was macht denn die Arbeit der Erzieher*innen so schwer?
läßt sich das mal konkretisieren, was so schwer ist an der Arbeit von Erzieher*innen, wenn auf der einen Seite ehrenamtlich und auf der anderen Seite zu Tausenden auf der Straße demonstriert wird, als wäre es eine Zeiterscheinung?
Wieso ehrenamtlich?
die Gesellschaft mißt sich am Widerspruch - wer paßt denn auf die kleinen auf, wenn jetzt den ganzen Tag auf der Straße - das sollen dann die ehrenamtlichen machen ..
5 Antworten
Generell:
-Viel Verantwortung
-viel Lärm und Stress
-Du bist die ganze Zeit ein Vorbild für die Kinder und musst genau aufpassen, was du tust und sagst
-extremer Fachkräftemangel. Wer mal allein mit 20 Kindern gewesen ist, merkt schnell, wie anstrengend das ist.
-Gerade im Kindergarten und in der Krippe ist man ständig krank und wird teilweise auch ewig nicht mehr gesund, weil die Kinder einem ständig ins Essen niesen oder dich anhusten oder du ihre Rotze an dir hast
-Oft schwierige Eltern, die dir das Leben schwer machen, dich anschreien, dir drohen
Kinderkrippe:
-körperlich anstrengend, man sitzt viel auf dem Boden, trägt die Kinder durch die Gegend
-Kindergarten/Grundschule: geistig anstrengend, Kinder haben unzählige Fragen, du bist den ganzen Tag gefördert. Man muss sich durchsetzen können, eine gewisse Bindung zu den Kindern aufbauen, das richtige und professionelle Mittelmaß finden zwischen Nähe und Distanz, das kann nicht jeder
Dann arbeiten Erzieher auch in anderen Bereichen. Zum Beispiel mit körperlich oder geistig behinderten Kindern, mit Kindern im Hospiz, mit Kindern in Wohngruppen (Jugendheim), mit Kindern und Jugendlichen, die Suizid gefährdet oder was auch immer sind. Das ist psychisch ziemlich belastend.
Auch in den typischen Einrichtungen (KiTa, Grundschule, Jugendhaus, ...) bekommt man teilweise viel Leid mit. Kinder mit blauen Flecken, die zuhause geschlagen oder vergewaltigt werden, nichts gescheites zu essen dabei haben. Ein Kind hat mir von seiner toten Mutter erzählt und viel geweint, ein anderes Kind wurde misshandelt und sagte mir, dass es sich umbringen möchte. Natürlich gibt es auch viele super schöne Momente, aber jeder Tag ist anders, man weiß nie, was auf einen zukommt und manche Sachen können wie gesagt belastend sein, man braucht da Mitgefühl und Resilienz.
Die Ausbildung an sich ist langwierig, komplex.
Je nachdem in welchem Bereich man letztlich arbeitet, je nachdem wie die vorhandenen Arbeitsbedingungen sind, kann es körperlich/ psychisch auf Dauer sehr anstrengend sein.
Erzieher gibt es ja nicht nur im U6 Kindergartenbereich. Erzieher gibt es im U3 Bereich, in Tagesbetreuungseinrichtungen von beispielsweise der Lebenshilfe (für Kinder, Tagesförderstätte für Jugendliche und Erwachsene, Werkstätten für Behinderte ), in Wohnheimen der Lebenshilfe, in regulären Kinderheimen/ Jugendwohnheimen.
Und jeder dieser Bereiche bringt andere Anforderungen und "Stressfaktoren" mit sich. Nicht jeder ist "optimal geeignet" (oder fühlt sich wohl in) jedem dieser Bereiche.
Genauere Erklärung, anhand meiner persönlichen Erfahrungen damals:
Arbeite ich (ich persönlich) beispielsweise in der regulären U6-Tagesbetreuung für nichtbehinderte Kinder (plus evtl dem einen oder anderen Inklusionsplatz), bedeutet dies eine durchschnittliche Gruppenstärke von 20 Kindern pro Gruppe. Ich wäre grundsätzlich in einer dieser Gruppen eingesetzt. Es käme höchstens mal zum vorrübergehenden Wechsel in eine andere Gruppe bei Betreuungsengpässen. Mein potentieller Tagesablauf würde beginnen noch bevor die ersten Kinder überhaupt eintrudeln. die Bringzeit (und die Abholzeit mittags/ nachmittags) wird durchsetzt durch Tür-und-Angel-Gespräche mit den unterschiedlichsten Eltern oder Großeltern. Irgendwelche wichtigen Infos werden auf die Schnelle ausgetauscht, evtl hört man eine Beschwerde oder teilt eine Beobachtung mit die einen aus Erziehersicht besorgt. Der Tag wird durchbrochen durch die einen oder anderen wichtigen Telefonate (anrufende künftige Kunden, Leute die ein Praktikum benötigen, Kontakt mit Behörden wie beispielsweise dem Jugendamt, etc). All das ist ja noch easy, einfach dazugehöriger Kram.
Das Anstrengende (aus meiner Sicht) wär dagegen die körperliche Belastung (Benutzung der winzigen Stühle, Belastung der Ohren, man muss beständig alles gleichermaßen im Auge behalten im Raum (der ja durchbrochen wird durch Regaleinheiten/ Tische, spezielle Themenecken). Zusätzlich potentiell emotionale Belastung (weil man Dinge mitbekommt die man selbst als ungerecht empfindet, oder sich Sorgen macht über die Zukunft des einen oder anderen Kindes). Man muss lernen damit umzugehen und "diesen emotionalen Ballast vor der Haustür zu lassen um das Privatleben dadurch nicht zu vergiften" - umgekehrt muss man private Belastungen daheim lassen, nicht mit zur Arbeit schleppen.
Es ist ein beständiger Wechsel an neuen Kindern mit ihrer jeweils eigenen Geschichte plus ihre jeweiligen Bezugspersonen die sich einklinken weil es ja schließlich um ihren "Prinzen"/ ihre "Prinzessin" geht.
Jugendwohnheime empfand ich als "okay", aber anstrengend - geballter Teenagerfrust, persönliche Hintergrundgeschichten die dem einen oder anderen Menschen die Haare vor Schreck aufstellen lassen würden. Teenager die alles in Frage stellen, die Antworten wollen, die ihren Platz versuchen zu finden, die Regeln suchen und Anleitung brauchen. Unter Umständen dreht mal einer der Bewohner komplett durch.
"Meine Nische" war im Bereich Betreuung von behinderten Jugendlichen und Erwachsenen. Auch hier gibts sowohl psychische als auch besonders körperliche Belastung (durch die jeweilige Hintergrundgeschichte der jeweiligen Bewohner, durch die Pflege bzw. zu leistenden Assistenz). Das ärgste was ich "damals" an Verletzungen davontrug war eine großflächige schmerzhafte Schwellung am Unterkiefer/Kinn nach einem erhaltenen unbeabsichtigten Kinnhaken während ich einen Bewohner aus dem Rollstuhl ins Bett hob. Oh da fällt mir ein, man macht sich mit der Zeit unter Umständen den Rücken kaputt in der Pflege (wenn man nicht die passenden Hilfsmittel zur Umbettung zur Verfügung hat oder nicht darauf achtet "wie man richtig hebt/ trägt".
In "dem" Bereich fühlt sich sicherlich auch nicht jeder gleichermaßen gut aufgehoben. Für mich wars eine tolle Zeit, anstrengend - aber gleichzeitig freute ich mich auf die Arbeit, auch an Wochenenden und Feiertagen.
Übrigens, in allen Betreuungsbereichen - egal ob Regelkindergarten, Kinderheim, Jugendwohnheim, Pflege- und Betreuungs-Bereich von Behinderten - hat man nebenbei auch mit den entsprechenden Behörden zu tun, mit den jeweiligen Sorgeberechtigten, mit eventuell involvierten Ärzten und Fördereinheiten (Logo, Ergo, etc pp). Man führt Berichtshefte für jeden zu Betreuenden für den man verantwortlich ist, regelmäßig.
Als Erzieher ist das Thema Arbeitsplatzsituation also entsprechend individuell und gleichzeitig komplex
PS: Ein Kommentar befasst sich mit der Einstellung/ Haltung der Erziehungsberechtigten an sich. Dem stimme ich zu. Oft sehen Eltern im eigenen Nachwuchs etwas das eigentlich ganz normal ist oder aber "anders als die Eltern es wahrnehmen in ihrer Gewohnheit". Oder fassen ihr Kind/ ihren Jugendlichen/ ihr behindertes erwachsenes Kind mit Samthandschuhen an "weil es besonders ist" oder weil sie das Gefühl haben dadurch irgendwas "gut machen" zu können. Eine entsprechende Erwartungshaltung seitens dieser Erziehungsberechtigten gegenüber den Erziehern ist somit oft recht "schwierig"
Das der Job der Erzieher besodners in der Stationären Jugendhilfe und ähnlichen Bereichen extrem Emotional belastend sind. Denn diese menschen Arbeiten fast ausschließlich mich gewaltbereiten, bzw. schwer Traumatisierten..... Menschen.
Nichts. Früher konnte jeder auf Kinder aufpassen und diese auch erziehen.
Jetzt braucht es jahrelange Ausbildung, am besten noch ein Studium.
Raus kommen verzogene Kinder mit einem Blumenstrauß an Problemen, eine Gesellschaft ohne Werte.
Wir setzten die falschen Prioritäten.
Dem kann ich nur zustimmen. Man muss allerdings auch sagen, die Erziehung war früher zum Teil deutlich schlechter, also beides hat seine Vor- und Nachteile, die Erziehung früher und die Erziehung heute.
Habe schon in mehreren Kinderkrippen gearbeitet, auch schon in Schulen und in einem Kindergarten. Finde jetzt nicht besonders schwierig. Auf dem Bau oder in der Intensivstation im Krankenhaus stelle ich mir anstrengender vor