Angst vor Strom gerechtfertigt?

8 Antworten

Ich habe mich schon als Kleinkind für Strom und Elektroinstallation interessiert.

Installationsschaltungen, Verteiler, Leitungstypen, Schutzklassen/-arten, Verlegearten usw. so allerlei Theoriezeugs hatte ich mir ab dem 10. Lebensjahr so nach und nach aus (überhaupt nicht kindgerechten^^) Fachbüchern angeeignet (ich hatte keinen Zugang zum Internet). Mich hat das fasziniert.

Damals gab es nach der Sendung mit der Maus immer so eine Physiksendung. Da kam irgnedwann mal das Thema "Drehstrom". Die Folge durfte ich mir komplett ansehen und habe auch viel von dem gezeigten verstehen können. Dass es im Netz 3 Phasen gibt, war dann wieder was faszinierendes neues für mich.

Später hatte ich das ganze auf Elektronik und die Computerprogrammierung (noch MS-DOS) ausgeweitet. Wie man Relais softwaregesteuert schalten kann, hatte ich sehr schnell raus...

In der Schule kam dann irgendwann der Punkt, wo Zwei Wochen Schülerpraktikum angesagt war. Für mich war klar, welcher Betrieb: Der einzige Elektrofachbetrieb, den es in der Dorfgemeinde gab.

Am ersten Tag war ich ganz aufgeregt. Durfte mit auf den Bau! Leitungen legen. Im Ärztezentrum-Neubau.

An der Wand hing was faszinierendes: Der Installationsplan für eine ganze Etage.

Doch dann kam ganz schnell die bittere Erkenntnis: Leitungen werden nunmal 30cm unter der Decke entlang gelegt. Das heißt: Leiter!

Ich hatte (und habe immer noch) wahnsinnige Höhenangst. Ich schaffe es nicht höher als die zweite Stufe. Ich wurde dazu gedrängt, doch ganz draufzusteigen und, weil ich es nicht konnte, regelrecht "fertig gemacht". Allgemein kam ich mit dem rauen Ton auf dem Bau und mit den Bauarbeitern überhaupt gar nicht zurecht.

Bin dann weinend zusammengesackt, wollte nur noch weg und musste abgeholt werden.

Anstatt das Praktikum abzubrechen, hat man sich geeinigt, mich die restliche Zeit in der Werkstatt zu bespaßen:

Ich wurde vom Meister vor eine große Holzplatte gestellt, die eine Wand simulierte.

Daran war ein Kleinverteiler mit einem Leitungsschutzschalter, der über Schuko versorgt wurde.

Der Meister gab mir eine Kellerleuchte, einen Aufputzschalterm, bisschen NYM und Werkzeug. Meine Aufgabe war es, alles an dieses Brett zu schrauben und die Leuchte zu schalten - Egal wie. Ich wurde aber ermahnt, auf keinen Fall den Stecker auf eigene Faust einzustecken. Ich solle Bescheid sagen, wenn ich fertig wäre, dann wird gemeinsam getestet.

Ich wollte es so gut machen, wie es mir mit einem vorhandenen Wissen möglich war. Ich habe Zollstock und Bleistift genommen, um 110cm vom Boden zu messen - für den Schalter. Dann habe ich weiter oben die Abzweigdose ebenfalls angeschraubt und die Leuchte auch platziert. Dann habe ich das NYM verlegt (mit Nagelschellen, schön gleichmäßige Abstände, niemals schräg, aber Probleme mit dem Umgang mit dem Hammer gehabt xD) und schließlich alles verdrahtet. Mit Doliklemmen. Wagoklemmen gab es nicht.

Das hat ca. eine Stunde gedauert und dann bin ich zum Meister: "Fertig! :D". "Was? Das gibt es doch nicht..." und er hat sich sehr gewundert, wie gut das für ein erstes Mal war.

Er tat den Stecker in die Dose und ich durfte probieren, ob es funktioniert. Es hat funktioniert.

Da war er bisschen erstaunt.

Das einst leere Brett wurde in 3 Tagen voller und voller, bis es komplett voll war: Steckdosen, alle Schaltungsarten durch, Türklingeln, Wechselsprechanlagen, Telefondosen, Leuchtstoffröhren.... Nichts hat mich bremsen können und nicht einen einzigen Schaltungsfehler gebaut.

Dann war Freitag der ersten Woche: Alles wieder abbauen. Danach durfte ich mit zu einem Kundentermin, wo eine Steuerung für eine Steinsäge in einer Grabsteinfabrik erneuert werden musste. Der Geselle kam mit der Schaltung nicht zurecht. Ich habe zu allem Überfluss gefragt, was das für schwarze Klötze in dem Kasten sind. Dann hat er mir grob erklärt, wie ein Schütz funktioniert. Habe das Prinzip sofort verstanden.

Der Geselle war verzweifelt, die Schaltung so hinzubekommen, wie sie sollte: Einstellbarer Timer -> Motor zum Absenken der Granitsäge an -> Einstellbarer Timer - Motor wieder aus und aufs neue.

Er hat immer wieder zugeschaltet, probiert und fluchend wieder freigeschaltet.

Das funktionierte nicht, wie es sollte... Er hat telefoniert und telefoniert. In der Zwischenzeit habe ich mir die Schaltpläne angesehen und auch aus sicherer Entfernung die Verdrahtung im Steuerungskasten. Da habe ich etwas im Steuerungskasten gesehen, was ich für einen Verdrahtungsfehler hielt.

Nachdem der Geselle aufgelegt hat, habe ich da mit dem Finger draufgezeigt: "Ähh... da... kann das sein, dass..."

Der Geselle etwa so: "Ach woher willst du das wiss.... moment.... ähm.... wtf?!".

Ich hatte mit meiner Vermutung einen Voltreffer geschossen und die Steuerung lief dann.

Am Ende hat er noch gepfuscht und ich habe es frech kommentiert, dass das Pfusch ist: Er hat ein Loch für einen Taster in den Blechkasten gekegelt, dabei aber etwas zu tief gekommen, so dass das Loch zu groß war. Er hat dann eine Dichtung aus dem Sanitär (ich meine, das war eine für einen Spülkasten) benutzt, um den Taster dennoch zu verbauen xD.

Was mein "Werkstatt-Bastelthema" der nächsten Woche war, war natürlich klar... Schützschaltungen :)

Dann kam der letzte Tag und wir hatten von der Schule aus die Aufgabe, einen Grundriss vom Betrieb zu machen. Das hatte ich noch offen.

Habe dann alles äußere und innere auf ein Blatt Papier gemalt. Dabei keinen Strauch und keinen Baum ausgelassen und der Schrottcontainer durfte auch nicht fehlen.

Und eines konnte ich nicht lassen: Ich habe jeden Lichtschalter ausprobiert, alles nach Steckdosen und Abzeigdosen abgesucht, den Rest mit Phantasie aufgefüllt und mit den Informationen den Installationsplan des Firmengebäudes "rekonstruiert". Kreuzschalter habe ich am Klickgeräusch und schwergängigkeit identifiziert. Der Meister sagte, dass ich das sehr gut rekonstruiert hatte.

Aber ein Problem blieb übrig: Die Leiter... Deswegen habe ich den Berufswunsch "Elektroinstallateur" auf Eis gelegt und seitdem nie wieder Berührung damit gehabt. Das Handwerk ist für mich nicht geeignet.

Mit der Leiter kämpfe ich heute noch, wenn ich z.B. eine Deckenleuchte in meiner Wohnung anschließen möchte. Ich habe ein angeborenes Gleichgewichtsproblem: Sobald ich beide Hände von der Leiter nehme, den Duspol in die Hände nehme und anfange, die Spannungsfreiheit festzustellen, fangen meine Beine an zu schlabbern. Wenn ich nicht schnell genug damit fertig werde, holt es mich - mitsamt Duspol in der Hand - von der Leiter runter!

Weil mir sowas schon öfter im Leben passiert ist, habe ich echt Schiss vor Leitern und allgemein hohen Dingen, wo man runterfallen kann.

Ich brauche bei sowas meistens Hilfe, weil ja auch die Löcher zum Aufhängen der Leuchte irgendwie in die Decke müssen, was für mich der schwierigste Schritt ist.

Vor der Netzspannung habe ich dagegen gar keine Angst - Dafür gibt es ja die 5 Sicherheitsregeln. Wenn die Sicherung raus ist, ist sie raus und wenn man weiß, dass sich das mit der Spannungsfreiheit unerwartet ändern kann, wenn man z.B. in einer wirren Abzweigdose eine Klemme mit N oder PE auftrennt, ist die Gefahr für mich überschaubar.

Einen Stromschlag habe ich noch nie gehabt.

Nun habe ich aber "im realen Leben" auch noch nicht so viel mit Leuchten und Steckdosen gemacht. Nur ein paar Kleinigkeiten hier und da.

Ich bastel im Hobby lieber mit dem Lötkolben. Sitzend am Küchentisch :D

Und nein, wer nicht weiß, was er tut, sollte IMHO keine Leuchten oder Steckdosen installieren oder verändern.

Man kann auch mit haushaltsüblichem Werkzeug gar nicht sinnvoll prüfen, ob neu installiertes wirklich OK ist oder ob z.B. der Leitungsweg am Ende nicht doch zu lang ist. Dafür sind spezielle Messgeräte erforderlich, die viel zu teuer sind.

Woher ich das weiß:Hobby – Ich beschäftige mich schon mehrere Jahre damit.

Hallo thomas171101,

ich habe Respekt davor, weiß allerdings auch was ich mache, heißt messen, Stromfreiheit prüfen und gegen Einschalten sichern, solange es 230V betrifft! Über diese handwerklichen Fähigkeiten, auch im Sanitären/Holzbau Bereich bin ich ganz froh, denn sonst würde meine Rente hinten und vorne nicht reichen! Bei vielen Fragen hier, stellen sich mir die Nackenhaare auf über so viel Unwissenheit und Leichtsinn!

es ist vernünftig, die Hände vom Strom zu lassen, wenn man nicht genau weiß, was man macht.

Das "Problem" mit dem Strom ist: man schafft es schnell, dass etwas "funktioniert".

Nur weil etwas "geht" heißt das noch lange nicht, das es richtig gemacht wurde, es richtig dimensioniert oder sicher ist.

Solltest du als Elektriker eigentlich wissen, wie gefährlich es ist, wenn z.B. der Leiterquerschnitt zu gering dimensioniert wird und duese dann mit zu hohem Strom beaufschlgt wird.


thomas171101 
Beitragsersteller
 25.10.2024, 18:46

Mir ist bewusst wie gefährlich das ist. Ich das mit 15 Jahren angefangen zu lernen und kann halt absolut nicht einschätzen wie viel wissen eine normale Person über das Thema hat.

Ich bin der Typ "Alleswerker", und deswegen prüfe ich immer, was ich selber machen kann, bevor ich jemanden hole.
Ich mache auch einfache Stromsachen selber. Allerdings nur, wenn ich die Sicherung auch wirklich ausschalten kann. Ich habe in früheren Jahren schon einige Stromschläge abgekriegt. Entsprechend hoch ist mein Respekt beim Anblick einer Stromleitung.
Sogar wenn ich weiß, daß die Sicherung aus ist, prüfe ich jede Leitung nochmal extra mit dem Phasenprüfer. Erst dann traue ich mich, eine Leitung anzufassen.

Ich habe vielleicht nur ein ganz grobes Verständnis über Strom.

Ich will nicht sterben und bevor ich ein dummes Fehler mache, lass ich lieber Fachleute dran. Ich habe keine Angst vor Strom, ich habe Angst um mein Leben.