Motivation für Sci Fi?
Rentiert es sich heutzutage noch, Science Fiction zu schreiben? Die großen Zeiten sind da ja längst vorbei und wirklich groß war das Genre eh nie. Bei der größten Lesergruppe, jungen Frauen ist das Genre auch gerade im Vergleich zu Fantasy eher im Hintertreffen.
Dazu kommt noch, dass gute Science Fiction schwer zu plotten ist, fast so schwer wie High Fantasy, in der unglaublich viele Aspekte zu der Welt, in der die Handlung stattfindet, geklärt werden muss. Anders als Fantasy darf sich Sci Fi nicht so viele Fehler erlauben, es steht und fällt mit der logischen Konsistenz und der Plausibilität (in Universe). Magie kann absurd sein, aber futuristische Technik darf nicht absolut alles, sonst wäre es eben futuristische Fantasy und kein Sci Fi.
Der letzte Punkt ist, dass alles mögliche schon tausendmal gemacht wurde. Fremde Planeten erkunden, Roboter, Roboter, die menschlich werden, Katastrophenszenarien, Zeitreise, Gedankenkontrolle, Cyborgs, KI etc.
Einiges gibt es ja jetzt schon, was vor 60 Jahren reine Fiction war (Touchscreens als simples Beispiel oder auch AR, ...)
Neulich dachte ich mir, man könnte ja ne Zukunftsdystopie machen mit KI im Fokus und einer neuen Zweiklassengesellschaft, die daraus entsteht ... evtl bis zum Bürgerkrieg. Aber wirklich neu ist da nix.
Rentiert es sich heutzutage noch, sich aus Autorensicht mit Sci Fi zu befassen?
5 Antworten
Ich persönlich finde das Genre gerade jetzt spannend wie noch nie, denn so viele Zukunftsvisionen aus älteren Science-Fiction-Geschichten sind schon eingetreten - jetzt muss man eben schon ein bisschen weiterdenken als die üblichen Technologien und wissenschaftlichen Theorien, die sich eben teilweise schon in der Realität erfüllt haben.
Aber gerade das ist ja die Faszination daran, man malt sich aus, wie die Zukunft aussehen könnte und beobachtet dann, wie sich die Wissenschaft in der Realität der selbst erfundenen Fiktion nähert.
Denke die meisten Autoren schreiben aus Leidenschaft.
Viel Geld macht damit fast niemand.
Also wenn du schon von "rentieren" sprichst. Nein, rentiert sich nicht.
Es gibt nur eine bestimmte Anzahl an Geschichten, die erzählt werden können. Im Kern wiederholt sich alles irgendwann; Jurassic Park ist Westworld mit Sauriern. Aber es geht auch nicht darum, etwas völlig neues zu erfinden - es geht darum, der Geschichte einen interessanten Anstrich zu verpassen.
Sci-Fi ist das Spiel mit Möglichkeiten, mit "Was wäre Wenn" und nichts ist spannender, als eine Welt, die sich geringfügig anders benimmt. Man ist ja nicht auf die Physik beschränkt, Haefs und Brin gehen mit Barakuda und Uplift auch auf Glaubensfragen ein. In Otherland sickert das Netz in die echte Welt und wird zur realen Bedrohung, aber auch zum Mittel eben diese aufzuhalten.
ScFi und auch Fantasy bieten dem Menschen die Gelegenheit mit eben diesen Fragen zu spielen, ohne sich um Konsequenzen Gedanken machen zu müssen. Was letztendlich beim Kunden ankommt, ist mehr als nur eine Frage des Genres. Manchmal muss man auch einfach Glück haben, dass man genau den richtigen Zeitgeist trifft und auf eben diesem mitschwimmt.
Ich habe lange überlegt … Ja, SF, gute oder "harte" SF war immer eine Nische. Daran hat auch ein Arther C. Clarke oder Herbert W. Franke oder Peter Hamilton wenig geändert. Auch nicht Stanislaw Lem, wobei dem ein Riesennachruf folgte.
zudem hast Du richtig geschrieben, dass die Zukunft der 1970er Jahre und später in vielen Techniken schon eingetreten ist. Rein nur "fancy" Technik macht aber auch keinen SF aus. Es muss schon eine gute Extrapolation von vorhandenen Entwicklungen oder grundlegende Überlegungen zum Verhältnis von Technik und Mensch oder von Mensch und Kosmos, ansonsten wird es schnell langweilig.
Die "große KI" und die dystopische Zweiklassengesellschaft ist wiederum für SF-Kenner auch ein echt alter Hut. Denke nur an Metropolis. Oder Will Gibson mit Neuromancer.
Dennoch sehe ich es als Fehler und nicht als "geschichtliche Entwicklung", dass sich diese Gesellschaft lieber in Märchenwelten (bitte nicht abwertend, aber als Umschreibung von Fantasy) begibt anstatt voran zu denken und "neues Land" zu erkunden.
Und es gibt sie noch, die neue, gute SF. Beispielsweise Peter Schattschneider, "Hell Fever", der auf Schattschneiders unvergleichliche Art und Weise und so spannend wie fatal bis zum Schluss das Thema zu einem unerwarteten, aber krassen, realistischen Ende bringt. Oder aus dem Bereich der Space-Opera Amy Kaufman und Jay Kristoff mit der Aurora-Trilogie. Gerade jungen Leuten sehr zu empfehlen! (Weihnachten steht vor der Tür …)
Zu Deinem Thema hat Harari gerade ein Buch veröffentlicht, was Dir eine Menge "Futter" geben könnte: Yuval Noah Harari, Nexus. Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz, Peguin, München, 656 S., 28 € (Oder als E-Book). (Und nein: Ich verdiene an meinen Buchempfehlungen nichts.) Harari beschäftigt u. a. gerade die Frage, was mit einer sogenannten schwachen KI passiert, die zu einer allgemeinen KI wird. Und das läuft ja gerade ab und wird in einem halben Dutzend Jahren zu irgendeiner Konsequenz führen.
Dabei sieht Harari die Gefahr nicht in einer Aufspaltung der Gesellschaft, sondern in unregulierter (!) KI, die wie ein mächtiger Anwalt auftritt. Ganz anderer Move, gelle? (s. a. ZEIT, 01.12.2024, "Sie ist intelligenter als wir". Der Artikel ist zurzeit noch kostenpflichtig, mal in der Leihbücherei ZEIT ansehen …)
Und das ist ein lohnendes Thema, aber ohne 1000 Seiten eigene Lektüre wirst Du da nicht einfach so einsteigen können. Nur Mut! Leg los!
Dazu kommt noch, dass gute Science Fiction schwer zu plotten ist, fast so schwer wie High Fantasy, in der unglaublich viele Aspekte zu der Welt, in der die Handlung stattfindet, geklärt werden muss. Anders als Fantasy darf sich Sci Fi nicht so viele Fehler erlauben, es steht und fällt mit der logischen Konsistenz und der Plausibilität (in Universe). Magie kann absurd sein, aber futuristische Technik darf nicht absolut alles, sonst wäre es eben futuristische Fantasy und kein Sci Fi.
Dazu hat David Weber sich mal (im Vorwort zur Jubiläumsausgabe von "Oath of Swords") ein paar Gedanken gemacht, die ich hier einfach mal teilen möchte
There are certain ingredients that are necessary to make a literary universe that hangs together, that's both convincing and consistent enough that readers actually want to visit. The "technology,"whether it's science-based or magic-based, has to be consistent. The characters have to have a toolbox with both advantages and limitations the writer agrees to abide by, and they have to solve their problems without his suddenly dropping a brand-new tool into the box because he discovers he's painted himself into a corner. The people who live in it have to be believable, and they have to be characters the reader actually cares about. Readers don't have to like the characters (although it does help if they like at least some of them), but they do have to care about what happens to them. The social matrix has to be internally consistent, well thought out, and believable. Whether or not politics are centerstage in the novels set in a universe, the writer has to understand what the political subtext is and abide by it. And the writer has to remember that if he's writing about an entire world, it's probably at least a little bit bigger than Rhode Island. It might even be bigger than Texas. In either case, it's going to have variations of climate, terrain, people, flora, and fauna.
In a fantasy universe, the "tool box's" rules are less restrictive, but that doesn't absolve the writer of his responsibility to be consistent. The social and political design work still have to be done right, too, and, in some ways, the genre itself has traditionally been rather more limiting. There are expectations, especially in "swords-and-sorcery" fantasy. For example, if you put orcs (or their equivalent) into a fantasy novel, they're probably going to be the bad guys. Elves may be followers of the light or of the dark, but there are certain inherently "elvish" qualities we generally expect to find. Half-elves usually combine the best of both human and elf, and everyone knows the dwarves are greedy, grasping, avaricious sorts who usually end up with the short end of the stick, at least as far as anyone's actually liking or admiring them.
Aber zu Deiner eigentlichen Frage - SciFi ist ein geistiges Werkzeug. Genauso wie Fantasy. Genauso wie Liebeslyrik oder Drama oder was es sonst noch an Kategorisierungen gibt. Mehr ist es nicht. Aber wie jedes geistige Werkzeug unterliegt auch SciFi gewissen Trends, die immer den Zeitgeist widerspiegeln. Dass in den letzten 15 oder 20 Jahren dystopische Literatur (wie Tribute von Panem oder Maze Runner) solch großen Erfolg hatte, ist eigentlich ein schlechtes Zeichen - denn es bedeutet, dass die Menschen erwarten, dass die Zukunft schlechter wird als die Gegenwart. SciFi-Literatur ist deshalb immer auch ein bisschen Zukunftsforschung - zumindest auf psychologischer Ebene. Und deshalb wird SciFi auch nicht aussterben - als Frühindikator, wohin sich die Gesellschaft entwickeln könnte, welche Gefahren auf dem Weg lauern und wie man ihnen eventuell begegnen könnte, gibt es kaum etwas Besseres. Dass die Handlung der Geschichten erst in ... was weiß ich, 200 oder 2.000 Jahren spielt, ist dafür eigentlich irrelevant. SciFi wird immer für die Gegenwart geschrieben und ist in diesem Aspekt aktueller als die klassische "Gegenwartsliteratur". Und so gesehen, "rentiert" sich SciFi mehr als beinahe jede andere Literaturform - wenn auch vielleicht nicht unbedingt auf dem Bankkonto der meisten Autoren.