Beispiel für Kritik an deontologischem Ansatz Kants?
Ich bin der Meinung, dass Kants deontologischer Ansatz v.a. beim kategorischen Imperativ für heutige Verhältnisse nicht weit genug greift. Trotzdem finde ich kein wirkliches starkes Beispiel, um meine These zu belegen (ich denke an Klimaschutz, usw.).
Fällt euch vielleicht etwas ein? Bzw. stimmt ihr mir zu oder seid ihr anderer Meinung?
PS: Brauche das für ein Essay in meinem Ethikunterricht.
Inwiefern greift er heute nicht mehr? Kannst du das präzisieren? Vielleicht können wir an deinem „schwachen“ Beispiel ansetzen. Würde mich interessieren.
Ich habe meine Nachricht als Antwort bei dem Beitrag gepostet, sorry, bin neu hier ^^
4 Antworten
Der kategorische Imperativ ist eine ethisch absurde Forderung, die mit den Prinzipien der Aufklärung in krassem Widerspruch steht. Selbst Kant mit seiner Forderung an den Menschen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, widerspricht sich in dieser radikalen Forderung, ausschließlich der Pflicht zu folgen. Wer stur und ohne gebührende gedankliche Durcharbeiten einer Problematik nur einem singulären Prinzip folgt, agiert ja gerade komplett unintellektuell.
Geistige Beweglichkeit im Argumentieren sind das Gebot unserer Zeit, die Feinanalyse der Gegebenheiten , das sorgfältige Prüfen aller relevanten Parameter, die Gewichtung der Argumente, die Beachtung der möglichen Interessenkonflikte, der Kontext, die psychisch bedeutenden Begleitphänomene und noch etliche weitere Punkte ließen sich anführen, um verantwortungsvoll und kompetent denken und handeln zu können.
Da fällt der starre kategorische Imperativ komplett aus als echte Handlungsoption. Rigidität ist nicht gefragt. Da brauchst du also überhaupt nicht groß zu suchen, um endlos viele Beispiele zu finden, die gegen die Anwendung des kategorischen Imperativs als moralische Prinzip in unserer immer komplexer werden Welt sprechen.
Tut mir leid, dass ich so direkt frage, aber: hättest du ein Beispiel, was v.a. diesen deontologischen Ansatz, der die Konsequenzen ignoriert, kritisiert?
Ich weiss nicht ob es Deine Frage richtig beantwortet, aber ich habe folgende Kritik an den ,,kategorischen Imperativ":
Der kategorische Imperativ gibt vor, immer und überall gültig zu sein. Ein universaler Anspruch wird aber bereits durch ein Gegenbeispiel in Frage gestellt.
Es ist bekannt dass in Afrika bei vielen ,,afrikanischen" Moslem-Völker die Genital-beschneidung bei Mädchen ausgeführt wird, sogar durch Mütter, die selbst diese Tortur haben erleiden müssen. Diese Mütter sind der Meinung, dass es ein ,,allgemeines Gesetz" sei, dass die Genitalbeschneidung bei den Mädchen durchgeführt wird. Die Voraussetzung des kategorischen Imperativs wird also erfüllt; dennoch sind die meisten Ethiker sich einig, dass es eine höchst verwerfliche Praxis sei.
Hier hat also der kategorische Imperativ versagt. Bei Klimaschutz und Umweltschutz ist er aber --nach meiner Meinung-- ein brauchbares Prinzip.
Ich meine, dass auch Du den kategorischen Imperativ nicht ganz verstanden hast. Gemäß dem Text ist er ein Aufruf an den einzelnen Menschen, die Erlaubnis einer Handlung zu überprüfen. Und die Täter der Beschneidung begründen ihre Handlung mit einem allgemeinen Gesetz, dass alle frauen beschnitten werden müssen.
Mit dem letzten Satz Deines Kommentars bin ich ganz einverstanden!
Da muss ich widersprechen. Kant argumentiert, dass es ein moralisches Gesetz oder wie er es nennt „Sittengesetz“ gibt, das jederzeit für alle gültig ist.
Der kategorische Imperativ soll es, da hast du recht, den einzelnen ermöglichen, dieses Gesetz einzusehen.
Ob man diesen Ansatz zustimmt, oder ob man sich an das Gesetz hält, steht auf einem anderen Blatt. Aber rein nach Kant ist das moralische Gesetz objektiv und universell gültig und besteht unabhängig von Meinungen.
Und das ist auch der große Kritikpunkt an diesem Modell. Es ist zu radikal.
Und wenn du mit meinem letzten Satz einig bist, dann stimmst du mir ja zu. Nach dem kategorischen Imperativ kann entweder Beschneiden falsch sein oder richtig.
Wenn es für jemanden richtig ist, obwohl es eigentlich falsch ist (oder anders rum) dann hat einer den kategorischen Imperativ falsch angewendet.
Denn durch den kategorischen Imperativ soll man moralische Wahrheit einsehen können.
mit diesem Kommentar (,,da muss ich widersprechen") bin ich einverstanden. Nur ist das ,,moralische Gesetz" irgendwie von Menschen definiert und nie ,,objektiv".
Der kategorische Imperativ geht davon aus dass die Grundlage (bei Kant ,,Maxime" genannt) einer Handlung jederzeit zum allgemeinen Gesetz erklärt werden könnte.
und ein reicher Händler betrachtet das rücksichtslose Erwerben von Reichtum als allegemeines Handlungsprinzip.
Ja das sehe ich auch so. Nur ist der Begriff ,,moralische Wahrheit" für mich nicht definiert.
Wenn es für jemanden richtig ist, obwohl es eigentlich falsch ist (oder anders rum) dann hat einer den kategorischen Imperativ falsch angewendet.
das ist so. Formal richtig, aber materiell falsch.
Eben nicht. Der kategorische Imperativ lautet:
“Handle nach derjenigen Maxie durch die du zugleich wollen kannst, dass sie zum allgemeinen Gesetz werde“
Ein großes Missverständnis ist, wenn man „durch die“ als „von der“ versteht. Das war mein größtes Missverständnis, als ich mich in meinem Philosophiestudium mit Kant beschäftigte.
„von der“ meint, dass nicht ich meinen Willen verallgemeinere. Das verfehlt Kant. Ich handle durch die Maxime, die selbst der Verallgemeinerung zustimmen muss.
Und das ist genau der Geniestreich von Kant, indem er dadurch eine Ethik begründet, die unabhängig von meinen individuellen Meinungen besteht.
Bei Kant sind diese moralischen Gesetze nicht gemacht. Sie sind da. Und das einzige was der Mensch machen kann, ist diese herauszufinden und sich an diese zu halten.
Der Händler kann das zwar sagen, aber er liegt falsch. Warum? Weil wenn das zum allgemeinen Gesetz werden würde, müssen das alle machen und das würde ein den kategorischen sowie praktischen Imperativ nur schwer bestehen.
Bei Kant sind diese moralischen Gesetze nicht gemacht. Sie sind da
Was soll das heißen: Sie sind da? Wie Naturgesetze, die man durch Experimente erforschen kann? Moralische Gesetze sind doch kultur-- und situationsbedingt, und außerdem gibt es noch das Problem der moralischen Dilemmata, wie von der Fragestellerin in einem Zusatz aufgeführt.
Genau. Das Moralgesetz bei Kant kannst du dir vorstellen wie ein Naturgesetz. In diesem Ansatz ist Moral objektiv.
Das heißt es gibt moralische Tatsachen, also moralische Wahrheit. Bei Kant ist es nichts, was erst durch den Menschen, Kultur oder Situationen entsteht. Nur so macht auch erst die Rede von „allgemeinen Gesetzen“ überhaupt erst Sinn.
Das Gesetz „Wahrheit zu sagen“ ist genauso Gesetz, wie die „Schwerkraft“. Und deswegen gilt bei Kant dieses Moralgesetz für jeden Menschen, zu jeder Zeit und Epoche und in jeder Kultur und Situation. Sie übergreifen Raum und Zeit und sind immer und überall gültig.
Und mit der Theorie vom kategorischen Imperativ will Kant es uns ermöglichen eben dieses Gesetz zu sehen. Wobei eben die Formel des kat. Imperativs nur die Spitze des Eisbergs ist, da gibt es noch weitere Dinge zu berücksichtigen, aber das führt jetzt zu weit.
Zu den Dilemmata:
Grundsätzlich führt der kategorische Imperativ nicht zu Dilemmata. Der kategorische Imperativ konzentriert sich immer nur darauf, ob eine Handlung richtig oder falsch ist. Es geht immer nur um die Handlung als solche.
Das Dilemma löst sich auf, wenn ich den Imperativ richtig anwende.
Bei der Fragestellerin gibt es insofern kein Dilemma, da sie mehrere Handlungen vermischt und nicht einzeln berücksichtigt. Dazu kannst du gerne mein Gespräch mit ihr innigster eigenen „Antwort“ lesen.
Der kategorische Imperativ hat andere Probleme. Da er als allgemeines Gesetz immer für alle gilt, ist er ziemlich extrem. Zum Beispiel im Fall der Lüge:
Bei Kant ist die Lüge für alle immer verboten ohne Ausnahmen. Man muss immer die Wahrheit sagen. Das kann zu Problemen führen.
Danke für deine Antwort :)
Ein solches Beispeil habe ich schon eingebaut (bei mir ist es Blutrache als in manchen Kulturkreisen), aber ich finde, dass diese Kritik eher die fehlende universelle Anwendung des kategorischen Imperativs anspricht, das wäre, meiner Meinung nach, ein anderer Kritikpunkt an seiner Ethik. Weißt du, was ich meine?
Ich wollte in diesem "deontologischen Argument" eher darauf eingehen, dass ich es nicht gut heiße, dass Kant nur Wert auf das Motiv einer Handlung legt und die Konsequenzen für ihn in den Hintergrund treten. Für dieses Argumente suche ich aktuell noch ein passendes Beispiel...
Ein Beispiel zum Klimawandel, wo Kants kategorischer Imperativ nicht greift.
Flüchtlingen zu helfen, ihnen HIER zu helfen, sie anzusiedeln, Familiennachzug u.s.w. ist gut. Dies wird von den Menschenrechten, dem Staat und der EU gefordert.
ABER diese Menschen kommen zumeist aus CO2-milden Regionen und müssen hier, wegen der geänderten Lebensumstände, nun viel CO2 erzeugen. Dazu kommt, dass die Lücke, die die Flüchtlinge in ihrer Heimat hinterlassen, schnell durch mehr Babys geschlossen wird. Dadurch wächst die Bevölkerung weiter, die vielen Menschen erzeugen noch mehr CO2, und der Bevölkerungsdruck steigt so lange, bis neue Flüchtlinge hier her kommen.
Da die Obrigkeit oft zu kurz denkt und deshalb falsche Leitlinien aufstellt, muss man stets den Einzelfall prüfen.
Danke für deine Antwort. Das klingt gut, finde ich. Hier wäre dann doch das Motiv moralisch vertretbar, die Konsequenz aber eher nicht, oder?
Ja, so ist es. Das Leben ist kompliziert und es gibt selten einfache Lösungen oder allgemeingültige Maxime. Man muss immer den Einzelfall abwägen.
Danke für deine Nachricht :).
Also ich dachte dass beispielsweise ein Unternehmen, was gute Motive hat, die z.B. ihren Mitarbeitern helfen wie z.B. neue Arbeitskleidung (welche jedoch in einem Entwicklungsland hergestellt wurde), aber diese hat Handlung negative Konsequenzen für das Klima oder auf die Arbeiter usw. Ich weiß, dass das ganze weit hergeholt ist, vielleicht bin ich auch generell mit meiner These auf dem Holzpfad.
Du hast gute Beispiele gebracht von sogenannten moralischen Dilemmata. Es gibt verschiedene moralische Gesetze, welche in konkreten Situationen gegenläufig sind, das heißt: Wie man auch handelt oder nicht-handelt, es wird immer ein moralisches Gesetz verletzt. Der kategorische Imperativ geht davon aus, dass es für jede Situation nur eine moralisch richtige Handlung gibt; und Deine Beispiele zeigen, dass diese annahme falsch ist.
Was ich mich frage: laut Kant wäre diese Handlung jetzt moralisch wertvoll, oder? Aber laut heutigem weitverbreitetem Wertesystem evtl. nicht, oder?
Das klingt tatsächlich nach einem kleinen Holzweg. Wenn du nach Konsequenzen fragst, verlässt du das Kant‘sche denken.
Bei Kant geht es immer nur um die Handlung als solche. Also ob man lügen, morden, klauen etc. darf. Die Konsequenzen betrachtet er nicht. Der kategorische Imperativ überprüft nur, ob die Handlung bspw. das Klauen erlaubt ist.
Jedoch kann man dein Pferd auch noch mit Kant reiten, sofern man es etwas differenziert.
Du hast nämlich zwei Fragen in deinem Beispiel:
- Soll man seine Mitarbeiter gut behandeln? (Bspw. durch Versorgung der Arbeitskleidung)
- Darf man zur Produktion von Kleidung andere Menschen oder gar Nationen zum eigenen Vorteil ausbeuten?
Diesen Fragen könntest du nachgehen. Wahrscheinlich wirst du für 1. „Ja“ herausfinden und für 2. „Nein“.
(2. würde den praktischen Imperativ verstoßen, also die Menschenwürde missachten)
Insofern müsste der Arbeitgeber um 1. zu erfüllen auf andere Produzenten zurückgreifen.
Okay, das klingt schlüssig. Dass Kant nicht wirklich Wert auf Konsequenzen sondern eher auf Motive legt, ist aber eben mein Kritikpunkt an ihm. Verstehst du? Ich finde es nicht ausreichend, eine Handlung nur nach ihrem Motiv und nicht nach ihren Konsequenzen moralisch zu bewerten. Wenn man also nochmal auf mein Beispiel zurückkommt und sozusagen "im Nachhinein" (evtl. wieder Holzweg.. ^^) diese Handlung bewertet, sollte diese ja nicht nach dem Motiv sondern nach ihrem Motiv und ihren Konsequenzen bewertet werden, um zu sagen moralisch vertretetbar oder eben nicht.
Das kann man so sehen, jedoch kann man dabei einwenden, dass ich auf dieses Nachhaltigkeitsproblem von Anfang an, also bereits im Vorhinein, stoßen kann, wenn ich über meine Pläne ordentlich nachdenke.
Wenn der Arbeitgeber durch die gute Behandlung seiner Angestellten anderen Menschen schadet, dann liegt das Problem nicht am kategorischen Imperativ, sondern am Arbeitgeber der nicht weit genug gedacht hat.
Es finden auch mehrere Handlungen statt.
Es werden nicht nur die Angestellten gut behandelt, sondern auch Klamotten eingekauft.
Insofern gibt es zwei Handlungen, die überprüft werden müssen. Und dabei kann ich auf das Problem mit der Nachhaltigkeit stoßen.
Um dir entgegen zu kommen: Es gibt tatsächlich ein Konsequenzproblem bei Kant. Das gestaltet sich aber leicht anders. Kann ich gerne morgen erklären. Muss jetzt ins Bett. 😄
Sehr gerne. Deine Punkte von davor verstehe ich, mein Beispiel hinkt also schon ziemlich... ^^. Hättest du ein besseres Beispiel? Bin gespannt auf deine Erklärung des Konsequenzproblems.
Mit deinem Gegenbeispiel verfehlst du aber den kategorischen Imperativ. Es geht wie du sagtest, um ein allgemeines Gesetz. Nach dem kategorischen Imperativ gibt es nur eine Möglichkeit: Entweder alle beschneiden Frauen, oder niemand. Was diese Mütter meinen spielt dabei keine Rolle. Der kategorische Imperativ ist ein Werkzeug das ermöglichen soll, ob - in diesem Fall - Beschneidung Pflicht oder Verbot für alle ist.
Ob diese Beschneidung Gebot oder Verbot ist gilt es dann herauszufinden und argumentativ zu belegen. Dass es Gegenargumente gibt, glaube ich gerne. Es ändert allerdings nichts an dem universellen Anspruch des kategorischen Imperativs.
In diesem Modell liegen entweder die Beschneider falsch, oder deren Kritiker. Ein dazwischen gibt es nicht.