Kann es sein, dass es innerhalb der migrantischen Gesellschaft selbst eine Hierarchie an Herkunftsländern gibt?
Einmal, war vor dem Jahreswechsel, ging es um eine Diskussion über den in Mannheim geborenen und aufgewachsenen türkischen Fußball-Nationalspieler Hakan Calhanoglu, der in der italienischen Serie A bei Inter Mailand spielt. Da ging es darum, dass er nicht unbedingt zum FC Bayern wechseln will, sondern er sagte folgendes:
"Bayern München wollte mich letzten Sommer. Da war die EM. Bis sie vorbei war, hat mein Berater nichts zu mir gesagt. Dann rief er an und berichtete mir von dieser Möglichkeit. Ich habe ihn sofort unterbrochen und ihm ohne Zögern gesagt: 'Sprich mit Inter Mailand, nicht mit mir. Ich werde nur tun, was sie wollen. Ich habe diesem Verein so viel zu verdanken."
Jemand, der vermutlich italienischer Herkunft ist, sagte dann folgendes:
"Regt euch alle ab und akzeptiert, dass er einfach keinen Bock hat auf Kartoffelland. Wer will schon freiwillig hier leben"
Ich antwortete dann und sagte folgendes:
"Na ich. Ich bin selbst kein richtiger Deutscher, aber es ist meine Heimat. Hier bin ich geboren, hier bin ich aufgewachsen und hier will ich auch irgendwann zur Grabe getragen werden. Meine tamilischen Eltern kommen ursprünglich aus Sri Lanka, dort hätte ich aber keine Perspektiven gehabt. Dort wäre ich nichts gewesen. Dein Kommentar finde ich nicht in Ordnung. Sei froh, dass Du hier leben darfst."
Und er antwortete:
"schön für dich, sei du froh, ich bin es nicht. Nicht jeder kommt aus Sri Lanka. Ein Italiener, Spanier oder Grieche muss das nicht so sehen wie du. Deren Länder haben viel mehr Lebensqualität zu bieten, als das kalte graue Deutschland. Wenn die Südländer aus Europa genug Geld hätten, würden sie alle ihre Länder zum Leben bevorzugen. Deutschland ist nur eine Investition um Geld zu verdienen, ein schönes Leben hat man hier nicht."
Die Diskussion ging weiter, wo es um Rassismus ging und er seine Erfahrungen als universell hinstellte, während er meine Erfahrungen kleinredete und mir ausreden wollte, dass ich mich Deutschland zugehörig fühle.
Zugegeben: "Sei froh, dass Du hier leben darfst" klingt sehr hart, aber ich war sauer.
Worum es mir geht: Der Typ sagt "Nicht jeder kommt aus Sri Lanka. Ein Italiener, Spanier oder Grieche muss das nicht so sehen wie du.", was andeutet, dass es eine Hierarchie innerhalb der migrantischen Gesellschaft hinsichtlich der Herkunftsländer geben würde und dass ich mich mit Deutschland identifizieren würde, weil ich "von noch weiter unten" kommen würde.
Kann es sein, dass es tatsächlich eine Hierarchie innerhalb der migrantischen Gesellschaft gibt?
Also: Griechen, Italiener und Spanier etc. sind in der Hierarchie ganz oben und ich (habe tamilische Wurzeln, meine Eltern sind sri-lankischer Herkunft) relativ oder ganz unten?
Nicht dass es unbedingt eine gibt, aber manche denken, dass ihre Herkunftsländer besser sind als die der anderen?
5 Antworten
Ich würde das bei weitem nicht pauschalisieren, aber übesteigerter Nationalstolz bei gleichzeitiger Geringerschätzung anderer Nationen scheint mir gerade bei Einwanderern wesentlich weiter verbreitet als bei den angeblich ach so rassitischen Deutschen.
Das wird mit Sicherheit so sein. Die mögen sich untereinander auch nicht.
Natürlich. Ausländer zu sein verbrüdert einen nicht.
Viele Italiener sprechen nicht einmal mit anderen Italienern, wenn die aus bestimmten Regionen kommen. Wieso auch?
Ich denke, dass Menschen, deren Eltern oder Großeltern zugewandert sind, häufig ein Problem mit Asylsuchenden oder Geflüchteten haben.
Das sind Menschen mit türkischen, griechischen oder marokkanischen Wurzeln, die hier geboren und aufgewachsen sind und deren Vorfahren im Zuge der Gastarbeiter-Anwerbung in den 60ern und 70ern nach Deutschland kamen.
Ich nehme da ein Hierarchie-Denken wahr, sowas wie Migrant 1. und 2. Klasse, wenn ich das mal so nennen darf. Die hier Geborenen pochen auf ihre "älteren" Rechte und sind oft fremdenfeindlicher als manch Deutscher.
Manche glauben ihr Land ist das Beste. Trotzdem sind wir alle nur zu Gast auf diesem Planeten und nationale Grenzen sind Konstrukte in unseren Köpfen.
Wie willst du das einem Reh in einem grenznahen Wald verklicken, dem Reh sind all diese Grenzen der Menschen egal, so lange es nicht durch physikalische Barrieren am Überqueren selbiger gehindert wird.
Es ist klar, dass meine Aussage provokativ ist und nur ein Aspekt beleuchtet. Aber das ist ein Aspekt der sonst zu wenig Beachtung findet. Die "Wahrheit über die Welt" (inklusive den Konstrukten von Staaten) ist zu umfangreich um sie vollständig in einem Social-Media-Posting abzubilden. 🙂
Würde ich so jetzt nicht sagen. Nationale Grenzen gibt es nicht umsonst. Wie willst Du einem Kroaten beispielsweise verklickern, dass Kroatien umsonst auf der Landkarte existiert? Ich finde einfach nur, dass man, Unterschiede hin oder her, jeder den anderen respektieren und akzeptieren soll.