Wie geht es euch mit dem Herzsutra?
"Weil das eine ist, ist das andere", "Form ist Leerheit, Leerheit ist Form" ... Wie geht es euch mit dem Text?
Ich denke, dass sich dieser Text der Wahrheit nähert oder wahr ist. Ähnlich wie das Höhlengleichnis von Platon oder die Flusslehre von Heraklit "Warum kann man nie in den selben Fluss steigen? Weil er immer in Bewegung ist ..."
Ich weiß jetzt aber nicht ob das Herzsutra deswegen tröstlich ist ... Aber denke dass es wahr ist im Unterschied jetzt z. B. zur Bibel oder dem Koran oder ähnlichen Texten ...
Hier ist der Text:
Das Herz der vollkommenen Weisheit Sutra
Avalokitesvara Bodhisattva, in tiefste Weisheit versenkt, erkannte, daß die fünf Skandhas leer sind und verwandelte damit alles Leid und allen Schmerz. Sariputra! Form ist nichts anderes als Leere, und Leere ist nichts anderes als Form. Form ist identisch mit Leere und Leere ist identisch mit Form. Und so ist es auch mit Empfindung, Wahrnehmung, geistiger Formkraft und Bewußtsein.
Sariputra! Alle Dinge sind in Wahrheit leer. Nichts entsteht und nichts vergeht. Nichts ist unrein, nichts ist rein. Nichts vermehrt sich und nichts verringert sich. Es gibt in der Leere keine Form, keine Empfindung, Wahrnehmung, geistige Formkraft und kein Bewußtsein, keine Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper oder Geist; es gibt nichts zu sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen oder denken, keine Unwissenheit und auch kein Ende der Unwissenheit, kein Altern und keinen Tod, noch deren Aufhebung, kein Leiden und keine Ursache des Leidens, kein Auslöschen und keinen Weg der Erlösung, keine Erkenntnis und auch kein Erreichen.
Weil es nichts zu erreichen gibt, leben Bodhisattvas Prajna Paramita und ihr Geist ist unbeschwert und frei von Angst. Befreit von allen Verwirrungen, allen Träumen und Vorstellungen, verwirklichen sie vollständiges Nirvana. Alle Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft leben Prajna Paramita und erreichen damit die höchste Erleuchtung.
Erkenne deshalb, daß Prajna Paramita das große Mantra ist, das strahlende Mantra, das unübertroffene Mantra, das höchste Mantra, das alles Leiden stillt. Dies ist die Wahrheit, die Wahrheit ohne Fehl. deshalb sprich das Prajna Paramita Mantra: Gate, gate, paragate, parasamgate, bodhi, svaha! Rezitationstext aus der Tradition von Prabhasa Dharma Roshi
2 Antworten
Das Herzsutra ist einer der tiefgründigsten Texte des Buddhismus. Der Text erschließt sich nicht sofort und reines Rezitieren hilft nicht viel weiter. Man braucht schon etwas Hintergrundwissen.
Das Herzsutra zertrümmert unsere Konzepte. Es geht um das, was Buddhisten Leerheit nennen. Die Dinge existieren, doch in ihrer Substanz sind sie leer – so wie sich ein Traum sehr real anfühlen kann, aber eben doch nur ein Traum ist. Das heißt, die Dinge sind nicht so richtig real, aber geben tut es sie doch. Die Erscheinungen sind anders, als sie zu sein scheinen.
Verstehst du die Aussage "Form ist Leerheit und Leerheit ist Form"? Ich mein das jetzt nicht gemein, aber deiner Erklärung mit dem Traum nach, habe ich jetzt nicht so den Eindruck.
Ich kenn das von Zen-Sesshins, dort wird es meistens rezitiert.
Ich persönlich kann leider nichts damit anfangen :-)
Naja, diese Annäherung an die Wahrheit über ein Paradoxon. Im Zen gibt es ja auch Koans... das ist alles nicht meins, ich brauch etwas, dass ich klar einordnen kann.
Verstehst du die Aussage "Form ist Leerheit und Leerheit ist Form"?
Ein Paradox mit dem Verstand zu verstehen... vielleicht so wie Christus sagt: Mein Reich ist nicht von dieser Welt (Form ist Leerheit); aber auch: Mein Reich ist unter euch da (Leerheit ist Form)...
Intuitiv vielleicht, aber da tu ich mich schwer. Bin wohl noch auf einer Stufe, auf der ich auf eine mentale Struktur angewiesen bin. Gerade Koans sollen das ja sprengen...
Ich hab wieder damit angefangen, und das Meditationshaus Dietfurt für mich entdeckt. Vor Corona ist man da nicht reingekommen, aber jetzt gehts. Tolles Haus!
Im Herzsutra geht es um die Frage, wie eine objektive und wie eine subjektive Realität ausschaut.
Eine subjektive Realität ist eine Welt der Formen und Eindrücke. Vor dir steht ein Tisch. Könnte das Objekt auch ein Tisch sein, ohne das jemand da ist mit seinen Prägungen und es wahrnimmt? Wie sieht ein Tisch aus, wenn niemand da ist, der dieses Objekt war nimmt? Ist es dann ein Haufen Atome? Aber selbst Atome würden wieder jemanden brauchen, der das wahrnimmt. Kann es überhaupt eine Realität geben, ohne das jemand diese wahrnimmt?
Der Tisch ist aus sich selbst heraus kein Tisch. Er besitzt kein "Tisch-sein" er ist leer von einem eigenständigen, unabhängigen "Tisch-sein", erst wenn du kommst und das Objekt wahrnimmst kann es ein Tisch sein.
Das heißt, die Dinge funktionieren nicht gelöst von einander sondern in Abhängigkeit.
Dafür sollte man sich mit dem Thema Anatta beschäftigen. Das ist der Kern des Buddhismus und das was den Buddhismus zum Buddhismus macht.
Es gibt einen Löffel! Aber der Löffel besitzt kein "Löffel-sein". Es gibt Form (den Löffel), aber der Löffel ist aus sich selbst heraus kein Löffel, sondern er ist aus sich selbst heraus leer.
Lies dich in das Thema Anatta rein. Das ist eigentlich das wesentlichste im Bezug auf den Buddhismus.
"Handlung geschieht, aber es gibt keinen der handelt ..." Das ist ein Zitat des Buddhas. Das Herzsutra kam erst später. Es würde wahrscheinlich sagen, dass es einen Handelnden gibt, aber er handelt nicht aus sich selbst heraus.
Ja, das wird bei Sesshins fast immer rezitiert.
"Ich persönlich kann leider nichts damit anfangen :-)"
Warum? Was bedeutet das?