neuer Raum. Von diesem Effekt sind gravitation gebundene Systeme nicht betroffen (jedenfalls im weitesten Sinne, tatsächlich sind sie es doch).

Das Universum expandiert also nicht irgendwo rein, sondern die Abstände innerhalb des Universums vergrößern sich. Ein Meter ist nach einer Sekunde mehr als ein Meter, jedenfalls solange man dort misst, wo die Gravitation nicht überwiegt.

Wenn ein Ort im Universum gibt der mehr Lichtjahre von der nächstgelegenen Materie entfernt ist, als es dem Alter des Universums entspricht, kann dort noch keine Gravitation "angekommen" sein.

So einen Ort kann es folglich nicht geben. Das Universum war früher kleiner, weil die gesamte Metrik kleiner war. Die Materie ist beim Urknall nicht auseinandergeflogen und hat jetzt einen Ort erreicht, wo sie vorher nicht war. Tatsächlich war die Materie heute wie früher überall; es ist der Raum der im Laufe der Zeit immer mehr zugenommen hat und so die Materie verdünnte.

LG, NA

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Bleihorn  16.12.2015, 02:50
@NutzlosAlpha

Wie schon Albert Einstein sagte, und daran halte ich fest:

Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die Dummheit der Menschen. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht so sicher.

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frzimmermann  16.05.2022, 23:33
@NutzlosAlpha

Dehnt sich denn nur der Raum oder auch die Zeit aus? Die ist ja schließlich ein Teil des Universums.

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Es gibt viele Orte, wo sich Gravitationskräfte gegenseitig aufheben. Sie liegen in der Nähe der Lagrangepunkte, z.b. zwischen Erde und Mond o der Sonne und Erde. Da gleichzeitig die Einflüsse der übrigen Planeten in geringerem Maß Einfluss ausüben, schwanken sie ein wenig. Trotzdem sind die Positionen L4 und L5 so stabil, daß auch für einen längeren Aufenthalt von Sonden keine Stabilisierung sdüsen nötig sind.

Nein. Gravitation herrscht natürlich an jedem Ort, jeweils mit Bezug auf umgebende Massen und ihre Entfernungen. Im Mittelpunkt der Erde z.B. (wie sich das z.B. ProfFrink hier vorstellt) ist zwar die Gravitation der Erdmasse aufgehoben, aber nicht die Gravitation in Bezug auf zahllose andere Körper im Weltall. Da kann es keinen "Nullpunkt" geben.

Das mit den Lagrangepunkten finde ich auch interessant. So wie ich das aber verstehe, bezieht sich das dann auf ein Kräftegleichgewicht und nicht auf die Abwesenheit der Gravitation. Ich dachte neulich über die Raumzeitverzerrung in Gravitationstöpfen nach. Innerhalb dieser Töpfe, in den eben auch die Zeit gebogen wird, dürfte es also auch nur wenige Punkte geben, an denen die Zeit gleich schnell verläuft und somit eine Gleichzeitigkeit von Ereignissen möglich wäre. Diese Punkte müssten sich dann ja alle gleich weit entfernt vom Zentrum des Gravitationstopfes befinden. Wären das dann auch Langrangepunkte? Also temporale?

Woher ich das weiß:Hobby