[Chemie] Chirale Moleküle können polarisiertes Licht drehen?

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Moin,

eigentlich erklärt botanicus den Sachverhalt mit seinen Filmen schon sehr gut (vor allem im zweiten Film).

Aber ich gehe hier noch einmal etwas genauer auf deine konkreten Fragen ein:

Dazu schauen wir zunächst einmal schematisch auf ein Polarimeter:

Bild zum Beitrag

Eine Lichtquelle (1) sendet Licht aus. Dieses Licht enthält Lichtquanten, die in alle möglichen Richtungen schwingen (2). Wenn du nun aber dieses Licht durch einen speziellen Polarisationsfilter (3) schickst, dann lässt der Filter nur noch Licht mit einer ganz bestimmten Schwingungsebene durch. Alle anderen Schwingungsebenen werden „geschluckt”. Das bedeutet, dass das Licht hinter dem Polarisator (3) nur noch in einer Richtung schwingt, also polarisiertes Licht (4) ist.

Wenn du nun dieses polarisierte Licht (4) durch eine Küvette (5) schickst, in der eine Lösung einer optisch aktiven Substanz (6) ist, dann drehen die Moleküle der optisch aktiven Substanz die Schwingungsebene des polarisierten Lichts immer um einen bestimmten Betrag.

Hier zu fragen, warum die optisch aktiven Moleküle das können oder machen, ist etwa so sinnvoll wie die Frage, warum Ethanol gerade bei 78°C siedet, während Methanol dies bereits bei 65°C tut. Die optische Aktivität ist einfach eine Eigenschaft von bestimmten Substanzen, die man messen kann.

Was aber interessant ist, ist, dass das polarisierte Licht umso stärker gedreht wird, je öfter es auf Moleküle der optisch aktiven Substanz trifft. Deshalb ist für den Betrag der Drehung einerseits die Konzentration der Probenlösung, andererseits die Länge der Küvette wichtig. Es liegt auf der Hand, dass in einer stärker konzentrierten Lösung mehr Moleküle der optisch aktiven Substanz vorhanden sind als in einer schwächer konzentrierten.
Genauso logisch ist, dass das polarisierte Licht in einer Küvette mit 10 cm (1 dm) Länge auf weniger Moleküle treffen wird als in einer Küvette mit 20 cm (2 dm) Länge, nicht wahr?!

Wie auch immer, die optisch aktive Substanz dreht also die Schwingungsebene des polarisierten Lichts um einen gewissen Betrag, was an der verstellten Schwingungsebene (7) des polarisierten Lichts nach dem Durchgang durch die Küvette ersichtlich ist.

Um welchen Betrag die Schwingungsebene gedreht wurde, kann man an einem Polarisationsanalysator (8) am Ende des Polarimeters ablesen. Der Analysator ist drehbar. Er wird so lange nach links oder rechts gedreht, bis das polarisierte Licht, dessen Schwingungsebene zuvor durch die optisch aktive Substanz in der Lösung gedreht wurde, wieder vom Betrachter (9) hinter dem Polarimeter zu sehen ist. Dabei ist nämlich entscheidend, dass das Licht nur dann zu sehen ist, wenn der Filter im Analysator so steht, wie die Schwingungsebene des polarisierten Lichts nach der Drehung ausgerichtet ist.

Nun erhebt sich noch die Frage, woher ich weiß, ob eine Substanz rechts- oder linksdrehend ist, denn bei nur einer Probenlösung wäre ja ein rechter Drehwinkel um sagen wir 10° nicht zu unterscheiden von einem linksdrehenden um 170°.

Tja, um die Drehrichtung herauszufinden, braucht man (mindestens) zwei verschieden konzentrierte Lösungen der optisch aktiven Substanz. Es wurde ja schon gesagt, dass unter anderem die Konzentration Einfluss auf den Drehwinkel hat, weil das polarisierte Licht umso stärker gedreht wird, je häufiger es auf Moleküle der optisch aktiven Substanz trifft.
Darum ist auch klar, dass bei ansonsten gleichen Bedingungen ein Drehwinkelbetrag kleiner wird, wenn eine optisch aktive Substanz schwächer konzentriert ist.

Nun misst man zum Beispiel den Drehwinkel einer optisch aktiven Substanz mit der Konzentration 1 mol/L und stellt fest, dass man das polarisierte Licht wieder sieht, wenn man den Analysator um 10° nach rechts dreht. Das Licht würde man aber auch sehen, wenn man den Analysator um 170° nach links drehen würde.
Doch nun gibt man in die Küvette die gleiche Substanz, aber mit einer Konzentration von nur 0,5 mol/L.
Wenn die optisch aktive Substanz rechtsdrehend ist, muss der Analysator bereits nach 5° rechter Drehung das polarisierte Licht durchlassen. Das entspräche aber dem Wert 175° bei der Linksdrehung. Da aber bei einer schwächeren Konzentration kein größerer Drehwinkel resultieren kann, muss die Substanz rechtsdrehend sein.

Würde dagegen bei gleichem Ablauf eine Einstellung von 15° Rechtsdrehung bzw. 165° Linksdrehung herauskommen, wüstest du, dass die optisch aktive Substanz linksdrehend ist (weil dann bei der Linksdrehung der kleinere Winkel eingestellt werden müsste).

Was deine letzte Frage angeht: nein, die optische Aktivität zeigen nur Substanzen mit einer ungeraden Anzahl an Chiralitätszentren. Auch Substanzen mit einer geraden Anzahl an Chiralitätszentren können optisch aktiv sein, aber hier gibt es auch die Möglichkeit, dass die Drehrichtung des einen Zentrums durch die Drehrichtung des anderen Zentrums aufgehoben wird, so dass eine Gesamtdrehrichtung von 0° resultiert. Das ist zum Beispiel bei meso-Formen (klassisches Beispiel die meso-Weinsäure) der Fall.
Achirale Moleküle haben nicht die Eigenschaft der optischen Aktivität. Sie drehen folglich auch nicht polarisiertes Licht.
Wenn du ein racemisches Gemisch aus zwei optisch aktiven Enantiomeren hast, ergibt sich ebenfalls der Drehwinkel 0°, weil die Rechtsdrehung der einen Molekülsorte durch die Linksdrehung der anderen Molekülsorte um denselben Betrag aufgehoben wird.

Alles in allem ist der Drehwinkel, um den den eine optisch aktive Substanz polarisiertes Licht dreht, eine spezifische Größe, die man messen kann. In definierten Grenzen kann man also den spezifischen Drehwinkel bestimmen.
Andererseits kann man dann mit Hilfe des bekannten spezifischen Drehwinkels einer Substanz ermitteln, wie stark konzentriert eine Lösung dieser Substanz ist (siehe hierzu den letzten Teil des zweiten Videos von botanicus).

Ich hoffe, deine Fragen sind nun geklärt...

LG von der Waterkant

 - (Chemieunterricht, Moleküle, organische Chemie)

Sie drehen die Polarisationsebene des Lichtes. Die beiden Enantiomere jeweils in entgegengesetzter Richtung, aber um den gleichen Winkel.

https://www.youtube.com/watch?v=sr5xNhxWPC0

https://www.youtube.com/watch?v=4zFtA8InpaQ

Beide Filme behandeln das gleiche Phänomen, habe ich beide für meine Schüler in der Coronazeit gemacht. Weitere Filmchen sind verlinkt auf bc-goertz.de, Bereich "Runterlad" --> Videos Chemie

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lehrer für u.a. Chemie