Dialekt als Hinderniss?
Grüß Gott Freunde,
ich bin der Tim und komme aus Stuttgart. Ich spreche im Alltag Schwäbisch… das bereitet mir seit 27 Jahren keine Probleme. Aber ich arbeite jetzt in einer Bank und werde häufig gefragt ob ich etwas wiederholen oder langsamer sagen kann. Ich würde gerne im Alltag von Schwäbisch auf Hochdeutsch wechseln können und besuche deshalb jetzt einen Sprachkurs. Kann mir vielleicht jemand hier beantworten ob Dialekt Gebrauch ein Bildungshinderniss war oder eher Förderlich für mich. Lieben Dank und Grüße aus Stuttgart euer Tim.P
7 Antworten
Meines Erachtens ist Dialekt kein Hindernis. Meine Oma kam aus Baden und hat ihre letzten 20 Jahre in Ostwestfalen gelebt. Ihre süddeutsche Herkunft hat man an der Sprechmelodie gehört; verstanden haben die Ostwestfalen sie jedoch trotzdem.
Ich bezweifele, dass die offenbar eingeschränkte Verständlichkeit an deinem Dialekt liegt (wenn überhaupt). So, wie du dich schriftlich ausdrückst, traue ich dir eine standardsprachliche Wortwahl ohne Weiteres zu, sodass deine Sprechmelodie vielleicht dialektal gefärbt ist, aber dass das, was du sagst, theoretisch nicht nur für Dialektkundige verständlich ist.
Möglicherweise sprichst du eher leise, schnell oder undeutlich? Versuch mal, an deinem Sprechtempo und/oder deiner Lautstärke und/oder deiner Artikulationsschärfe zu arbeiten.
Übrigens eröffnet ein Dialekt mitunter eine persönliche Ebene, für mich jedenfalls. Da, wo ich derzeit lebe, spielt Dialekt kaum eine Rolle. Ich freue mich immer, wenn ich jemandem mit Dialekt begegne, weil meine Kindheit quasi zweisprachig war, die gesprochene Sprache mich auf eine besondere Weise fasziniert und rührt und ich schon in als Standardsprecherin in Dialektregionen gewohnt habe und Dialekte in der Regel verstehe und mich schnell einhören kann.
Meist höre ich es nur an der Sprechmelodie, weil die Wortwahl immer standardsprachlich ist. Ich spreche die Menschen gerne darauf an und bisher haben sich alle gefreut, davon zu erzählen. Dialekt hat oft etwas mit Heimat und Identität zu tun, gerade, wenn man dort ist, wo der Dialekt nicht gesprochen wird.
Kein Dialekt sollte hinderlich sein, aber wenn man im Berufsleben steht, dann sollte man sich eine Sprache angewöhnen, so dass einen JEDER versteht.
Schau dir viele Schauspieler an, die ihren Dialekt soweit abgelegt haben, dass sie sich gut ausdrücken können, im Privatleben werden sie sicher auch ihren Dialekt mal sprechen.
Gucke mal hier,
https://www.gala.de/stars/starportraets/sebastian-koch-20592442.html
Sebastian Koch ist als Schwabe aufgewachsen und im Alltag merkt das keiner und viele wissen das nicht mal aber
für seine Karriere ist ein gutes Hochdeutsch für ihn förderlich, es sei denn, er spielt in einer Rolle, wo Schwäbisch gesprochen wird.
Also hat er sich das quasi "abgewöhnt" und Hochdeutsch gelernt.
Grüß dich Tim.
Kennsch noch "Mir könnet älles, nur kei Hochdeitsch!"
Wenn du es schaffst, mit Hochdeutsch und Stuttgarter Schwäbisch (das ja nicht krass ist) zweisprachig zu werden, hast du definitiv einen Vorteil vor Leuten mit nur einer Muttersprache.
Ein Sprachkurs gewöhnt dich nicht nur an eine zweite Sprache, sondern auch an das Lernen selbst, und das kommt dir bei ALLEM zugute. Das ist eine sehr gute Entscheidung.
Hallo Tim,
die Sprache der Jugend wird häufig von Eltern, Schulen, Firmen gehasst und gilt als primitiv. Jedoch hat die aktuelle Pisa Studie gegenteiliges bewiesen. Auch die Hirnforschung berichtet, dass Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, eine bessere Bildung des Zentrums des Gehirns aufweisen und dadurch besser Rechtschreiben können als einsprachige Kinder. Eine These von Reinhold Steiniger unterstreicht dies. Er behauptet, dass zwar der Gebrauch von Dialekten rapide zurückgeht, allerdings auch dir Beherrschung der Schriftsprache. Außerdem führte die Uni Oldenburg Studien mit Drittklässlern durch, welche bewiesen, dass Dialekt sprechende Kinder bis zu 30 % weniger Rechtschreibfehler machten. Dies hat wahrscheinlich nicht nur der Dialekt, sondern auch andere Bedingungen wie die Familienverhältnisse usw. zu verschulden, allerdings wird wohl klar was ich sagen will… Dein Dialekt sollte nicht als Hindernis, sondern als förderlich angesehen werden
viele Grüße Hans!
Hallo Tim,
Meines Erachtens nach ist der direkte Gebrauch von Dialekten kein Bildungshinderniss. Schwierig wird es dann eben nur, wie bei dir, wenn das Code-Swichting, also das wechseln zwischen Sprachvarianten, nicht funktioniert. Dies kann zu einem Hindernis im Alltag werden, da eben nicht jeder den Dialekt beherrscht. Dennoch würde ich es nicht als Bildungshinderniss bezeichnen, da du ja auch schließlich den Weg durch die Schule geschafft hast und jetzt bei der Bank anfängst. Aber es ist glaube ich eine sehr gute Bereicherung, wenn du dir Hochdeutsch aneignest.