Warum wählen viele nicht mehr SPD?

6 Antworten

Der SPD scheint der Wandel vom Arbeiterverein zur "neuen Mitte" nicht geglückt zu sein - auch Projekte wie die Agenda 2010, die Arroganz der Schröder-Regierung und dann noch das Scheitern der Ampel sitzen noch tief. Es sind viele Dinge versprochen worden und es wurde nichts gehalten, dazu kam der arrogante Franz Müntefering, der sich ca. 2006 beklagt hat, dass es "unfair" sei, der SPD gebrochene Wahlversprechen vorzuhalten. Da braucht auch keiner zu wundern.

Müntefering repräsentiert genau die Schicht, die die SPD eigentlich anspricht: Die SPD ist an sich keine Partei der kleinen Leute, sondern eher ein Sammelbecken Intellektueller, die unter ihresgleichen bleiben wollen und für Arbeiter nicht viel übrig haben. Das ist aber nichts Neues und war unter Helmut Schmidt nicht anders. Ich erinnere an arrogant auftretende, optisch wie Günter Grass so gegen Ende der 80er-Jahre aussehende ältere Lehrer in Besoldungsstufe A14 mit Bart und Wollsakko zu rotem Pullunder und natürlich den typischen 70-jährigen "Quotenarbeiter", der zwar nach dem Krieg in seinem Dorf Schreiner, Maurer oder Schlosser gelernt hatte, aber entweder Berufssoldat in Pension ist oder zuletzt seit 30 Jahren Betriebsrat mit eigenem Büro war oder in der SPD-Kreisgeschäftsstelle tätig gewesen ist, so dass er eine fürstliche Pension kassiert und "soziale Sprüche" zum Besten gibt.

Mir waren die Leute in der SPD zu arrogant, zu sehr von sich eingenommen und zu doppelmoralig - mir sind vor allem die Intellektuellen und Studierten in der SPD bzw. in den Ortsvereinen durchweg zu unsympathisch, zu streitbar, zu polterig und zu arrogant-elitär gewesen. Es passt nicht, wenn man vor der Presse "soziale" Sprüche kloppt und dann mit dem Mercedes SL Oldtimer auf den Golfplatz hetzt, wo man sich bei Schampus genüsslich über zufällig am Rad- und Spazierweg vorbeiziehendes "Fußvolk" lustig macht. Und das habe ich genau so erlebt... nee, danke.

Ich mag die AfD zwar auch nicht, aber viele AfD'ler treten sehr volksnah auf und nutzen gerade auf dem Land die Chance, sich zu profilieren. Ich kann man an Kandidatenvorstellungen erinnern, wo der AfD-Kandidat der einzige war, der überhaupt gekommen ist - und so was zieht dann auch insofern bei den Leuten, dass sie sich denken ... sieh mal an, der von der AfD ist der einzige, dem wir es wert waren, dass er erschienen ist und sich die Zeit genommen hat, während wir CDU und SPD nicht gut genug waren, also wählen wir den.

Dazu kommt, dass die kleinen Leute über Jahre hinweg von der CDU und besonders von der SPD (Agenda 2010, Sozialabbau usw.) mit den Füßen getreten wurden - man fühlt sich im Stich gelassen. Die wählen die AfD nicht aus Überzeugung und kennen das Parteiprogramm meist nicht - die geben der AfD ihre Stimme, um CDU und SPD einen Denkzettel zu verpassen, weil sie sich verraten und verkauft fühlen. Meist leben diese Wähler auf dem flachen Land, das die Volksparteien am langen Arm verhungern ließen und wo CDU- und SPD-Abgeordnete zwar alle paar Jahre beim Weißwurstfrühstück im Schützenhaus das Blaue vom Himmel versprachen und dann doch ihr Wort gebrochen haben.

Bin in einem solchen strukturschwachen Milieu in Westdeutschland mit relativ hohem AfD-Zuspruch aufgewachsen. Kenne diese Gruppe sehr gut und einfache Arbeiter ohne große Bildung, aber dafür mit großer Klappe (tut mir leid, ich will das einfach direkt schildern ohne Umschweife) sind ein Völkchen für sich, leicht reizbar, oft jähzornig, oft sehr aggressiv und entschlossen, es "den Großen da oben" mal so richtig zu zeigen, oft tragen sie unfassbar viel Hass auf die Welt und alle, von denen sie meinen, dass es ihnen zu Unrecht besser ginge als einem selbst, herum. Das sind so chronisch Zu-kurz-Gekommene, die sich immer im Nachteil sehen - und dabei sind sie konsequent in dem, was sie tun, weil sie meinen, im Recht zu sein wie am Stammtisch. Genau das zeigt sich hier.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

verreisterNutzer  27.02.2025, 09:08

Wer 2025 die AfD wählt, kann sich nicht mehr hinter Protestwählen verstecken.

lifefree 
Beitragsersteller
 27.02.2025, 14:52

,,Ich mag die AfD zwar auch nicht, aber viele AfD'ler treten sehr volksnah auf und nutzen gerade auf dem Land die Chance, sich zu profilieren. "

Das kann sich schnell ändern, sobald sie an der Macht sind .
Macht und Erfolg in der Politik kann die Menschen negativ verändern .

xubjan  27.02.2025, 10:59
Es sind viele Dinge versprochen worden und es wurde nichts gehalten

Das klingt zwar logisch, ist aber bei Lichte betrachtet komplett falsch. Die SPD hat auch bei Schröder ganz viel eingelöst, von dem, was versprochen wurde.

Das ist wirklich so. Schröder hat nie versprochen, dass er mit drm Finger schnippst und plötzlich fliest überall Milch und Honig. Diese Versprechungen kamen damals von seinem Vorgänger..

Ich glaube, dass Problem ist das fehlende Aufstiegsversprechen.

Es wird nur darüber gesprochen, Besserverdienern mehr weg zu nehmen, und Schlechtverdienern und Arbeitslosen mehr zukommen zu lassen.

Dass das Problem nicht die Gehälter sind, die Grade hierzulande echt fair verteilt sind, wird halt immer mehr bewusst.

Nehmen wir die Standardvorstellung einer Familie.

2 Arbeitslose mit 2 Kindern können sich heute, mit etwas Geschick, auch ein Haus vom Staat bezahlen lassen und müssen in fast gar nichts zurückstecken.

2 Gutverdiener mit 2 Kindern müssen alles selbst bezahlen und wenn die Kinder aus dem Haus sind geht es sogar weiter und die Ausbildung, das Studium muss bezahlt werden.

Wenn man diese Konstellationen vergleicht und zum Ergebnis kommt, dass es da keinen gravierenden Unterschied mehr gibt, dann hat man ein Problem. Denn das Gefühl, mit Leistung mehr erreichen zu können ist halt nicht mehr vorhanden.

Und genau das sind ja eigentlich die Wähler der SPD. Angestellte.

Und nochmal, um Vergleiche zu ziehen:

Mindestlohn ~2150€

Topverdiener ~7000€

(Klar, es gibt noch ein paar Stellen, wo noch mehr verdient wird, aber die Stellen werden schon sehr sehr rar. Wir sind hier jetzt bei Ärzten, Ingenieuren, Softwareentwicklern angekommen)

Der Unterschied klingt erstmal gut.

Netto:

Mindestlohn ~1600€

Topverdiener ~4000€

Da sind wir von einem Verhältnis von 30% zu einem Verhältnis von 40% gekommen im Brutto/Netto Vergleich. (Also Brutto bekommt ein Mindestlohnverdiener 30% im Vergleich zum Topverdiener, Netto 40%)

Gehen die Kinder später ins Studium oder eine andere Ausbildung muss der Topverdiener für den Unterhalt aufkommen (934€ pro Kind). Beim Geringverdiener zahlt der Staat.

Situation dann:

Mindestlohn: ~1600€

Topverdiener: ~2132€

Und das ist ja nicht die einzige Situation. Es gibt noch so einige Förderungen, die dafür sorgen, dass Besserverdiener nach unten gezogen werden oder Schlechtverdiener nach oben.

Die einzigen, dir fast durchgehend geschützt werden, sind Vermögende. Denn all diese Maßnahmen schauen auf den Verdienst, nicht auf das Vermögen. Und damit wird das Aufstiegsversprechen für den fleißigen Arbeiter zerstört. Da man entweder durch Selbstständigkeit oder außergewöhnliche Berufe extrem reich werden muss oder aber durch Erbe.


lifefree 
Beitragsersteller
 27.02.2025, 14:39

,,2 Arbeitslose mit 2 Kindern können sich heute, mit etwas Geschick, auch ein Haus vom Staat bezahlen lassen und müssen in fast gar nichts zurückstecken."

Das solltest Du mal an einem Beispiel mit Fakten belegen.

benwolf  27.02.2025, 22:10
@lifefree

Wenn der Vermieter das Haus in 2 "Wohnungen" unterteilt, können beide seperat gemietet werden. Dafür muss man nur behaupten, dass man getrennt von einander lebt. Dadurch kann die Miete auf 2 Parteien aufgeteilt werden. Einer nimmt einen kleineren Part, der andere den größeren (Weil Kinder).

Der Staat finanziert dann auch die "Renovierungskosten" im Umfang einer kleinen Sanierung. Das muss auf Rechnung passieren, aber wenn du jemanden kennst, der eine eigene Firma hat, kannst du das über ihn laufen lassen, deine eigene Bude herrichten und bekommst dafür sogar Geld...

Es gibt überall Kniffe. Du musst nur abgebrüht sein und etwas Hilfe von außen bekommen.

Hauptgrund dürfte die Selbstdarstellung der Partei und das Personal sein.

Woher ich das weiß:Recherche

Weil sie bisher zu zögerlich war und nicht Arbeitswillige unterstützen.Außerdem gibt es ja auch die Linken