Denkt ihr, dass die Reformation (Christentum, Luther) die Welt langfristig im positiven Sinne verändert hat?
10 Antworten
Die Reformation, die durch Martin Luther und andere Reformatoren im 16. Jahrhundert eingeleitet wurde, hat die Welt in vielerlei Hinsicht tiefgreifend verändert, und ich glaube, dass diese Veränderungen im positiven Sinne zu betrachten sind. Hier sind einige Aspekte, die das verdeutlichen:
1. Einsicht und Individualität im Glauben
Die Reformation förderte die Idee, dass jeder Mensch eine persönliche Beziehung zu Gott haben kann, unabhängig von der Kirche. Dies stärkte die individuelle Glaubensfreiheit und ermutigte die Menschen, ihre eigenen spirituellen Überzeugungen zu erforschen und zu hinterfragen. Diese Freiheit hat nicht nur das persönliche Glaubensleben bereichert, sondern auch das Verständnis von Gott und der Spiritualität erweitert.
2. Bildung und Zugang zu Wissen
Ein zentraler Aspekt der Reformation war die Übersetzung der Bibel in die Landessprache, wodurch die Heilige Schrift für eine breitere Bevölkerung zugänglich wurde. Diese Zugänglichkeit hat die Bildung gefördert und einen Anstoß zur allgemeinen Alphabetisierung gegeben. Bildung ist eine Schlüsselressource für die Entwicklung von Gesellschaften und fördert kritisches Denken sowie die Fähigkeit, selbstständig Entscheidungen zu treffen.
3. Soziale Veränderungen
Die Reformation führte zu sozialen und politischen Umwälzungen, die letztlich zur Entstehung demokratischer Strukturen und zur Stärkung der Menschenrechte beitrugen. Indem die Menschen ihre eigene Stimme im Glauben und in der Gesellschaft einforderten, entstanden Bewegungen, die Gleichheit und Gerechtigkeit forderten.
4. Vielfalt im Christentum
Die Reformation führte zur Entstehung verschiedener christlicher Konfessionen, was die Vielfalt im Glauben und in der Ausübung des Christentums förderte. Diese Vielfalt hat dazu beigetragen, dass unterschiedliche Perspektiven und Praktiken innerhalb des Glaubens existieren können, was die religiöse Landschaft bereichert.
5. Einfluss auf die moderne Welt
Die Werte, die während der Reformation hervorgehoben wurden, wie individuelle Freiheit, Verantwortung und das Streben nach Wahrheit, haben auch die Entwicklung moderner Gesellschaften beeinflusst. Die Reformation trug zur Entstehung von Denkansätzen bei, die in der Aufklärung und der modernen westlichen Philosophie eine Rolle spielten.
In Licht und Liebe,
Raphaela ✨
Es ist alles richtig, was Du schreibst, bzw. man kann es plausibel so sehen. Allerdings habe ich zwei, drei Anmerkungen:
1. Einsicht und Individualität im Glauben. Ja, es ist eines der "Errungenschaften" der Reformation, daß nun der persönlichen Beziehung zu Jesus eine Schlüsselrolle zukommt. Aber biblisch ist das nicht. Denn es geht darum, daß wir als Teil des mystischen Leibs Christi eine Beziehung zu Jesus haben und nicht als Individuen. Der mystische Leib Christi aber ist die Kirche. Ja, die Reformation hat individuelle Freiheit gebracht auf Kosten des Glaubens.
2. Bildung: Übersetzungen der Bibel in einzelne Landessprachen, darunter auch ins Deutsche, gab es schon vor Lurher. Was ein echter Game Changer war, war der Buchdruck. Dieser förderte das Wissen ungemein. Wäre Luther 100 Jahre vor der Erfindung des Buchdrucks geboren, wäre die Reformation " tot von der Presse gefallen"
3. Soziale Veränderungen: ich gebe zu, daß das was die katholische Kirche erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts allmählich eingeführt hat, nämlich das Subsidiaritätsprinzip, der "Dritte Weg" geheissen, in den reformatorischen Kirchen schon 300 Jahre früher wirksam war und dass diese Art der Solidarität in der ältesten, noch aktiven Demokratie der Welt maßgeblichen Einfluss hatte - bis in das Wahlsystem der USA.
4. Vielfalt im Christentum sehe ich nicht als positiv an. Gerade in protestantischen, freikirchlichen Zirkeln hat die Reformation zu Verwirrung und Spaltung sowohl mit der katholischen Kirche als auch untereinander geführt: Kindstaufe mal ja, mal nein, Entrückung, Abendmahl muss sein, kann vielleicht sein, muss gar nicht sein, Jesus war nur ein Mensch, aber nicht Gott (Unitarier) und vieles mehr - vertreten und verbreitet von riesigen Megachurches bis hin zum Einzelkämpfer, der trotzig sagt, er sei sein "eigener Pastor"
Finde ich. Ganz grob heruntergebrochen hat die Übersetzung der Bibel den Menschen die Möglichkeit gegeben, selbst Gottes Wort zu lesen und in diesem die Dinge zu prüfen, was sie von Irrlehren und der damit verbundenen Angst befreit hat, wie es beispielsweise bei den Ablassbriefen der Fall war.
Naja, dazu muss man das geschriebene auch erst verstehen, was viele bis heute offenbar nicht können und komische Annahmen über den wahren Glauben entwickeln und letztendlich gar nicht mehr richtig an Gott glauben, obwohl uns Christen die letzte Offenbarung vorliegt.
Das stimmt, man muss es verstehen. Der Heilige Geist ist dementsprechend (sowieso generell) der beste Lehrer🔥
Es gab einige positive Impulse, keine Frage, aber insgesamt überwiegen meiner Meinung nach in der Summe die negativen Auswirkungen.
Ja.
Nun können auch "normale Menschen" (Mt.24,14)
Gottes Wort lesen (Joh.14,6; Offb.17,1-4).
Ja.
Was die Welt im positiven Sinne verändert, ist die Vernunft.
Die Abkehr von der Autorität des Papstes hat die Epoche der Aufklärung wohl erst möglich gemacht, jedenfalls sehr erleichtert.
Auch die reformierte Umsetzung der Religion weist in Richtung Vernunft (Weglass von Beichte und Heiligenverehrung, weltliches Verständnis des Kirchenamtes).
Allerdings waren der Vernunft auch noch deutliche Grenzen gesetzt. So befürwortete Luther die Hexenverfolgung.
Zumindest war es ein erster Schritt in diese Richtung. Thomas Müntzer ging zugleich einige Schritte weiter, leider ohne Erfolg. Luther sah die "gottgewollte" Ordnung der Menschheit als so gewollt an und hat dies leider nicht hinterfragt.
Sehr gut! 💙